Autor: Markus Oess
Für die Macher der Pitti Uomo ist die Menswear-Messe „ein Seismograf der globalen Markttrends und Lebensstile“ und Florenz der Ort, an dem sich die internationale Modegemeinschaft zusammenfindet, um neue Produkte und neue kulturelle Einflüsse zu finden. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Geschäftsverlauf auf der Fortezza“, sagt Agostino Poletto, General Manager von Pitti Immagine, mit Blick auf die zurückliegende Ausgabe der Pitti, „und mit den Veranstaltungen und der Qualität der zahlreichen Präsentationen in der Stadt. Dies war in erster Linie der außergewöhnlichen Arbeit der über 1.200 Aussteller der Pitti Uomo zu verdanken.“ Poletto lobt auch sein Team, das viele neue und interessante Marken aus der ganzen Welt entdeckt und ein breites, abwechslungsreiches und in vielerlei Hinsicht einzigartiges Angebot aufgebaut habe.
Wenn es auch diesmal wieder die wichtigsten Macher der Branche aus aller Welt in die Toscana zog, verzeichnete die Messe im Vergleich zum letzten Januar einen Rückgang der Teilnehmerzahl um rund 10 Prozent. Hauptsächlich sei das aber ein italienisches Problem gewesen, heißt es weiter. Rund 21.400 Einkäufer reisten an, von denen mehr als 8.300 aus dem Ausland kamen. Zu den 20 wichtigsten Ländern, die bei der Messe vertreten sind, zählen: Deutschland, Japan, Niederlande, Vereinigtes Königreich, Spanien, Türkei, Frankreich, Schweiz, Belgien, Vereinigte Staaten, Russland, Südkorea, China, Österreich, Griechenland, Portugal, Schweden, Dänemark, Kanada und China-Hongkong.
Solche Besucherzahlen könne weltweit nur die Pitti Uomo vorweisen. Raffaello Napoleone, CEO von Pitti Immagine, räumt gleichwohl ein, „dass wir dieses Mal einen schwierigen Start hatten. Der internationale Kalender zwang uns, unmittelbar nach den Weihnachtsferien zu eröffnen. Gleichzeitig begannen die Sales, die für die Mehrheit der Einzelhändler von entscheidender Bedeutung sind. Gegen Ende haben wir uns aber auch rein numerisch erholt und sind ebenso wie die Aussteller sehr zufrieden.“ Zur nächsten Winterausgabe wird die Pitti in die Folgewoche wechseln. „Pitti Uomo ist vor allem eine hochkarätige Männermode-Messe, und die Einzelhändler konzentrieren sich weltweit immer schneller auf diesen Bereich, ganz zu schweigen vom wachsenden Umsatzanteil auf hochwertigen Online-Plattformen. Dies bedeutet, dass es weniger Geschäfte gibt, weniger Käufer, aber die Ausgabekapazität jeder einzelnen Geschäftseinheit ist stark gestiegen. Für uns Italiener muss man nur einen Spaziergang durch die Straßen machen, um zu erkennen, wie viele Geschäfte in den letzten Jahren geschlossen haben“, bilanziert Napoleone. „Die Marken selbst führen einen Auswahlprozess durch, sie ziehen sich von den Einzelhändlern zurück, die hinsichtlich Sortimentsvielfalt gegenüber den Verbrauchern kaum mehr eine Garantie in Bezug auf Stabilität, Service und Sorgfalt bieten können.“ Die Tatsache, dass Volkswirtschaften wie China und Deutschland inzwischen auf die Konjunkturbremse treten, dass der europäische – insbesondere der italienische – Konsum zum Stillstand kommt, könnte zu größerer Vorsicht bei den Einkäufern führen.
Die Pitti Uomo hat zu Ihrer 97. Ausgabe ein Signal in die Welt gesetzt. Während ganz offensichtlich gerade die älteren Briten einen Austritt aus der EU herbeisehnen, kommt die Insel in Kontinentaleuropa wieder in Mode. Nun, sagen wir zumindest mal die britische Schneiderkunst. Aber weniger die Sehnsucht nach einem Verbleib von Großbritannien in der EU ist vielmehr die allgemeine Sehnsucht nach der Erneuerung des klassischen Anzugs auf der Florentiner Leitmesse zur spüren. Gleichzeitig versuchen die Designer, eine neue Authentizität einzufangen. Nordic Folk, Country-Inspirationen sowie die Besinnung auf lokale Besonderheiten und den eigenen Ursprung folgen diesem Denkmuster. Und es geht auch um den Schulterschluss mit Nachhaltigkeitszielen. Der Komfort-Gedanke bleibt ein starkes Thema in weiteren Schnitten. Hierzulande eröffnet die BERLIN FASHION WEEK die Ordersaison. Bleibt zu hoffen, dass die Vielseitigkeit, Inspirationen und die individuellen Botschaften von Florenz den oft auf Sicherheit bedachten Einkäufern bei ihrer Order Mut und Zuversicht geben. In der kommenden Februar-Ausgabe von FT analysieren wir ausführlich, was modisch in Florenz von Belang ist. Erste Eindrücke gibt es aber trotzdem: