Autor: Markus Oess Luxus ist sexy! Das sagt der Marketingexperte Prof. Dr. Michael Bernecker vom Kölner Marketinginstitut. Die Neigung, in Luxus zu schwelgen, ist nun nicht neu. Nur muss heutzutage dafür Geld auf den Tresen gelegt werden. Aber wie schaffen es High-End-Marken, edel zu sein, Begehrlichkeit zu wecken und bei aller Exklusivität auch zu wachsen? Professor Bernecker über Luxus, Lust und Leute.
FT: Herr Professor Bernecker, ist Luxus noch sexy?
Prof. Dr. Michael Bernecker:„Ja, klar! Gerade Instagrammer und YouTuber schaffen es, Luxus erlebbar zu machen, und bieten so viel mehr Kontaktpunkte mit der ‚Non-Luxus-Zielgruppe‘. Dadurch nimmt auch diese Zielgruppe Luxus als attraktiv und vor allem erstrebenswert wahr.“
In den USA beispielsweise wird gern gezeigt, dass man viel Geld besitzt, hierzulande ist man schnell beim Protz. Ist man aber unter sich, fallen diese Hemmungen sehr schnell. Ein Vorurteil?
„Ja, tatsächlich! Auch in Europa wird Luxus gelebt und gezeigt, sei es in Form von Kleidung, Autos oder anderen Luxusgütern. Aber das passiert vielleicht nicht so extrovertiert wie in Amerika und Asien.“
Tratsch und Klatschpresse haben immer Konjunktur, aber erleben wir einen veränderten Umgang mit Luxus in der Gesellschaft?
„Mit Luxus wird in der Gesellschaft tatsächlich anders umgegangen als noch vor einigen Jahren. Auslöser dafür sind neue Vorbilder und Rollen. Man kann eine Entwicklung weg von Filmstars oder Mitgliedern der Königsfamilie als Vorbilder hin zu Influencern mit eigener Reichweite erkennen. Hinzu kommt, dass Influencer Luxus greifbarer und oft auch authentischer erscheinen lassen. Das verändert, wie Luxus in der Gesellschaft gesehen wird.“
Welche Rolle spielen soziale Medien, in denen jeder ein wenig Individualismus und Weltläufigkeit posten darf?
„Soziale Medien beflügeln Luxus sehr stark, denn durch auffällige Luxusgüter oder auch exklusive Reiseziele differenzieren und inszenieren sich die Nutzer. Jeder will einzigartig sein und sich deutlich von der Masse abheben. Kleidung von großen Namen ist dabei ein wichtiges Mittel, um interessant und individuell zu wirken. Die günstigen Produkte von kik oder ALDI können diesen Luxus-Lifestyle nicht transportieren.“
Was unterscheidet Luxus- von Premiummarken? Der Preis allein kann es ja nicht sein. Denn für arme Menschen sind auch Premiummarken purer Luxus.
„Luxusmarken haben meist einen Unikats- und Handarbeitscharakter. Außerdem zeichnen sich Luxusgüter oft noch durch Verknappung und Seltenheit aus.
Premiummarken weisen überdurchschnittliche Qualität auf, ihnen fehlt aber im Gegensatz zu Luxusmarken der Seltenheitswert. Darum haben sich zum Beispiel sogenannte Capsule Collections als Marketing-Strategie etabliert. Besondere Kollektionen werden in kleiner Stückzahl produziert und sind nur für eine kurze Zeit auf dem Markt erhältlich, um den Effekt der Verknappung und Exklusivität nachzuahmen.“
Früher waren es der Adel und die Kirche, später die Reichen und die Schönen (Industrielle, Schauspieler, Musiker etc.), die den Luxus liebten. Wer ist heute Botschafter des Luxus?
„Wie bereits erwähnt, hat vor allem durch Social Media eine Veränderung der Luxus-Botschafter stattgefunden. Klar präsentieren die Reichen und Schönen immer noch ihren Luxus in der Öffentlichkeit. Heute sind es aber vor allem Influencer, die als Botschafter für Luxusgüter und Luxusmarken fungieren. Durch sie ist Luxus vor allem auch für jüngere Zielgruppen ein Thema geworden.“
Alle sprechen davon, dass besonders Asien und Länder wie Saudi-Arabien den Luxusmarkt antreiben. Ist Europa wertmäßig für das Segment immer noch der wichtigste Markt?
„Nein! Gerade der steigende Wohlstand in Asien treibt die Märkte an. Für viele Luxusbrands ist mittlerweile China der wichtigste Markt.“
Warum sind gerade europäische Luxusmarken in der Welt so gefragt?
„Europäische Luxusmarken schauen oft auf eine lange Geschichte zurück, was zu ihrer Bekanntheit und ihrem Image beiträgt. Außerdem weisen die Luxusmarken aus Europa ein hohes Maß an Differenzierung auf. Es gibt keinen ,Einheitsbrei‘. Gerade in Asien sind die europäischen Luxsubrands außerdem so gefragt, weil es noch keine asiatischen Pendants gibt.“
Es scheint, dass gerade in der Mode italienische und französische Luxusmarken international besonders erfolgreich sind. Was machen diese Unternehmen besser als andere oder sind es analog zu deutschen Autos, Autobahn-proofed und deutsche Ingenieurskunst, einfach von Konsumenten unterstellte Eigenschaften, die sich über die Zeit tradiert haben?
„Es ist ein bisschen von beidem. Natürlich profitieren italienische und französische Modemarken von ihrem Ruf. Wenn sich ein Bild gefestigt hat, kann es sehr lange bestehen bleiben, so wie eben bei der Qualität, die deutschen Autos seit Jahrzehnten nachgesagt wird. Zum anderen haben die Modelabels aber auch aktiv daran gearbeitet, diesen Ruf aufrechtzuerhalten. Kooperationen mit Influencern sind dabei zum Beispiel sehr wichtig, um Bekanntheit und Beliebtheit bei jungen Zielgruppen zu etablieren. Gleichzeitig wird die lange, erfolgreiche Historie immer präsent gehalten. Dadurch haben es Marken, die noch nicht so lange bestehen oder international einfach noch nicht so etabliert sind, erst einmal deutlich schwieriger, einen ähnlichen Erfolg einzufahren.“
Luxus lebt von der Einzigartigkeit und der handwerklich erlesenen Qualität. Warum hat ein Massenmedium wie das Internet inzwischen auch hier eine so wichtige Rolle für den Zugang zu Luxusgütern eingenommen?
„Das Internet spielt in jeder Branche eine Rolle, da ist der Luxusmarkt keine Ausnahme. Grund dafür ist zum einen die hohe Reichweite. Printwerbung oder Fernsehwerbung erreichen einfach nicht mehr so viele Menschen wie Google Ads oder Social Media Ads. Zum anderen ermöglicht das Internet jedem den Zugang zu Luxusgütern. Man muss nicht die teure Reise aus Asien nach Paris oder Mailand antreten, um sich mit ein wenig Luxus einzukleiden. Zwei, drei Klicks und jeder kann am Luxus teilhaben.“
Erleben Luxusmarken auch so etwas wie Preiskampf?
„Sollten sie eigentlich nicht. Aber wenn Luxusmarken in einen preisgetriebenen und vergleichbaren Kontext geraten, werden sie zur Commodity. Das vernichtet langfristig Markenwerte und gefährdet den Status als Luxusmarke.“
Welches Label betreibt nach Ihrer Meinung eine gute Markenpolitik im Zusammenspiel von Produkt, Image/Werbung/Marketing und Vertrieb?
ROLEX ist ein gutes Beispiel für eine gelungene Markenpolitik. Denn ROLEX hat es geschafft, weltweit eine hohe, stabile und relevante Luxuspositionierung zu generieren. Das Besondere: Obwohl die Uhren in großen Stückzahlen produziert werden, haben sie das Image der Exklusivität und des Luxus bewahrt. Der hohe Bekanntheitsgrad ist luxuskompatibel und durch ein breites Produktspektrum sowie gekonntes Marketing wird die Luxusposition kontinuierlich gestärkt.“
Kann Luxus auch nachhaltig sein?
„Tatsächlich ist Luxus häufig nachhaltig. Denn Luxusprodukte sind keine Massenware. Luxusgüter stehen für Langlebigkeit und eine langfristige Nutzung durch den Kunden. Es handelt sich nicht um typische Wegwerf-Produkte vom Discounter!“
Vor welchen Herausforderungen steht mittelfristig das Luxussegment in der Abgrenzung zum restlichen Markt, also Premium abwärts?
„Für Luxusmarken besteht eine große Herausforderung darin, ihre Markenwerte zu halten und gleichzeitig zu wachsen. Luxusbrands müssen Wege finden, durch das Marketing Seltenheit und Einzigartigkeit zu kommunizieren, auch wenn in großen Stückzahlen produziert wird. Zudem müssen sich die Vertriebswege weiterentwickeln, denn gerade die Online-Verfügbarkeit wird an Bedeutung noch zunehmen.
Ein weiteres großes Thema wird Innovation sein. Es gibt genug Marken, die den Luxusbrands nacheifern. Wenn Luxusmarken ihren Erfolg weiterführen wollen, müssen sie mit innovativen Produkten oder Services begeistern. Sonst verlieren Zielgruppen schnell das Interesse.“
Marke und Marketing
Der Marketingunternehmer Prof. Dr. Michael Bernecker ist Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Marketing in Köln. Der Marketingprofi forscht, berät und trainiert im Kompetenzfeld Marketing & Vertrieb. Er war Geschäftsführer und Vorstand verschiedener Marketingunternehmen. Heute arbeitet er als Geschäftsführer eines Marktforschungsunternehmens und als Vorstand einer Werbeagentur.
Als Professor für Marketing lehrt Michael Bernecker unter anderem an der Hochschule Fresenius in Köln. Sein Wissen um unternehmerisches Denken und Handeln bildet die Grundlage der Seminare zur Betriebswirtschaftslehre. Professor Bernecker hat verschiedene Bücher zum Thema veröffentlicht, die mittlerweile als Standardwerke gelten. Als Referent tritt er auch auf Kongressen und Messen auf.