Die Leibesfülle der Deutschen wächst kontinuierlich und mit ihr das Angebot an Bekleidung für Große Größen. Während bei Frauen in den letzten Jahren der modische Aspekt immer stärker in den Blickpunkt rückte, war das Angebot bei Männern eher pragmatisch ausgerichtet. Doch es kommt Bewegung in den Markt, denn zunehmend wird schicke Oversize-Herrenkleidung gesucht.
Dickes Deutschland. Auch wenn die Angaben je nach Statistik leicht schwanken, generell sind sie mehr als erschreckend, denn die Zahlen haben eines gemein: Sie sind immer steigend. „Zwei Drittel der Männer (67 Prozent) und die Hälfte der Frauen (53 Prozent) in Deutschland sind übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen (23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen) ist stark übergewichtig (adipös)“, ergab eine Studie des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2014. Auch das Statistische Bundesamt bestätigt, dass zwei von drei Männern in Deutschland zu dick sind, und ergänzt: Je älter die Männer werden, umso mehr nehmen sie zu. Passend zum Bauchumfang der Bevölkerung wächst auch der Anteil an Bekleidung für Große Größen. „Das Geschäft mit Plus-Size-Mode boomt – und die Einkäufer wissen, warum: Dieser Markt ist nicht die Abweichung von der Norm, er ist die Norm“, beschreiben die Mittelstand Nachrichten dieses Bekleidungssegment.
Und wo Bedarf ist, ist Angebot. Vor allem Discounter und Ketten sahen schon früh einen lohnenden Markt für sich. Der Anteil der Großen Größen wuchs, aber in der Öffentlichkeit wurde das Thema genauso wenig aufgegriffen wie modische Aspekte.
Neues Selbstbewusstsein
Doch langsam änderte sich das. Zunächst fingen die molligen Frauen an, nach und nach ein neues Selbstbewusstsein zu entwickeln, gepusht durch tonangebende Prominente: Beth Ditto legte sich mit Karl Lagerfeld bezüglich ihrer Figur an, Schauspielerin Rebel Wilson spielte in Hollywood eine Hauptrolle nach der anderen und Übergrößen-Models wie Ashley Graham standen plötzlich im Rampenlicht. Immer mehr Modemarken für Plus Size und eigene Online-Plattformen kamen auf den Markt und seit rund zwei Jahren wird mit „The Curvy Magazine“ sogar ein separates Fashionmagazin für diese Zielgruppe herausgegeben.
All das war bei den Männern bislang Fehlanzeige. Doch auch hier steht nun Veränderung an. „Bei Großen Größen für Männer sehen wir ebenfalls ein starkes Wachstum, sowohl stationär als auch im Online-Bereich“, stellt Martina Schenk, Communications Department von C&A, fest und macht gleichzeitig neue Wünsche beim Konsumenten aus: „Früher prägten dezente Styles die Kollektion, da der XL-Kunde möglichst nicht auffallen wollte. Unsere Erfahrung zeigt, dass der XL-Kunde heute die aktuellen Trends bei Farben/Prints mitmachen möchte und modische Bekleidung selbstbewusst trägt.“
Auch beim Discounter LiDL, der regelmäßig Kleidung für Herren in Großen Größen bis 4XL in seinen Filialen und im Online-Shop verkauft, sieht man eine gestiegene Nachfrage in allen Produktbereichen: „Hierzu zählen unter anderem Shorts, Unterwäsche, Hoodies und Poloshirts unserer Herrentextil-Eigenmarke LIVERGY. Darüber hinaus sind ausgewählte Artikel der Herrenkleidung bis zur Größe 4XL ganzjährig in unserem Online-Shop erhältlich. Auch einzelne Sport- oder Funktionskleidungsstücke unserer Sport-Eigenmarke CRIVIT führen wir online bis Größe 4XL“, bestätigt Melanie Pöter von der Pressestelle.
Online statt enge Umkleidekabine
Wobei Online generell für dieses Segment ein wichtiges Thema ist, da im stationären Handel oft entweder das Angebot fehlt oder das Einkaufsumfeld bei Übergrößen schlecht ist. Stichworte sind zu enge Umkleidekabinen, zu wenig Privatsphäre oder verschämt in einer Ecke präsentiertes Angebot. Dass man auch beides gleichzeitig, online und stationär, erfolgreich führen kann, zeigen Unternehmen wie bruns GROSSE GRÖSSEN mit mehreren Filialen in Norddeutschland, HIRMER im gesamten Bundesgebiet oder pfundsKERL, das zwei Geschäfte im Münchner Raum und einen Online-Shop mit über 80 Marken in den Größen 3XL bis 14XL anbietet, ergänzt durch einen gedruckten Katalog. In diesen Plattformen oder bei Internethändlern wie zalando finden die Kunden auch Top-Modemarken, die inzwischen verstärkt den Markt bedienen. Überhaupt bietet das Internet zunehmend auch für kräftige Figuren jede Menge Infos zu Mode, Styling, Aussehen, wie beispielsweise im Blog „Extra Inches“ von Claus Fleissner.
Diese Entwicklung lässt natürlich auch das Interesse an passenden Männermodels steigen: „Ich kann dies zwar nicht mit Zahlen belegen, doch merken wir natürlich schon, dass wir mehr Männer verbuchen als noch vor circa zwei Jahren“, fasst Ariane Freienstein von der auf Große Größen spezialisierten Agentur Curve Model Management die Entwicklung zusammen und fügt hinzu, dass es den Anschein habe, dass auch zukünftig die Nachfrage nach Übergrößen-Männermodels weiter steige. Dem stimmt auch Martina Schenk zu: „Untersuchungen deuten darauf hin, dass der Anteil von XL-Größen auch in den nächsten Jahren zunehmen wird.“ Der Markt für Große Größen ist ein wachsender Zukunftsmarkt.