Selten fand ich dieses Adjektiv angebrachter, denn die ganze Welt scheint aktuell aus der Bahn. Die Corona-Krise beherrscht das Geschehen rund um den Globus. Nicht nur hierzulande fragt man sich, wann alles wieder in den Normalzustand übergeht. Doch wird es das überhaupt? Vielleicht sind die Auswirkungen und der Zwangsstillstand eine Art Stoppschild, ein Appell der Natur an die Menschheit, das eigene Verhalten und den übertriebenen Gigantismus der Globalisierung zu überdenken. Schon nach wenigen Wochen kann man überall auf der Welt die Regeneration der Umwelt beobachten: In Brasilien sind wegen der leeren Strände fast 100 vom Aussterben bedrohte Schildkrötenbabys geschlüpft, in Indien ist zum ersten Mal nach 30 Jahren der Himalaya wieder aus 200 Kilometer Entfernung zu sehen. Ich habe die Hoffnung, dass durch das kollektive Innehalten eine Chance entsteht, den Status quo zu hinterfragen und zum Start in die 2020er-Jahre eine Kurskorrektur zu vollziehen.
Selbstredend sind die Auswirkungen nicht alle positiv. Neben den Krankheits- und Todesfällen durch die Pandemie ist Covid-19 auch für Unternehmen ein Drahtseilakt. Nachdem adidas im März ankündigte, durch den staatlich verordneten Lockdown hierzulande keine Flächenmieten mehr zu zahlen, war der Aufschrei in der Bevölkerung groß. Zu Recht, wie ich finde – auch nach der Entschuldigung und Revidierung durch CEO Kasper Rorsted bleibt ein bitterer Beigeschmack. Denn gerade in Krisenzeiten bedarf es Solidarität, Zusammenhalt und Weitsicht. Die altbekannte Egomentalität und der starre Blick auf Umsatzzahlen sorgen für Fassungslosigkeit und Unverständnis. Doch es geht auch anders, wie weitere Branchenplayer zeigen: Von Spendenaktionen bis hin zur Umstellung der Produktion auf dringend benötigte Schutzmasken ist alles an Hilfestellung dabei. Anfang April meldeten sich RALPH LAUREN, GUCCI und die Muttergesellschaft Kering Group mit ersten Corona-Spendenaktionen, die in den Millionenbereich gehen. Inzwischen wird die Liste der Firmen, die große Summen im Kampf gegen das Virus mobilisieren, immer länger. Auch nicht monetäre Hilfen seitens der Industrie kommen an: Die Parfümsparte von LVMH oder der Aachener Kosmetikspezialist BABOR produzieren statt Cremes und Düften Infektionsmittel für Krankenhäuser und Praxen. Der schwedische Hemdenanbieter ETON spendet statt Geld seine Mode und hat im Netz zu einer Community-Aktion aufgerufen. Für jeden Social-Media-Post, der mit der Verlinkung auf @etonshirts und den Hashtags #workfromhome und #meandmyeton versehen ist, wird ein Hemd oder Business-Accessoire an Organisationen (CAREER GEAR und SUITED FOR SUCCESS) gespendet, die arbeitslosen Menschen beim Wiedereinstieg in den Beruf helfen.
In China laufen die Produktionen langsam wieder an und damit ist ein erster Schritt in Richtung „back to business“ getan. Bleibt zu hoffen, dass wir die Krise bald überstehen, die Menschen jedoch den Weckruf wahrnehmen und es zum Paradigmenwechsel kommt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.