Autor: Markus Oess Wer nicht oft rauskann, der kauft im Internet, und wer gar nicht rausdarf, kauft eben alles im Netz. Naheliegend, aber stimmt so nicht. Auch der Online-Handel bekommt Covid-19 zu spüren. Die Umsätze brechen zum Teil weg, aber es gibt auch Gewinner. Fashion gehört indes nicht dazu.
Wandfarbe. Das ist derzeit der Verkaufsrenner bei dem Hamburger Online-Händler OTTO. „Im Frühling werden die Menschen generell aktiv, wollen ihren Garten auf die Saison vorbereiten, pflanzen, aufräumen und sie wollen auch die eigenen Wände auf Vordermann bringen“, sagt ein Unternehmenssprecher gegenüber FT. Wie viel Anteil dabei der Lockdown hat, der die Menschen zu Hause festhält, und sowieso nichts Besseres zu tun ist, ist schwer zu sagen. Dass die Kontaktsperren die Menschen aber vor die Bildschirme treiben, ist durchaus zu erkennen. Sie verbringen mehr Zeit damit zu surfen, sich zu informieren und umzuschauen, auch bei der Mode. Gekauft wird, was in der Krise und den teils absurd anmutenden Versorgungsängsten der Deutschen benötigt wird: Tiefkühlgeräte, Brotbackautomaten (das Mehl dafür liegt ja schon im Keller), auch Bart- und Haarschneidegeräte, schließlich muss auch in der Krise die Frisur sitzen. Notebooks landen ebenfalls regelmäßig im Warenkorb. Gesellschaftsspiele laufen mit einem Umsatzplus von unglaublichen 199 Prozent zum Vorjahreszeitraum sogar so gut wie sonst nur zur Weihnachtszeit.
Aber kaufen die Deutschen auch deswegen gleich mehr? Weit gefehlt, sagt der OTTO-Sprecher. Vor Corona habe der Umsatz sogar unter Vorjahr gelegen. Mittlerweile haben die Hamburger das Niveau der zurückliegenden zwölf Monate wieder erreicht. Mehr auch nicht. Umsatzverschiebungen, Boom geht anders. Die Mode liegt im Plus, wenn es um sportnahe Bekleidung geht (Jogginghosen Sportschuhe, Shirts). Bademoden zum Beispiel will zurzeit keiner haben. Doch während OTTO sich wenigstens auf ein breites Sortiment stützen und darüber Ausfälle kompensieren kann, steht der Online-Handel insgesamt im Augenblick nicht gerade gut da. „Um fast 20 Prozent ist der E-Commerce im März 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingebrochen. Einzig die Kategorien, die auch im Einzelhandel stark nachgefragt wurden, konnten zum Teil deutliche Zuwächse verzeichnen: Lebensmittel, Drogeriewaren, Medikamente und Do-it-yourself- beziehungsweise Baumarkt-Sortimente. Damit sind fast alle Zuwächse, die der Online-Handel im Januar und Februar erzielt hatte, vernichtet worden“, teilt der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) mit. Im ersten Quartal 2020 sind die Erlöse mit 16,48 Milliarden Euro (alle Werte inklusive Mehrwertsteuer) nur um 1,5 Prozent gegenüber 11,2 Prozent im Jahr zuvor gewachsen. Gefragt waren vor allem Lebensmittel (plus 28,1 Prozent auf 361 Millionen Euro) und Medikamente (88,2 Prozent auf 227 Millionen Euro). Die klassischen Krisensortimente.
Insgesamt aber brach im März der Umsatz über alle Kategorien hinweg um 18,1 Prozent ein. Das Bekleidungssegment stürzte sogar um mehr als 35 Prozent ab. „E-Commerce ist heute ein normaler Einkaufskanal. Deshalb wirkt sich solch eine Krise in der Konsumstimmung voll auf unsere Branche aus. Die Behauptung, der E-Commerce würde pauschal als ‚Gewinner‘ aus der Corona-Pandemie hervorgehen, ist schlicht falsch“, sagt Gero Furchheim, Präsident des bevh und Sprecher des Vorstands der Cairo AG. „Richtig ist aber, dass die Chancen des E-Commerce für die Versorgung der Kunden und die Geschäftsmodelle des Einzelhandels neu erlebt werden.“
Einer der großen stationären Dickschiffe im Modehandel ist Peek&Cloppenburg, Düsseldorf (P&C West). Im Interview mit FT in der zurückliegenden März-Ausgabe sagte Nicolay Merkt: „Wir verstehen uns als Knotenpunkt, der On- und Offline-Geschäft und den Auftritt der einzelnen Marken in der Gruppe Peek&Cloppenburg verbindet.“ Merkt ist Geschäftsführer der FASHION ID, in der die Düsseldorfer ihre gesamten Online-Aktivitäten gebündelt haben. „Da Peek&Cloppenburg gewöhnlich den größten Teil seines Umsatzes im stationären Geschäft generiert, werden die Verluste leider kaum durch den Online-Shop abzufedern sein. Das sehen wir ganz realistisch“, sagt Merkt auf FT-Anfrage. Aber: „Uns sind die Webshops und die sozialen Medien aber gerade in diesen Zeiten sehr wichtig, um mit den Menschen in Kontakt zu bleiben. Wir nutzen all unsere digitalen Kanäle wie Newsletter, Instagram, Facebook und den Webshop, um unsere Kunden anzusprechen und weiterhin für sie da zu sein. Unter anderem informieren wir sie darüber, dass die Verkaufshäuser geschlossen sind, sie jedoch im Online-Shop weiterhin einkaufen können und dort jetzt deutlich verlängerte Retouren-Fristen haben. Unseren Social Media Content und unsere Warenauswahl bei Rabattaktionen haben wir der aktuellen Situation angepasst. Zum Beispiel bieten wir bei Aktionen unter dem Motto ,Stay at home‘ entsprechend vor allem Casual- und Homewear an. Entscheidend ist, flexibel zu bleiben, da niemand die weiteren Entwicklungen vorhersehen kann. Wenn die Situation es zulässt, werden wir unseren Kunden ein abwechslungsreiches Programm bieten und ihnen online mit neuen Themen Lust auf Mode machen und sie inspirieren. Wir wollen sie positiv stimmen und überraschen, ohne dabei die aktuellen Strömungen aus den Augen zu verlieren.“
Merkt berichtet von kontinuierlich steigenden Zugriffszahlen, weil die Menschen sich mittlerweile an die Situation gewöhnt hätten. Allerdings habe das Thema Mode für die meisten anlässlich der jüngsten Nachrichtenlage zuletzt eine untergeordnete Rolle gespielt. Dennoch will er sich von dem um sich greifenden Pessimismus nicht einfangen lassen: „Aber allmählich wird der Ausnahmezustand zum Alltag und mittlerweile läuft es gut. Wir sind zuversichtlich, dass die Menschen schon bald wieder mehr Spaß daran haben werden, sich mit schönen Dingen wie Mode zu beschäftigen.“ Zumindest logistisch sind im Augenblick im Online-Handel keine Engpässe zu erwarten. „Bisher lief alles so weit gut. Von größeren Schwierigkeiten haben wir nichts gehört. Wichtig weiterhin, dass die Grenzen passierbar sind und bleiben, sodass die Lieferverkehre auch künftig die Lager bestücken können“, heißt es dazu seitens des bevh. Allerdings tobt schon seit Langem auf deutschen Autobahnen ein unerbittlicher Preiskampf, der mittelständische Speditionen in der Corona-Krise zusätzlich unter Druck setzt.
DePauli AG
Hosen, Jeans, Jacken – und Nachtwäsche
Ihr herrenausstatter.de gilt als der Gegenentwurf zum lauten zalando. Das mag sicher auch in der Geschichte begründet sein. Unternehmensgründerin Renata DePauli startete ihr Geschäft mit der Beratung von Managern und auch in den 1990er-Jahren waren da leise Töne angesagt. Heute vereint die DePauli AG neben herrenausstatter.de unter anderem die Plattformen fashionsisters.de, just4men.de und fashionforsale.de. DePauli über Online-Handel in der Corona-Krise und mit einem Aufruf an ihre Branche:
FT: Frau DePauli, wie entwickeln sich aktuell in der Corona-Krise und im Lockdown die Online-Verkäufe generell? Krisenzeiten schlagen sich normalerweise auch auf den Konsum durch.
Renata DePauli: „Das stimmt! Für die Modebranche beginnt jetzt in der Regel die Hauptverkaufszeit. Sobald es draußen wärmer wird und die Sonne öfter scheint, haben die Menschen Bedürfnisse für beispielsweise ein weiteres Paar Schuhe oder eine neue Übergangsjacke. Momentan zeigen sich Bestandskunden allerdings zurückhaltender. Wir beobachten in den Warenkörben auch eine gesteigerte Anzahl von Bedarfsartikeln und Basics. Darüber hinaus verzeichnen wir aktuell auffällig viele Neukunden.Rabattschlachten mit aktueller Ware sind aktuell für niemanden hilfreich. Vielmehr gefährden sie weitere Unternehmen und Arbeitsplätze!
Haben Sie spezielle Maßnahmen ergriffen, um jetzt den Umsatz anzukurbeln?
„Selbstverständlich versuchen wir, den krisenbedingten Umsatzausfall so weit wie möglich aufzufangen. Dieser befindet sich aktuell im deutlich zweistelligen Bereich. Abzuwarten gilt auch, wie sich die verlängerten Ausgangsbeschränkungen weiter auf das Konsumverhalten unserer Kunden auswirken werden.
Generelle Rabattaktionen vermeiden wir aber bewusst. An dieser Stelle möchte ich mich auch noch einmal direkt an alle Online-Händler wenden: Wichtig ist, dass wir nun zusammenhalten und die, die noch liefern können, ohne Rabattaktionen in das Frühjahr starten. Rabattschlachten mit aktueller Ware sind aktuell für niemanden hilfreich. Vielmehr gefährden sie weitere Unternehmen und Arbeitsplätze!
Statt Gutscheinaktionen agieren wir bei der DePauli AG wie gewohnt über eine gezielte Kundenansprache nach Interessensegmentierung. Bestellprozesse laufen weiter wie gewohnt. Zusätzlich haben wir seit ein paar Wochen ein verlängertes Rückgaberecht für unsere Kunden eingeführt, durch das nun Rückgaben bis Ende Mai möglich sind.
Darüber hinaus wird in der Modebranche aktuell auch darüber diskutiert, ob die Winterware in diesem Jahr nicht wie gewöhnlich im Juli, sondern erst im August oder September ausgeliefert wird.“
Gibt es Auffälligkeiten im Kaufverhalten Ihrer Kunden, werden bestimmte Produkte besonders nachgefragt?
„Ja, der Monat März ist sonst aufgrund der neuen Frühjahrskollektionen für uns Modehändler immer besonders wichtig und umsatzstark gewesen. Aktuell denken die Menschen aber in erster Linie daran, Artikel für den täglichen Bedarf zu bestellen. Am besten verkaufen sich daher gerade Basics wie zum Beispiel Hosen, Jeans, Jacken – und Nachtwäsche.“
Wie wappnen Sie sich, um durch die Krise zu kommen?
„Meine eigene Haltung ist von Grund auf positiv. Wir werden diese Krise meistern! Dazu gehört aber auch selbstverständlich ein tägliches Nachjustieren. Wir kommunizieren offen mit all unseren Lieferanten, Dienstleistern und Mitarbeitern und suchen gemeinsam nach guten Lösungen auf noch offene Fragen wie etwa die, was mit der Produktion passiert, die schon in die Wege geleitet und die von uns vor Monaten bestellt wurde. Wir haben mit unseren Lieferanten aktuell auch sehr viele individuelle Absprachen getroffen. Je nachdem, wie sich die Lage in den nächsten Wochen weiterentwickeln wird, werden wir unsere jetzigen Entscheidungen aber erneut auf den Prüfstand stellen müssen.“
Sicher sind Online-Anbieter im Augenblick schon allein wegen der Ladenschließungen im Vorteil, aber wie bewerten Sie als Pure Online Player Ihre Marktchance, wenn der Lockdown wieder aufgehoben wird? Sehen Sie besondere Herausforderungen, die vor der Krise so nicht bestanden?
„Wie die letzten Tage gezeigt haben, sind auch die Online-Anbieter von der aktuellen Krise nicht ausgenommen. Als Pure Online Player müssen wir – wie auch die anderen – überlegen, was mit dem daraus entstandenen Überangebot an Waren geschieht. Eine große Herausforderung wird sein, unser gegenwärtiges Warenmanagement neu zu überdenken und der veränderten Situation anzupassen.“