Faber – I Fucking Love My Life

GEHÖRT – GEKAUFT

Faber, der schweizerische Meister der artifiziell unartigen Arroganz. ©Peter Kaaden

Autoren: Christoph Anders und Lutz Mastmeyer

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Wer vom zweiten Major-Album des schweizerischen Meisters der artifiziell unartigen Arroganz erwartet, dass sich etwas zum Besseren gewandelt hätte, sieht sich getäuscht – Faber ist immer noch genauso gut wie zu den Tagen, als mich sein Faber-im-Wind-Album nahezu unvorbereitet traf, um mich mit boshafter begnadeter Macht zu überrollen. Wie soll dieser erschreckend sprachgewandte, wortreich überraschende, viel zu früh erwachsene Kleinkünstler der großen Gesten auch besser werden, war er doch anscheinend schon seit Geburt groß – und scheint sich dieser Wahrheit auch vollauf bewusst. Nicht nur der elegant abgeklärte Umgang mit den Musikstilen, die nonchalante Art des vollweisen Erzählens, das anscheinend angeborene Garantie-Gefühl für schmerzhaft berührende Melodien macht die neue Liebe zum Leben zu einem weiteren großen, fast schon furchteinflößend machtvollen Song-Album; man muss sich wohl von den anhaltenden Altersbestimmungsfragen lösen, um den furiosen Faber endlich verstehen zu lernen. Bis dahin ergötzen wir uns an seinen stilreichen, edel-emotional ausgestalteten, schmerzhaft schönen Chanson-Schwarzmalereien, die gleichzeitig Jahrzehnte gewachsener Liedermacher-Geschichte und den nach Protz und Punk riechenden Rotz der Jugend atmen, die Reife der Weisheit und das markerschütternde Erschrecken vor dem Hier und Jetzt in sich vereinen. Was die moderne Moritaten-Sammlung aber noch markanter macht als den bereits berückend vollmundigen Vorgänger, ist die musikalische Vielfalt und Fülle der stil-schillernden Song-Kunstwerke zwischen Chanson und Pop, Latin und Reggae, Barock, Blues und Beat, Jazz, Rock und Funk, Oper und Oratorium. Bei aller Mühe des Vertriebes, den wundtief peitschenden Faber-Worten mit erklärend besänftigenden Übersetzungsversuchen die schmerzenden Spitzen zu nehmen, darf man nicht aus den Augen verlieren, dass Julian Pollina in den schwarzen Untiefen seiner Seele vor allem auch Musiker ist, und nicht nur mit dem beeindruckenden Hirn, sondern auch spürbar mit ganzem Herzen bei der Sache ist. Der wird nicht besser – der bleibt so gut.

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16 Horsepower – All Access (ltd.)

Man glaubt es kaum, das Glitterhouse-Label ist schon bei der Katalognummer 1.000 angelangt. Hätte auch niemand gedacht, als Reinhard Holstein und Rembert Stiewe das Ganze vor mittlerweile fast 40(!) Jahren mit der ersten Ausgabe des gleichnamigen Fanzines angefangen haben. Unter all den tollen, mäßigen, spannenden und leicht bekloppten Bands, mit denen man in dreieinhalb Jahrzehnten gearbeitet hat, stachen so einige heraus. Aber diese hier hat es definitiv verdient, mit der Jubiläumsnummer geehrt zu werden: 16 Horsepower waren eine der einflussreichsten Bands in der Geschichte des Alternative Rock. Bestehend aus Jean-Yves Tolà (Ex-Passion Fodder/Lilium), Pascal Humbert (Passion Fodder/Lilium/Détroit) und David Eugene Edwards (später Wovenhand), nahmen sie in den 90er Jahren zwei von Fans wie Presse gefeierte Studioalben für A&M Records auf. 2000 wechselte die Band zu Glitterhouse Records, um ihren Meilenstein „Secret South“ – jetzt mit Steve Taylor zusätzlich an der Gitarre – zu veröffentlichen. Die Tour zum Album wurde ein wahrer Triumphzug. Als Resultat wurde ein Livealbum unter dem Titel „Live March 2001“ veröffentlicht.

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16 Horsepower: Eine der einflussreichsten Bands in der Geschichte des Alternative Rock. ©David Zimmer

Der Guardian schrieb über ihre London-Show: „Tonight, 16 Horsepower are the best band in the world.” Wer die Band jemals live erlebt hat, weiß, welche Magie sie entwickelte. Definitiv waren 16 Horsepower nicht einfach irgendeine Band. Drei Jahre nach der Veröffentlichung von „Secret South“ nahmen 16 Horsepower – jetzt wiederum als Trio wie in ihren Anfangstagen – ihr wohl dunkelstes und, wie der Name erahnen lässt, vom Folk am stärksten beeinflusstes Album auf: „Folklore“ wird als intensivstes und bestes Werk der Band wahrgenommen. Umso trauriger, dass es die letzte Studioplatte ihrer Karriere sein sollte. Alle drei Alben, „Secret South“, „Folklore“ und „Live March 2001“, wurden für Vinyl remastered und auf wertiges 180-Gramm-Vinyl gepresst. „Secret South“ und „Folklore“ waren lange Zeit nicht als LP erhältlich, „Live March 2001“ wird zum ersten Mal überhaupt auf Vinyl veröffentlicht. Außerdem enthält das Set Reprints der Original-Tourposter von 2001 und 2003, Download Codes zu allen Alben und überarbeitete Sleeves.

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Water And Sand – Catching Light

Das zweite Vollwerk des kongenialen Country-Folk-Paares Kim Taylor und Todd Thibaud, ganz zu Recht bei Blue Rose erscheinend. Schon mit dem bandbetitelten Debütalbum faszinierte das sich stimmlich perfekt ergänzende Duo mit schlicht schön gehaltenen Weisen zwischen naturverbundener Klarheit und dezent elektrifizierten Energie-Ausbrüchen. Aber mit dem Dutzend neuer Co-Kompositionen (sämtliche Songs entstanden im Taylor-Thibaud-Tandem) gelingt es den beiden, ihr eigenes Americana-Idiom noch zu verfeinern, zu perfektionieren, auf eine intensive Höhe zu heben, die noch lange nach dem letzten Song nachhallt. Erst beim zweiten oder dritten Hören fällt die Absenz von etwelchem Schlagwerk auf, derart rund und vielfältig gefüllt wirken die naturbelassenen Klangräume, die auf instrumentaler Ebene mit akustischen Akkorden, saftig verzerrten E-Gitarren-Griffen, sanftem Bass und gelegentlichen Mandolinen-Feinfüllungen so reichhaltig ausgestaltet sind, dass den beiden mal sanft solierenden, mal sich gefühl- und kunstvoll umgarnenden Stimmen ein rundum perfektes Lager bereitet wird.

Kongeniales Country-Folk-Paar Kim Taylor und Todd Thibaud ©Michael Wilson

Es reicht von wurzelnaher Akustik-Ballade über klassischen Singer-Songwriter-Folk und beseelte Country-Alternativen bis hin zum zurückhaltend elektrisierenden Roots Rock. Im Zentrum aber stehen, wirken und betören die ungemein natürlich nachfühlbaren Melodien, die in perfekt harmonierender Zweisamkeit dargereicht sicherlich auch dem Buddy & Julie-Jünger ein seliges Lächeln entlocken werden. Nicht nur dem Verehrer des Water & Sand-Erstlings nachdrücklich empfohlen!

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