Reif für die Tonne? Nachhaltigkeit hat viele Gesichter. Bewusster konsumieren oder gar Konsum verweigern, Gebrauchtes kaufen, Recyceln, Upcyceln und versuchen, bereits bestehende Dinge so lange wie möglich instand zu halten: reparieren statt wegwerfen. Diesen Gedanken greifen Reparaturinitiativen in Deutschland auf und organisieren eine wachsende Zahl an Veranstaltungen, bei denen Menschen gemeinschaftlich – vom Kleidungsstück bis zur Kaffeemaschine – löten, flicken, ausbessern und defekte Alltagsgegenstände wieder in Gang bringen. FT hat mit Ina Hemmelmann vom Netzwerk Reparatur-Initiativen über die inhaltlichen und sozialen Aspekte ihrer Tätigkeit gesprochen.
FT: Reparieren statt wegwerfen – hat das Thema in Zeiten des Klimawandels an Bedeutung gewonnen?
Ina Hemmelmann: „Das Bewusstsein für den Klimawandel verhilft natürlich auch dem Reparieren zu mehr Bedeutung: Jeder Gegenstand – ob Haushaltsgerät, Smartphone oder Kleidungsstück –, der repariert und eben nicht weggeworfen und neu gekauft wird, spart Ressourcen und vermeidet Müll. Das ehrenamtliche, gemeinschaftliche Reparieren, wie es in Reparaturcafés praktiziert wird, erfährt in Deutschland seit fünf, sechs Jahren wachsende Beliebtheit. Es gibt mittlerweile rund 1.000 Reparatur-Initiativen im Bundesgebiet – und es werden mehr, monatlich gründen sich neue Projekte. Der Aspekt des Klima- und Ressourcenschutzes wird immer stärker von den Ehrenamtlichen betont, wobei der Ausgangspunkt, reparierend tätig zu werden, zunächst oft eher darin bestand, sich gegen geplante Obsoleszenz starkzumachen. Die Art und Weise, wie Produkte heutzutage oft gestaltet sind, nämlich schlecht reparierbar und mit kurzer Lebensdauer, macht im Reparaturcafé erfahrbar, welche negativen Auswirkungen unser Wirtschaftssystem auf Mensch und Natur hat.“
Was ist der inhaltliche Schwerpunkt von Reparatur-Initiativen? Geht es dabei auch um die Vermittlung von handwerklichen Fähigkeiten?
„Reparaturcafés (oder auch Reparatur-Treffs, Reparier-Bars, Repair Cafés etc.) organisieren Veranstaltungen, bei denen defekte Alltagsgegenstände in angenehmer Atmosphäre gemeinschaftlich repariert werden: elektrische und mechanische Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, aber auch Textilien, Fahrräder, Spielzeug und andere Dinge. Diese Treffen sind nicht kommerzielle Veranstaltungen, deren Ziel es ist, Müll zu vermeiden, Ressourcen zu sparen, damit die Umwelt zu schonen und nachhaltige Lebensweisen in der Praxis zu erproben. Kaffee und Kuchen sind genauso wichtiger Bestandteil dieser Treffen wie Schraubenzieher oder Lötkolben. Gemeinsam reparieren meint hier nicht ,kostenloser Reparatur-Service‘, sondern gemeinschaftlich organisierte Hilfe zur Selbsthilfe. Getragen wird die Veranstaltung von ehrenamtlich engagierten Helferinnen und Helfern sowie Reparierenden, die ihr Wissen und Können freiwillig und unentgeltlich zur Verfügung stellen, weil sie Interesse an Technik, Selbermachen und Werken haben.“
Wie wichtig sind der lokale und der soziale Aspekt?
„Das Schöne an Reparatur-Initiativen ist, dass sie sowohl im Großstadt-Kiez als auch in der ländlichen Provinz stattfinden und funktionieren. Sie sind eine Anlaufstelle und Treffpunkt für gemeinsames Handwerken, Lernen und Wissensaustausch, aber auch für geselliges Miteinander. Manche Gäste kommen auch ohne reparaturbedürftigen Patienten vorbei, weil sie die Atmosphäre schätzen. Im gemeinsamen Tun mit den eigenen Händen erfahren Menschen Selbstwirksamkeit – und wie sie Zusammenleben und Gesellschaft aktiv mitgestalten können. Denn im Reparaturcafé zählt nicht, wie viel man besitzt oder woher man kommt, sondern, was man kann oder lernen will. Die Veranstaltungen stärken die nachbarschaftliche Kommunikation und gegenseitige Unterstützung und schaffen oftmals auch einen Dialog zwischen den Generationen, wo jede und jeder ihre, seine Fähigkeiten einbringen, weitergeben und Neues lernen kann.“
Weitere Informationen auf www.reparatur-initiativen.de