Knopfsache

Siegel

Sieglein, Sieglein an der Wand ... Bringt der Grüne Knopf mehr Klarheit? Bilder ©Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Autorin: Nina Peter

Am 9. September 2019 wurde mit dem Grünen Knopf das erste staatliche Textilsiegel in Deutschland eingeführt – die Pilotphase endet im Sommer 2021. Im Kern ein sehr wichtiger und sinnvoller Schritt mit Signalwirkung in Richtung nachhaltiger Textilproduktion – das ist unstrittig. Für eine pauschale Bewertung mit gut oder schlecht ist das Thema jedoch zu vielschichtig. Seitens der betroffenen, bereits nachhaltig agierenden Unternehmen gibt es durchaus Zweifel und Kritik an der Substanz des Siegel-Standards.

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FT hat Anosha Wahidi, die Referatsleiterin für Nachhaltigkeitsstandards im Bundesentwicklungsministerium, zum Grünen Knopf befragt. Stellung bezieht sie ebenfalls zu den Einschätzungen von Hermann Kohnen (Geschäftsführer lana organic) sowie Anna Katharina Bronowski (Geschäftsführerin JAN N JUNE). Beide haben mit ihren transparenten Marken bereits nachhaltige Zertifizierungsprozesse durchlaufen und sind fest im nachhaltigen Modemarkt verankert.

„Der Grüne Knopf ist ein sehr umfassendes Siegel“

„Der Grüne Knopf ist sehr erfolgreich gestartet.” Anosha Wahidi, Referatsleiterin für Nachhaltigkeitsstandards

FT: Wie wurde der Grüne Knopf seitens der Unternehmen inzwischen angenommen? 
Anosha Wahidi:
„Der Grüne Knopf ist im September sehr erfolgreich gestartet. Kunden und Unternehmen geben uns positives Feedback: 28 Unternehmen wurden bereits geprüft und führen Produkte mit dem Grünen Knopf. Über 100 weitere haben Interesse mitzumachen. Mit dabei sind kleine Mittelständler, Nachhaltigkeitsvorreiter, Unternehmen aus dem Sportbereich und große, international agierende Unternehmen. Die Palette der Produkte reicht vom Shirt bis hin zu Bettwäsche, Rucksäcken und Zelten. Die vielen positiven Reaktionen gerade aus der Wirtschaft zeigen uns, dass wir mit dem Grünen Knopf den richtigen Weg eingeschlagen haben. Denn die Idee hinter dem Siegel überzeugt. Als erstes staatliches Siegel zeichnet es sozial und ökologisch nachhaltige Textilien aus. Dabei werden das gesamte Unternehmen und jedes einzelne Produkt kostenfrei geprüft. Für die Unternehmen bietet der Grüne Knopf dabei gleich mehrfach Vorteile: Er ist eine Antwort auf die wachsende Kundennachfrage nach nachhaltigen Produkten und die systematische Prüfung hilft den Unternehmen dabei, ihre Sorgfaltspflicht sichtbar zu machen. Der Grüne Knopf zeigt klar, dass sie die Menschenrechte in ihrer Lieferkette wahren und umweltschädliche Produktionsabläufe vermeiden. Unternehmerische Verantwortung ist dabei keine Frage der Unternehmensgröße, sondern eine Frage von Engagement. Sollte es zu einer gesetzlichen Regelung der Sorgfaltspflicht kommen, haben diese Unternehmen bereits konkret nachgewiesen, dass sie dieser Pflicht gerecht werden.“

Wie stehen Sie zu dem Vorwurf, dass es bereits eine ausreichende Anzahl von nachhaltigen Zertifizierungen und Siegeln gebe?
„Die verwirrende Vielfalt der bestehenden Siegel ist genau das Problem: Die einen zertifizieren soziale Arbeitsbedingungen, die anderen Biobaumwolle, einige Siegel beziehen sich auf die Produkte, andere auf die Unternehmen. Das Ergebnis: Kunden blicken nicht mehr durch. Mit dem Grünen Knopf erleichtern wir die Orientierung. Er ist ein umfassendes Siegel mit 46 Kriterien für soziale und ökologische Nachhaltigkeit, unabhängig zertifiziert und staatlich begleitet. Bei der Produktprüfung baut der Grüne Knopf auf bereits anerkannte Siegel auf, wie das GOTS-Siegel, MADE IN GREEN by OEKO-TEX oder Fairtrade Textile Production. Damit schaffen wir mehr Transparenz für den Verbraucher, mehr Effizienz am Markt und halten den Aufwand für Unternehmen gering.“

Wie sind Ihre mittelfristigen Planungen, um den Grünen Knopf zu stärken und auch bei Endverbrauchern zu etablieren?‚
„Aktuell erhöhen wir den Bekanntheitsgrad des Siegels durch gezielte Verbraucherkommunikation und gemeinsame Aktionen mit den beteiligten Unternehmen. Und natürlich wird sich der Grüne Knopf mit wachsendem Marktanteil auch bei den Kunden noch stärker als Qualitätsmerkmal für Nachhaltigkeit durchsetzen. Und wir denken weiter: Ein ganz wichtiger Schritt ist die Internationalisierung. Der Grüne Knopf soll hinaus in die Welt. Wir sind dabei, den Grünen Knopf als erste europäische Gewährleistungsmarke überhaupt registrieren zu lassen. Damit schaffen wir für andere Unternehmen auf dem europäischen Markt Anreize, sich für das Siegel zu qualifizieren, und erhöhen den Bekanntheitsgrad. Und wir setzen auf öffentliche Beschaffung: Krankenhäuser stellen auf Bettwäsche mit dem Grünen Knopf um. Diese Beispiele machen Schule und unser Standard wird zum allgemeinen Standard. Ich bin davon überzeugt, dass der Grüne Knopf in ein paar Jahren für viele selbstverständliche Voraussetzung sein wird – ob beim privaten Einkauf oder bei der Beschaffung für Großabnehmer.

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„Der Standard ist nicht ausreichend“

Hermann Kohnen:Das GOTS-Siegel wird durch die Einführung des Grünen Knopfs abgewertet – das Siegel existiert bereits seit vielen Jahren, es ist sehr weitreichend und weltumspannend. Wir sind mit den Kriterien von GOTS sehr zufrieden, da es nicht nur die Einhaltung ökologischer, sondern auch sozialer Standards garantiert. Die Kontrollen finden in regelmäßigen, zuverlässigen Zeitabständen statt und bieten daher auch eine hohe Verlässlichkeit. Wir haben diese Arbeit der Zertifizierung bei uns und unseren Betrieben bereits umfassend geleistet, ein neues Siegel würde für uns noch einmal zusätzliche Kosten und einen erneuten Aufwand bedeuten. Da der Grüne Knopf nicht so umfassend wie das GOTS-Siegel ist, besteht in meinen Augen natürlich auch ein höheres Risiko des Greenwashings.

Anna Katharina Bronowski: „Wir arbeiten seit über fünf Jahren daran, eine bezahlbare und ästhetische Nachhaltigkeit möglich zu machen und damit möglichst viele Kunden zu erreichen. Der Grüne Knopf als staatliches Siegel hat hier den richtigen Ansatz und ein enormes Potenzial, viele Menschen zu erreichen. Aber wir halten die aktuelle Umsetzung für zu schwammig und nicht tief greifend genug. Wenn beispielsweise konventionelle Baumwolle mit dem Grünen Knopf versehen werden kann, ist der Standard nicht ausreichend. Das ist keine subjektive Meinung, sondern geht an der notwendigen Nachhaltigkeit in der Textilbranche vorbei. Wer also sichergehen will, dass er ein wirklich sauberes und fair produziertes Kleidungsstück kauft, muss sich vorerst weiterhin auf andere Siegel verlassen.

Anosha Wahidi: „Das Gegenteil ist der Fall! Der Grüne Knopf geht ja genau über die punktuelle Zertifizierung für einzelne soziale oder ökologische Aspekte hinaus. Tatsächlich ist es so, dass Textilien für eine Zertifizierung mit dem Grünen Knopf entweder Biofasern sein müssen oder anderweitig festgestellt werden muss, dass es keine agrochemischen Rückstände gibt und keine giftigen, gefährlichen Pestizide eingesetzt wurden. Das umfasst auch die Weiterverarbeitung: Das heißt, beim Shirt mit dem Grünen Knopf wird mehr geprüft als beim Shirt, das ,nur‘ aus Biobaumwolle hergestellt wurde. Und Textilien mit dem Grünen Knopf sind nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für den Menschen, weil soziale Standards eingehalten wurden.“

Mehr Infos unter www.gruener-knopf.de