Die Jeans ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Es gibt sie in sämtlichen Farben und Formen – ihre Wandelbarkeit ist ihr Markenzeichen. Welchen Stellenwert haben demnach aktuell Raw Denims? Welche Trends zeichnen sich allgemein ab? Ein Überblick mit Kommentaren von Guido Wetzels, Geschäftsführer BLAUMANN.
Denim ist ein Thema, das bereits über Dekaden hinweg kaum an Aktualität verliert, hat sich der Blaustoff doch zumindest seit den 1950er-Jahren als fester Bestandteil des westlichen Bekleidungsstils etabliert. Dabei bestimmen Trends und Technologien die sich stets aufs Neue wandelnde Identität der Jeans. Stand heute: Die Zielgruppe ist mitnichten einfach nur jung und sexy, sondern vielmehr bis ins hohe Alter breit gefächert. Das Produkt an sich wird von Menschen eines jeden sozialen Status konsumiert. Denn unlängst ist Jeans in sämtliche Klassen vorgedrungen, kein reines Casual- und Arbeiter-Item mehr. Es gibt sie zerrissen, geflickt, gepatcht, used und washed, im Kontrast dazu auch clean und puristisch. Sie wird zum lässigen Hoodie getragen, kommt jedoch auch zum klassischen Hemd und Sakko zum Einsatz. Wie auch immer – es sind nicht zuletzt authentische Werte, die bei Denim-Looks den Ausschlag geben, vor allem im Hinblick auf den vorherrschenden Zeitgeist.
Raw Denim in der Nische
Bleibt anzumerken, dass in puncto Authentizität insbesondere Raw Denims die Nase vorn haben, die aufgrund ihrer Passform und steifen, ungewaschenen Qualität traditionell mehr noch für die männliche Zielgruppe eine Rolle spielen, frei nach dem Stereotyp: bärtig, tätowiert und sehr, sehr markenbewusst. Doch auch wenn die Raw Denim durch ihre Ursprünglichkeit punkten kann und sich noch dazu als sehr nachhaltig erweist, allein weil sie ja in der Regel auch beim Tragen zunächst einmal ungewaschen bleibt, ist sie nach wie vor auf dem Nischenmarkt anzusiedeln. Es sind vorwiegend Kenner, die sich Raw Denims verschreiben, eine gute Story hinter dem Produkt wertschätzen und dafür auch tiefer ins Portemonnaie greifen. Massentauglich sind die Hosen wohl deshalb bereits nicht, da der Rest-Einlauf in der Wäsche nicht voll kalkulierbar ist und dies mit Blick auf wenig informierte Konsumenten womöglich eine hohe Retourenquote bei Händlern nach sich ziehen würde. Auch in Sachen Tragekomfort trifft die Raw Denim nicht den Massengeschmack.
Trendentwicklung auf dem Markt
Guido Wetzels, Geschäftsführer bei BLAUMANN, kommentiert gegenüber Fashion Today: „Männern ist beim Kauf ihrer Jeans der Tragekomfort sehr wichtig, ebenso wie die Qualität. Wir stellen fest, dass ausnehmend softe Stretch-Qualitäten bis hin zu Powerstretch sehr gut gehen – unser Anteil liegt da mittlerweile bei etwa 70 Prozent. Mit Bezug auf die Trendentwicklung lässt sich sagen, dass sich die Leibhöhe wieder nach oben verschiebt, der Schnitt wird allmählich gerader. Während sich diese Entwicklung in Europa nach und nach vollzieht, so kann man in Asien beobachten, dass diese bereits voll da ist. Die superengen Modelle, die mit einem hohen Stretch-Anteil arbeiten, gehen meiner Ansicht nach pauschal etwas zurück.“ Darüber hinaus sind reduzierte Optiken gefragt. Waschungen ja, jedoch dezent und gekonnt gemacht. Markante Flicken und Löcher bleiben – wenn überhaupt – vielmehr einer sehr jungen Zielgruppe vorbehalten. Dafür wird mehr über Farben gespielt. Die Weber bringen Schattierungen ins Spiel, dem klassischen Indigoton wird für ein Plus an Varianz ein Schuss Extrafarbe beigemischt. Und auch die Struktur der Garne spielt für eine spannende Oberfläche eine bedeutende Rolle. So kommen verstärkt Ringgarne zum Einsatz, die nach ihrer Hochzeit in den 1970er-Jahren und einem Revival in den 1990ern nunmehr erneut Stoffen Charakter verleihen.
Denim als Kulturgut?
Hinsichtlich der Preise sieht Wetzels den Jeans-Konsumenten schon kostenbewusst: „Online haben wir jüngst eine Sonderedition von Denims zu einem Preis von je 349 Euro gelauncht – innerhalb kürzester Zeit war die Hälfte davon bereits vergriffen. Ich denke, wenn die Qualität stimmt und die Story gut ist, wird auch gekauft. Auf kommerzieller Ebene muss man sehen, dass sowohl Produkte für 99 Euro als auch Produkte für 49 Euro teils aus denselben Produktionsstätten, zum Beispiel aus China, kommen. Ich kann gut nachvollziehen, wenn Endverbraucher es da nicht einsehen, den höheren Preis zu zahlen. Ich würde sogar behaupten, dass es einige Marken aus dem Mittelsegment nur deshalb noch gibt, weil Männer Läden von gewissen preisniedrigen Filialisten grundsätzlich für ihren Einkauf nicht betreten.“ Da der Story-Aspekt mitunter ein Argument darstellt – verfügt die Jeans mittlerweile gar über einen kulturellen Wert? Wetzels erklärt: „Ich denke, in Europa ist dies weniger der Fall. Auch wenn zum Beispiel die Italiener Weltklasse im Denim-Bereich sind, so gibt es hier erst seit dem Krieg Jeans. Es gab in Deutschland zwar viele Produktionen, jedoch nie ein vollstufiges Geschäft. In den USA ist dies anders. Die Marke Lee wirbt zum Beispiel mit dem Slogan ,The Jeans that built America‘ – und da ist auch was dran. Schließlich haben Lee-tragende Arbeiter auf dem Hochbau die ersten Wolkenkratzer in New York hochgezogen. Dass Denim in Amerika durchaus über einen kulturellen Wert verfügt, zeigt allein schon die Tatsache, dass sich US-Präsidenten wie George W. Bush mitunter in Jeans in der Öffentlichkeit gezeigt haben, hier wäre dies undenkbar. Jeans ist viel mehr Teil des Alltags als Teil der Kultur.“