Autor: Markus Oess
Zugegeben, vom Revival der formellen Kleidung zu sprechen, wäre doch verwegen. Aber wir wollten es genauer wissen und haben in Kooperation mit den Marktforschern von YouGov nachgefragt. Ergebnis: Anzug und Kostüm hängen nicht nur in den Kleiderschränken der Republik – sie werden auch getragen. Allerdings verschieben sich die Trageanlässe ins Private. Im Büro ist nur für 24 Prozent der Deutschen Business Wear das Kleidungsstück der Wahl.
Ja, wer hätte das gedacht? Immerhin 8 Prozent der Deutschen finden es schlecht, dass der klassische Anzug beziehungsweise das klassische Damenkostüm an Bedeutung verloren hat. Klingt nicht nach viel, rechnet man aber die 28 Prozent der Umfrageteilnehmer, die das eher tendenziell bedauern, ist das ein gutes Drittel aller Deutschen. Das ist das Ergebnis der aktuellen FT-Umfrage in Kooperation mit den Marktforschern von YouGov, Köln. Die Anbieter von formeller Mode wird es freuen. Zumindest in diesem Punkt sind sich Frauen und Männer weitgehend einig sind, und zwar, was sowohl den Wunsch nach formeller Kleidung wie auch die Ablehnung derselben angeht. Auffällig auch der überraschend hohe Anteil derer, die gar keine Meinung dazu haben, wohl eher ein Ausdruck fehlenden Interesses als Unschlüssigkeit. Umgekehrt lässt sich die Lust am lässigen Kleidungsstil auch in den Umfrageergebnissen gut ablesen. 25 Prozent finden den Bedeutungsverlust der formellen Kleidung eher gut und 15 Prozent sehr gut und sind damit in der Mehrheit.
So manche Klischees werden auch im Kleidungsstil gerne bedient, ist er doch Ausdruck der persönlichen Lebensweise. Sie bieten aber auch Raum für Überraschungen. Dass ausgerechnet die Anhänger der FDP (41 Prozent eher schlecht, 7 Prozent sehr schlecht) und der CDU/CSU (34 Prozent schlecht, 11 Prozent sehr schlecht) die Abkehr von traditioneller Mode bedauern, mag nun genauso wenig verwundern wie das Ergebnis, dass bei den Grünen- und den Linken-Wählern formelle Kleidung weniger beliebt ist. Die Akzeptanz von Anzügen und Kostümen nimmt mit der Lebenserfahrung offenbar zu. Lediglich die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen unterscheidet sich in einem Punkt deutlich vom Durchschnittsbild: 40 Prozent haben keine Meinung zur formellen Kleidung. Kein Wunder, abseits von Schulabschluss und kirchlichen Festen gibt es auch wenig Anlässe, sich formell zu kleiden. Ansonsten überwiegen in allen Altersklassen die Anhänger von lässiger Kleidung.
Und trotzdem geben nur 22 Prozent der Deutschen an, niemals einen Anzug oder ein Köstum zu tragen. Das heißt für die formelle Mode, dass der Markt immerhin fast 80 Prozent der Deutschen als potenzielle Kunden hat. Dabei sind die Trageanlässe wiederum auch keine Überraschung: Schul- oder Uni-Abschluss, Familienabschluss und Opernbesuch. Der Begriff der Business Wear muss wohl um eine neue Bedeutung erweitert werden, denn nur 24 Prozent der Deutschen geben an, sich entsprechend im Büro zu kleiden. Allerdings sind hier die Frauen gegenüber den Männern in der Überzahl. Auch bei den Trageanlässen nehmen die positiven Ausschläge mit dem Alter zu. Ein gleiches Bild ergibt sich wieder bei der Unterscheidung nach der politischen Überzeugung. Liberale und Konservative fühlen sich in formeller Kleidung immer noch wohler als die Anhänger des linksliberalen Parteienspektrums.
5377 Personen wurden am 1. Juli 2019 befragt. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.