Kaufen Sie! Jetzt kaufen Sie schon! Mit dem Reiseleiter quer durch Marokko und von Verkaufsraum zu Verkaufsraum. Eine Geschichte über massenhaft Handarbeit und Frauenkooperativen.
Wer will als Dankeschön fürs Blumengießen schon lebenslang auf ein buntes Kamel gucken? Die Ansage der Nachbarin ist deutlich: „Bringt bloß nichts mit!“ Schließlich würde bei ihr – wie übrigens bei uns allen – ja schon genug rumstehen. Recht hat sie! Doch weiß sie auch, wie schwer es ist, nichts mitzubringen? Zumindest, wenn man nach Marokko fährt und der Reiseleiter diesem Vorhaben komplett entgegenwirkt? Wahrscheinlich kennt er die Wohnungen der reiselustigen Deutschen bestens, die bis unter die Decke voll sind mit staubigen Mitbringseln aus aller Welt.
Aber wir werden nichts kaufen! Wir machen die Rundreise quer durch Marokko, um Land und Leute kennenzulernen, nicht, um zu shoppen.
Das wird nichts werden! Und dass wir mit unserer deutschen Logik gar keine Chance auf Kaufverweigerung haben, hätte uns schon beim ersten Stopp klar werden können: Ziegen auf Arganbäumen. Ein Phänomen, denn nur im südwestlichen Teil des Landes wachsen diese Bäume. Aber Achtung! Nicht diesen Baum fotografieren, da hat der Hirte die Ziegen per Hand draufgesetzt, um Touristen anzulocken, sondern jenen, 400 Meter weiter, ebenfalls mit Tieren bestückt, nur, dass die selbstständig raufgeklettert sind. Aha. Ein phänomenaler Unterschied auf dem Foto, für den man dem Bauern dann ein bisschen Geld in die Hand drücken soll, denn schließlich seien das ja seine Ziegen.
Bevor man richtig darüber nachdenkt, kommt der nächste Halt: Der Besuch einer Frauenkooperative. Kaum betreten wir einen Raum, fangen die darin sitzenden Frauen wie wild an, die Früchte zwischen Mühlsteinen zu zerreiben, damit wir mit eigenen Augen sehen können, wie das kostbare Arganöl gewonnen wird. Aber nur kurz, denn schon geht es ab in den Verkaufsraum. Kaufen Sie! Alles Bio, alles Frauenarbeit! Toll, eine Flasche könnte ich ja mal probieren. Nach 14 Tagen Rundreise weiß ich, dass es die schwierigste Aufgabe der Welt wäre, Arganöl zu erwerben, dass nicht rein Bio ist und nicht in einer fairen Frauenkooperative gewonnen wurde. Warum der Reiseleiter damals ausgerechnet diese Gemeinschaft gewählt hat, wo sich an der Straße eine an die andere reiht, und wie viele Frauen eigentlich wie lange arbeiten müssen, damit all die vielen Flaschen im Shop hergestellt werden können, bleibt ebenso ein Geheimnis, wie das, was in der großen Tüte ist, die dem Reiseleiter zum Abschied in die Hand gedrückt wird.
Schmuck, Schals, Teppiche
Aber quälen wir uns nicht mit solchen Fragen, sonst müssten wir ja auch noch darüber grübeln, wieso die handgefertigten Schals aus der Werkstatt, in der kurz für uns ein Webstuhl klappert, genauso aussehen, wie die auf allen Souks, den berühmten Markt- und Geschäftsvierteln, in allen anderen Städten auch. Oder wie lange die zwei Lehrlinge der Silberwerkstatt brauchen, um den vielen Schmuck herzustellen, der uns in einer Atelier danach präsentiert wird. Ein riesiges Angebot. Für die, die sich nicht gleich entscheiden können, sehen die Schmuckstücke in den anderen Läden glücklicherweise genauso aus. Wer jetzt nichts kauft, weil er höchstens was Traditionelles nähme, für den haben die Berber freundlicherweise ihre alten Schmuckstücke aufgehoben, damit sie uns die Verkäufer allerorten vorlegen können. Das überzeugt. Nach und nach wandern bei der ganzen Reisegruppe die Souvenirs und Mitbringsel in die Koffer. Alles Handarbeit, alles Tradition!
Aber Deutsche sind komische Menschen: Nach Färberei, Töpferei, der Mosaikherstellung, den Fossilien und dem Kräuterladen kommt beim ein oder anderen Mitreisenden zunächst ein leichtes Schwächeln, dann Übersättigung und manchmal sogar richtiger Unmut auf. Touristen sind eben auch nicht mehr das, was sie mal waren. Einige werden widerspenstig und gehen einfach nicht mehr mit. Sie warten lieber vor den Verkaufsräumen oder setzen sich ins Straßencafé und gucken in die Sonne. Was sind das nur für Menschen, die den Souvenirkauf verweigern? Doch zum Glück gibt es ja noch ein paar Wohlgesonnene. Sie sehen freundlich darüber hinweg, wenn auf dem Karton unterm Tisch „Made in India“ steht und kaufen ihren Lieben daheim irgendetwas Schönes, was diese natürlich nicht brauchen. So funktioniert das Prinzip – und das eigentlich immer schon. Wieso fällt mir ausgerechnet jetzt der rein zu Deko-Zwecken gedachte Samowar ein, den meine Oma aus Moskau mitbrachte und der für Verstimmung im Elternhaus sorgte? Gut, dann packe ich mal meinen Koffer. Hoffentlich habe ich kein Übergepäck, denn natürlich brauchten wir alle nichts, aber Reiseleiter und Gruppendynamik haben den Willen dann doch schnell gebrochen. Wenigstens die Nachbarin hat am Ende nur Datteln vom Markt bekommen, die aufgegessen wurden und nicht rumstehen. Und eine tolle Reise war es trotzdem: Abseits der Verkaufsräume – und zugegeben, manchmal auch darin – haben wir viel gesehen und erlebt. Marokko ist ein wunderschönes Land, inspirierend und mit vielen netten Menschen.