Besuch im neuen Bauhaus-Museum in Weimar
Autorin: Cordelia AlbertBauhaus und Weimar – das war nicht immer eine Liebe. Jetzt, zum 100. Geburtstag, ist das anders. Die Stadt feiert diesen Teil ihrer Vergangenheit und dafür wurde sogar ein komplett neues Museum gebaut. Ein Besuch vor Ort.
Aufgewachsen in Weimar, erinnere ich mich an eine erzählte Geschichte „von früher“. In den 1920er-Jahren drohten Weimarer Bürger ihren Kindern, die nicht hören wollten: „Wenn du nicht brav bist, dann kommst du ins Bauhaus.“ Diese Anekdote sagt alles über das Verhältnis der Stadt und ihrer Einwohner zur heute fast als Kultstätte verehrten Schule, die als einer der wichtigsten Impulsgeber der Moderne gilt. Weimar und Bauhaus – das war keine Liebe. Von den Bewohnern nicht verstanden, öffentlich angefeindet und durch die Nationalsozialisten verfolgt, ging das 1919 gegründete Bauhaus 1925 schließlich nach Dessau und 1932 nach Berlin, wo es sich 1933 unter den Repressalien der Nationalsozialisten letztendlich auflösen musste.
In der thüringischen Klassikerstadt Weimar fiel das Bauhaus in eine Art Dornröschenschlaf, der auch während der DDR-Diktatur anhielt. Man wusste zwar, dass es einst im Haus der Hochschule für Architektur und Bauwesen gewesen war, aber damit war es schon genug. Die Vision, neue Wege zu gehen, und die freie Gedankenwelt waren auch im Sozialismus nicht gerne gesehen.
Erst mit der Wende wurde dem Bauhaus nach und nach wieder mehr Beachtung geschenkt, das kulturelle Erbe angetreten und als Chance für den Tourismus jenseits von Goethe und Schiller verstanden. Nun sind seit der Gründung hundert Jahre vergangen, Dornröschen ist aus seinem Schlaf erwacht und zum Geburtstag gab es sogar ein komplett neu gebautes Museum, das ein viel zu enges Provisorium abgelöst hat. Am 5. April 2019 wurde das Haus eröffnet. Seitdem stürmen unzählige Besucherscharen ins Museum, Gäste aus aller Welt, aber auch Einheimische. Weimar und das Bauhaus – das könnte doch noch eine Freundschaft werden.
Ein Besuch
Auch ich mache mich auf den Weg. Schon von Weitem ist der Kubus des Hauses, entworfen von Architektin Prof. Heike Hanada, zu erkennen. Seine absolut minimalistische Fassade setzt sich im Inneren in der geometrischen Klarheit des Gebäudes fort. Hinter dem Foyer trete ich durch eine riesige schmucklose Tür – und stehe mitten in der faszinierenden Welt des Bauhauses. Auf drei Etagen und fast 2.000 Quadratmetern werden rund 1.000 Exponate präsentiert. Das ist viel, aber durch die offene Architektur, bei der man immer auf verschiedene Ebenen schauen kann, wirkt der Bau frei und luftig. Zu entdecken gibt es jede Menge: Erklärungen zu Geschichte und Künstlern, alte Dokumente und Fotos, Entwürfe und Arbeiten der Schüler und natürlich die Klassiker, wie die Wagenfeld-Lampe oder den Wassily Chair von Marcel Breuer.
Das alles wird in einer sehr modernen Form präsentiert: Filme, Leuchttafeln, Neue Medien und Mitmachzonen. Leider kann sich mir das Grundkonzept der Präsentation nicht ganz erschließen. Doch das liegt vielleicht auch an der Besucherfülle der Ausstellung. Die Menschen stehen sich gegenseitig im Weg. Erstaunlich – irgendwie scheint das neue Museum jetzt schon zu klein. Hatte man nicht mit so einem begeisterten Ansturm gerechnet? An einer Wand suche ich die Bezeichnung der Ausstellungsstücke. Sie steht nicht neben oder unter den Exponaten, sondern ist zusammengefasst zentral an einer Ecke zu finden. Sieht cool aus, ist aber lästig, weil man sich dafür jedes Mal an den anderen Besuchern vorbeidrängeln muss. Das gilt auch für die Top-Ausstellungsstücke oder die Staus bei Führungen. Man kommt oft einfach nicht weiter. So bleibe ich vor der großen Leinwand stehen, auf der Ausschnitte aus dem Triadischen Ballett gezeigt werden. Ein Zuschauermagnet. Gebannt schauen die Besucher auf die tanzenden Figuren in den Kostümen von Oskar Schlemmer. Das Bauhaus als direktes Erlebnis. Das finde ich auch an anderer Stelle: An einem großen Tisch stehen verschiedene Stühle, wie zum Beispiel die Klassiker von Marcel Breuer oder Mies van der Rohe. „Nehmen Sie doch Platz!“, heißt die freundliche Aufforderung. Denn hier kann sich der Besucher hinsetzen und die verschiedenen Modelle ausprobieren. Rund um den Tisch kommt man miteinander ins Gespräch. Wirklich toll. Klarer Pluspunkt für die Ausstellung.
Und dann wartet auf mich noch ein Highlight: Auf jeder Ebene gibt es eine große Tür, durch die man nicht nur die Ausstellung jederzeit verlassen kann, sondern ein absolut beeindruckendes Treppenhaus betritt, das sich über alle Etagen erstreckt. Architektonisch streng und in klaren Linien entworfen, bietet dieser auch „Himmelstreppe“ genannte Auf- und Abgang sowohl von oben als auch unten einen fantastischen Blick. Und der hätte den Bauhäuslern ganz sicher auch gefallen.
Design-Statements: Frauen sind anders
Bauhaus in Weimar
Neben dem neuen Bauhaus-Museum Weimar kann man sich dem Thema auch an anderen Orten nähern:
- Neues Museum Weimar (die Moderne in Weimar um 1900)
- Haus Am Horn (Musterhaus des Bauhauses aus dem Jahr 1923)
- Haus Hohe Pappeln (selbst entworfenes Wohnhaus von Henry van de Velde, in dem er bis 1017 lebte)
Nähere Informationen unter www.bauhausmuseumweimar.de und www.klassik-stiftung.de