Autor: Markus Oess
Im Herbst vergangenen Jahres ist Marino Edelmann zur HOLY-Gruppe gestoßen und hat die Führung von strellson übernommen. Die Berlin Fashion Week war der erste öffentliche Auftritt der Marke in der neuen Konstellation. Was die Marke eigentlich ausmacht und wohin Edelmann strellson führen will.
FT: Herr Edelmann, was hat Sie zum Wechsel nach Kreuzlingen bewogen? DRYKORN war ja recht safe.
Marino Edelmann: „Es war einfach Zeit für den nächsten Schritt. Die Verantwortung für eine Marke wie strellson zu übernehmen, die auch mit einem eigenen Retailnetz international vertreten ist, ist etwas Besonderes. strellson betreibt 61 eigene Läden, darunter in Paris, Bern, Wien und Johannesburg. Hier können wir direkt sehen, was funktioniert und was nicht. Aber ich mache den Job auch nicht allein, sondern bin auf ein sehr gut eingespieltes Team gestoßen. Gute Leute, mit denen zu arbeiten Spaß macht. Es fühlt sich gut an, wenn es vorwärtsgeht.“
Wie international ist die Marke eigentlich?
„Wir sind in mehr als 20 europäischen Ländern vertreten. Dazu kommen noch Russland, Kanada, Hongkong und Südafrika. Wir haben sicher auch international eine Menge Wachstumspotenzial.“
Die HOLY FASHION GROUP hat derzeit drei Marken im Portfolio. Wie würden Sie die Rolle von strellson dabei definieren?
„strellson ist von den drei Marken die für unsere Verhältnisse modisch-kommerziellere Brand. Mit einem Preis-Leistungs-Verhältnis, das bis ins Premiumsegment heranstößt. Sie ist auch eindeutig die jüngste Marke.“
strellson ist seit Januar 2018 wieder in Berlin vertreten. Hat sich der Messeauftritt auf der PREMIUM rentiert?
„Die DACH-Region ist für uns immer noch der wichtigste Markt. Wir können es uns gar nicht leisten, nicht in Berlin zu sein. Die PREMIUM hat sich dem Markt neu angepasst und wir sind mit einem neuen Messekonzept nach Berlin gereist. Wir zeigen weniger Teile und konzentrieren uns stärker auf den modischen Gesamtauftritt, auf den Markeninhalt und Look. Wir haben zwar nicht die Kollektion von links auf rechts gedreht, aber wir besinnen uns wieder mehr auf unsere Stärken und aktuell sind das Jacken und Flex Cross – hochelastische, alltagstaugliche Konfektion.“
Ist das Schweizer Kreuz Fluch oder Segen?
„Die Schweiz steht für Tradition und da schwingt auch immer etwas Konservatives mit. Aber die Schweiz steht genauso für Innovation und Unabhängigkeit. Da wir in Bilderwelten denken, können wir mit diesen Begrifflichkeiten ganz gut leben.“
Wie haben Sie die Marke vorgefunden?
„Wir fangen ja nun nicht bei null an. Die Marke braucht aber ein schärferes Profil. Wir wollen strellson jünger, urbaner machen. Ihr eine Geschichte geben. strellson hat viel Potenzial, leider haben wir im Markenauftritt und in der Kollektion nicht alles konsequent zu Ende gebracht. Das bekommen wir auch so vom Handel gespiegelt. Jetzt arbeiten wir mit Nachdruck daran. Zur kommenden Sommer-Saison wird der Auftritt von strellson schon ein anderer sein. Wir denken langfristig und wollen ganz sicher keinen radikalen Schnitt.“
Was haben Sie verändert? Welchen Weg wird strellson gehen?
„Ich glaube nicht an Konzepte, sondern an starke eigenständige Produkte, die für sich stehen und ohne Begleitmusik auskommen. Wir müssen unseren kommerzielleren Auftritt mit unserem modischen Anspruch verbinden. strellson wurde 1910 in der Schweiz gegründet. Wir haben etwas zu erzählen. Im Kern sprechen wir vom Anzug, vom Mantel und von der Jacke. Die Grundpfeiler unserer Kollektion sollen wieder sichtbarer werden.“
Was passiert modisch?
„Die Casualisierung wird weiter anhalten. Aber das bedeutet ja nicht, dass der Anzug verschwindet, er erhält nur ein neues Aussehen, wird insgesamt sportlicher. Wir kommen aus dem Mantel und der Konfektion und müssen es schaffen, als Absender erkennbar zu bleiben. Wir sollten nicht vergessen, dass wir einen Kunden bedienen, der eben früher Anzüge getragen hat und heute etwas anderes will.“
Wo steht strellson dabei heute?
„Wir haben diese Themen über das Produkt stärker herausgestellt und die Kollektionen besser darauf abgestimmt. Aber in der kurzen Zeit können wir noch nicht da sein, wo wir mit der Marke hinwollen. Unsere Konzernmutter lässt uns auch die Zeit, die wir benötigen. Nach zwei, eher drei Saisons wird der Kurswechsel auch nachhaltig sichtbar.“
Wo besteht noch Korrekturbedarf?
„In bestimmten Produktgruppen ist es schon ganz gut. Wir müssen wie gesagt weg von der Kollektionsdenke hin zu Einzelprodukten. Bei Anzug, Jacke und Mantel, funktioniert das schon ganz gut. Strick, Jersey und Accessoires müssen wir weiter optimieren.“
Wie sieht es mit den Preisen aus, gab es Erhöhungen?
„Nein. Wir müssen unsere Eckpreislagen unbedingt halten. Dort sind wir auch im Handel verortet.“
Es gibt ein neues Shopkonzept, das nicht in Deutschland, sondern Holland Premiere feierte und bei KONEN erstmals hierzulande umgesetzt wurde. Welche Absicht stand dahinter?
„Das war ein normales Facelift. Dass das Konzept erstmals in Holland sichtbar war, hat nichts zu sagen. Es ging darum, dem Casualisierungsgedanken mehr entgegenzukommen.“
Wie weit deckt sich „Fläche“ mit Marke?
„Wir sind im Handel ein Category-Lieferant. Da ist es schwer, Marke zu spielen. Aber wir sind immer dann gut, wenn die Marke in ihrer Gesamtheit zu sehen ist. Das zeigt sich in unserem eigenen Retail und bei ausgesuchten Partnern sehr deutlich. Mit der Jacke allein wird es hingegen schwierig, eine komplette Markenwelt aufzubauen. Das kann man ändern, braucht aber eben Zeit. Andererseits ist es die Uraufgabe eines Händlers, zu kuratieren und die Marke in sein eigenes Sortiment zu integrieren. Es gibt viele Händler, die das sehr gut umsetzen. Solange wir als Marke dabei sind, kann ich damit prima leben.“
In kurzen Worten: Wo ordnen Sie den Wholesale im Vertriebskonzept ein?
„Für uns bleibt der Wholesale die zentrale Steuerungsgröße zum Endkunden. Wir wollen und können uns nicht vertikalisieren. Mit Julian Dangel, der vorher bei DIESEL gearbeitet hat, haben wir einen Mann, der von der Fläche kommt. Julian ist für die DACH-Region verantwortlich und ich bin mir sicher, dass er eine neue Dynamik in unseren Wholesale bringen wird.“
Würden Sie zum Schluss noch bitte den Satz vervollständigen: Mittelfristig wird strellson …
„… ein verlässlicher Partner mit einer starken Marken-DNA für den Handel sein.“
Der Interviewpartner
Marino Edelmann hat im Herbst 2019 die Stelle des Managing Brand Directors von strellson angetreten. Mit Edelmann stärke man die Menswear-Marke und erweitere den Fokus auf die Casual-Segmente, hieß es zur Personalie aus Kreuzlingen. Der 40-jährige Manager stand zuvor als Chief Sales and Marketing Officer bei DRYKORN auf der Payroll, wo er auch seine Karriere startete. Er verfügt über langjährige nationale wie internationale Vertriebs-, Marketing- und Managementerfahrung. Zur HOLY FASHION GROUP gehören neben strellson auch die Marken JOOP! und windsor. Edelmann folgt auf Thorsten Link, der im Oktober 2018 das Unternehmen verlassen hatte. Seither hatte der CEO der HOLY FASHION GROUP, Marcel Braun, die Leitung von strellson kommissarisch übernommen.