Autor: Markus OessEin Nostalgiker ist Nicolay Merkt nach eigener Aussage nicht. Aber kann Merkt Mode? Wie sieht der Geschäftsführer der FASHION ID die digitale Konsumwelt, welche Rolle spielt er in der strategischen Ausrichtung digitaler Aktivitäten der Peek & Cloppenburg KG, Düsseldorf, und wann genau kommt eigentlich STYLEBOP zurück? Merkt im FT-Interview.
Wenn Nicolay Merkt zupackt, ist das nicht ohne. Der Mann hat einen überaus kräftigen Händedruck. Zupacken sollte er auch können, denn der digitale Markt und die Konsumgewohnheiten der Menschen verändern sich rasant. Und folgt man den Ausführungen des Managers, konzentriert sich der Markt auf einige große Player: amazon, zalando, ABOUT YOU, die gesamte otto group. Auch das eigene Unternehmen zählt er zu dieser Gruppe. Um nicht unterzugehen und vom Strom der Veränderungen mitgerissen zu werden, sei vor allem Beweglichkeit gefragt. Wie Peek & Cloppenburg KG, Düsseldorf, die moderne Konsumwelt begreift und welche Aufgaben dabei ihrer Tochter FASHION ID zukommen.
FT: Herr Merkt, wie haben Sie zuletzt Bekleidung gekauft, stationär oder digital?
Nicolay Merkt:„Digital. Wir hatten unlängst eine große Aktion in unserem Webshop und haben privat die Gelegenheit genutzt. Natürlich gehen wir auch gerne in die Stadt zum Einkaufen, aber es liegt in der Natur der Sache, dass ich besonders unsere Online-Shops nutze.“
Selbst große Städte leiden unter Frequenzmagel. Shopping steht zusehends auch in Konkurrenz zu anderen Freizeitaktivitäten wie Reisen und Sport. Obendrein verschieben sich die Konsumpräferenzen der Menschen, Kleidung verliert anteilig an Bedeutung. Hat sich das klassische Warenhaus überlebt?
„Ich würde uns nicht als klassisches Warenhaus verstehen, das sind in meinen Augen eher Häuser wie GALERIA KARSTADT KAUFHOF. Wir bespielen zwar ähnlich große Flächen, konzentrieren uns aber auf Mode.
Innenstädte als Einkaufsparadies sind etwas sehr Westliches. In China haben die Menschen den klassischen stationären Handel übersprungen, im Nahen Osten kennt man die City wie hierzulande nicht. Aber ich denke, in Europa hat der stationäre Einkauf kulturell immer noch einen hohen Stellenwert, auch wenn Mode im Ranking etwas abgefallen ist. Sie ist immer noch Ausdruck von Individualität. Deshalb geht es beim Shopping nicht um die Flächengröße, sondern um die angebotenen Produkte.“
Wie sieht ein modernes Warenhaus aus, ist das Konzept wichtiger als die Verkaufsfläche?
„Am Ende zählt immer noch das Produkt. Sie können die schönsten Bilder erzeugen und mit den tollsten Events die Läden füllen, doch wenn Produkt und Verbraucherwunsch nicht zusammenpassen, werden Sie nicht ein Teil verkaufen. Allerdings wird die ,Verpackung‘ immer wichtiger, die Art, wie zielgruppengerecht wir die Ware präsentieren. Hier müssen wir die gesamte Klaviatur spielen. Und wir müssen die passenden Konzepte finden, den Kunden on- und offline stimmig anzusprechen und zu bedienen.“
Sie betreuen die Online-Aktivitäten der Gruppe. Was hat sich gerade in den zurückliegenden zwei Jahren geändert?
„Anfangs verstanden sich Player wie zalando eher als Tech-Konzerne denn als Modehändler. Es ging darum, mithilfe von Algorithmen möglichst viel Ware an den Mann/die Frau zu bringen. Heute ist das Angebot auf den Marktplätzen so riesig, dass die Inspiration und Beratung auch im Internet immer wichtiger werden. Jetzt ist es die Aufgabe, Trends fortzuschreiben und auf den Kunden zugeschnittene Styles zu verkaufen. Das begann vor zwei, drei Jahren und wir befinden uns jetzt auf dem Höhepunkt. So haben wir die Empfehlung ähnlicher Artikel sowie die ,Shop the Look‘-Funktion aufgenommen, mit der komplette Outfits mit einem Klick bestellt werden können.“
Welche Antworten haben Sie auf die Trends im Online-Markt?
„Wir sind ein Stück der Antwort. Wir müssen dem Kunden on- wie offline auf den Punkt passende Angebote unterbreiten. In der Aufmerksamkeitsökonomie spielen heute andere Personen wie Influencer eine wichtige Rolle. Was früher klassische Stars wie Schauspieler oder Fußballer waren, sind heute Influencer. Wir erleben in dieser Beziehung eine Demokratisierung und jeder kann sich auf den sozialen Medien als Star fühlen und zeigen. Diese Entwicklung beschleunigt sich rasant, Facebook verliert und auch Instagram wird wahrscheinlich früher oder später bei den jungen Menschen seinen heutigen Status einbüßen.“
Wer definiert das Profil der einzelnen Shops, die stationäre Einheit oder kommt das Profil umgekehrt vom Kunden?
„Wir steuern und planen sämtliche Online-Aktivitäten der Gruppe. Unabhängig von Kanal, Vertriebsformat oder Marke treten wir gegenüber dem Kunden immer gleich auf. Allerdings hat der Kunde an uns immer auch eine bestimmte Erwartung. Wir sehen zum Beispiel, dass online durchgängig der Frauenanteil mit drei Vierteln deutlich höher als im stationären Handel mit rund 50 Prozent ist, und sprechen unsere Zielgruppe darauf ausgerichtet an.“
Sie wollen in diesem Jahr mit STYLEBOP starten …?
„Ja, wir werden die Seite ab Mai als eine erste Warenpräsentation freischalten und dann weiterentwickeln, sodass ab Juni auch der Verkauf losgehen kann. Im Augenblick sind wir dabei, die Ware einzusteuern. Wir werden um die 75 Prozent Womenswear und 25 Prozent Menswear anbieten. Im Grunde wollen wir gar nicht so viel ändern. Es ist eher ein STYLEBOP reloaded. Gleiche Zielgruppe, gleiches Markenangebot.“
Wann geht es jenseits der Grenzen los?
„Wir haben auch internationale Wachstumspläne. Aber ein Schritt nach dem anderen. Zuerst muss es in Deutschland gut laufen, bevor es weitergeht und wir das grenznahe Ausland dazunehmen.“
Sie wollen online auch international wachsen. Reicht es, einen Shop einfach in Landessprache zu multiplizieren?
„Auf keinen Fall. Wie im stationären Handel auch, haben wir an verantwortlicher Stelle lokales Personal eingesetzt, das mit regionalen Besonderheiten vertraut ist. Dabei geht es nicht nur um sprachliche Fallstricke, sondern auch um die Ware. Die Niederländer zum Beispiel haben eine überdurchschnittliche Affinität zu unseren Eigenmarken. In Osteuropa wiederum ist die Mode einfach lauter. Und es gibt kulturelle Unterschiede. In Polen werden Sie zum Beispiel in den sozialen Medien abgestraft, wenn Sie am Nationalfeiertag eine Aktion fahren.“
Viele Lokalpolitiker beklagen die sinkende Attraktivität ihrer Zentren. Andererseits herrscht pure Monotonie in den Innenstädten. Hat die Kommunalpolitik versagt?
„Das würde ich nicht sagen. Ich denke, zur Monotonie in den deutschen Innenstädten trägt eine Vielzahl von Faktoren bei, die sicher nicht alle in der Verantwortung der kommunalen Politik liegen. Aber die kommunale Politik hat natürlich Gestaltungsmöglichkeiten. Wir sind mit rund 140 Häusern vertreten und stehen im direkten Kontakt vor Ort mit den lokalen Institutionen. Im Großen und Ganzen klappt das sehr gut. In Bocholt etwa werden wir in diesem Herbst einen neuen Standort eröffnen. Schwerpunktmäßig expandieren wir derzeit in Osteuropa.“
Welche Rolle kann der Handel übernehmen, um die Städte wiederzubeleben?
„Unsere Standorte wirken als Anker für die Innenstadt. Wie schon gesagt, letztlich muss das Angebot stimmen. Aber mit Konzepten wie Gastro, Kooperationen und Events lässt sich ein Standort beleben. Um die Strahlkraft der Innenstädte auch durch einen vitalen Handel zu erhöhen, sind alle Händler vor Ort gefordert.“
Digital und stationär wachsen zusehends zusammen. Der Handel wird zum Omnichannel-Anbieter. Wie betrachten Sie die Aufgabenaufteilung in Ihrer Gruppe?
„Wir verstehen uns als Knotenpunkt, der On- und Offline-Geschäft und den Auftritt der einzelnen Marken in der Gruppe Peek & Cloppenburg verbindet. So bieten wir beispielsweise die Verfügbarkeitsprüfung der Artikel in den Verkaufshäusern und die Funktionen Click & Collect sowie Click & Reserve inklusive direkter Retoure vor Ort an. Dinge, die der Kunde von uns erwartet und die wir fortlaufend weiterentwickeln.“
Alle Welt spricht vom Erlebnis als Antwort auf sinkende Zuneigung der Verbraucher zum Handel. Was verstehen Sie darunter für Ihren stationären und digitalen Auftritt?
„Wir integrieren das Einkaufserlebnis digital auf eine andere Weise. Hier geht es eher darum, wie die Ware im Shop präsentiert wird. Wie wir die Angebote, auch ganze Looks, auf den Kunden zugeschnitten präsentieren. Ein weiterer Aspekt ist, wie die Ware beim Kunden zu Hause ankommt. Wie wertig ist der Karton, wurde die Ware in Seidenpapier eingeschlagen? Liegen ein Anschreiben und ein Retourenschein bei? Wie einfach gestalte ich die Retoure?“
Wann stößt die Konsumunterhaltung an ihre Grenzen?
„Bei allem, was wir tun, dürfen wir den Bezug zur Ware nicht verlieren. Wenn alle Maßnahmen wie Events und Unterhaltung zum Selbstzweck werden und nicht letztlich zur Ware und zum Kauf führen, sind meiner Meinung nach die Grenzen erreicht. Wir dürfen unseren Auftritt nicht vom Kern entkoppeln und das ist das Produkt.“
Was erwarten besonders die jungen Konsumenten von stationären Händlern und wie hält man gleichzeitig digitalen Verweigerern die Treue?
„Den digitalen Verweigerer mag es im Einzelfall noch geben. Aber im Grunde bewegen sich alle Deutschen im digitalen Raum. Spannender und viel entscheidender ist die Frage, wie wir die jungen Kunden an uns binden. Wie gesagt, beschleunigt sich die Entwicklung rasant. Noch vor wenigen Monaten hat alle Welt auf Snapchat gesetzt und jetzt sehen wir, dass TikTok das Medium der Zukunft für die 14- bis 22-Jährigen ist. Wir müssen immer beweglich bleiben und aufpassen, dass wir nicht den Anschluss verlieren. Eine Planung auf zehn Jahre ist schlicht nicht mehr möglich.“
Was verbindet junge und alte Konsumenten, worin unterscheiden sie sich?
„Ich mache da keine so großen Unterschiede aus, nimmt man mal die altersspezifischen Aspekte, vor allem die modischen, weg. Die Kunden erwarten von uns, dass wir die Mode haben, die sie auch tatsächlich wollen. Nicht mehr, nicht weniger.“
Vor Kurzem ging die EuroShop zu Ende. Was bringt die nahe Zukunft an technischen, aber auch konzeptionellen Innovationen, auf welche Trends setzen Sie?
„Wir sehen, dass sich der Markt auf einige große Player konzentriert. amazon, zalando, ABOUT YOU, die gesamte otto group – und auch uns zähle ich zu dieser Gruppe. Player, die immer noch deutlich zweistellige Zuwachsraten verzeichnen und der Konkurrenz Marktanteile abjagen. Daneben sehe ich vor allem die Verkaufsfunktionen in den sozialen Medien bedeutender werden. Einzelne Apps werden wichtiger aufgrund ihrer Bedienelemente, die einfach und schnell zu handhaben sind und die Kunden inspirieren, so, wie es beispielsweise Tinder macht: mit dem Daumen und dem Handy wischen und damit eine Entscheidung schnell treffen.“
Überkommt Sie dann nicht manchmal die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, in der die Registrierkasse das einzig vernehmbare Hintergrundgeräusch verursachte und es nur ums Verkaufen ging?
„Nostalgie ist nicht mein Ding. Handel bedeutet Wandel und wir passen uns seit tausend Jahren den Veränderungen an. Wir haben das Glück, in einer Zeit zu leben, in der sich vieles schnell verändert, und wir sollten mit offenen Augen durchs Leben gehen.“
Der Manager
Nicolay Merkt (43) ist Geschäftsführer Fashion ID GmbH & Co. KG und Bereichsleiter Online & Digital Marketing der Peek & Cloppenburg KG, Düsseldorf. Merkt kam 2014 ins Unternehmen, heute ist er verantwortlich für die Steuerung aller E-Commerce-Aktivitäten in der Unternehmensgruppe. Zuvor sammelte der Volljurist 15 Jahre Online- und Start-up-Erfahrung in verschiedenen Stationen.
Das Unternehmen
Die Fashion ID GmbH & Co. KG wurde 2013 als Tochterunternehmen der Peek & Cloppenburg KG, Düsseldorf, gegründet und betreut die Online-Shops FashionID.de, Peek-Cloppenburg.de, Peek-Cloppenburg.at, Peek-Cloppenburg.pl, Peek-Cloppenburg.nl sowie alle zugehörigen Online-Aktivitäten. Der Umsatz der FASHION ID macht rund 10 Prozent des Gesamtumsatzes der Unternehmensgruppe aus. Die FASHION ID erzielte 2018 einen Umsatz von circa 100 Millionen Euro.
Peek & Cloppenburg Gruppe in Zahlen
Die Peek & Cloppenburg Gruppe (P&C West) mit Konzernzentralen in Düsseldorf und Wien operierte im Geschäftsjahr 2018 in 15 Ländern mit 141 Verkaufshäusern und erreichte 2018 mit 1,45 Milliarden Euro Umsatz (netto) annähernd das Vorjahresniveau. Mit einer EBITDA-Marge von 5,4 Prozent lag 2018 das EBITDA bei 78 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote liegt bei 46 Prozent. Das Unternehmen beschäftigt etwa 12.300 Mitarbeiter.
Bei der Peek & Cloppenburg KG, Wien, setzt sich der Wachstumskurs fort. Mit einem Umsatz (netto) von 761 Millionen Euro erwirtschaftete sie dank guter Geschäfte in Osteuropa ein Plus von 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.