CARL GROSS ist die klassische Linie des Hersbrucker Menswear-Spezialisten Création Gross. Seit gut einem halben Jahr verantwortet Thorsten Grönlund die Geschicke des Labels. Eine Revolution wird es unter seiner Führung nicht geben. Eher eine Fortentwicklung des Markenkerns und modische Fortschreibung der Kollektionen. Vom eingeschlagenen Weg will der Manager nicht abweichen, wohl aber einiges für die Wahrnehmung und Abgrenzung der Marke tun.
„Es lohnt sich, in unserer extrem schnelllebigen Branche immer zu vergleichen und sich neue Inspirationen zu holen“, sagt Thorsten Grönlund, Head of Division CARL GROSS, Hersbruck – als Antwort an einen Händler, der argumentiert, die Reise nach Berlin lohne nicht. Grönlund ist zum Jahreswechsel 2019 nach Hersbruck gekommen. Der Manager hat bei Création Gross die stilistische und kreative Verantwortung für die Marke und soll das Markenprofil von CARL GROSS und der Premium-Linie CARL GROSS BLACK LINE weiter schärfen. Grönlund, der zuletzt als Gesellschafter bei dem Hamburger Label NADELuFADEN tätig war und zuvor führende Produkt- und Salesfunktionen unter anderem für ESPRIT, CECIL und s.Oliver begleitete, berichtet direkt an den Geschäftsführer Vertrieb, Produkt, Marketing, Ralph Böhm. Ein Rheinländer in Franken, kann das gut gehen?
FT: Herr Grönlund, von Rottensdorf nach Hersbruck dürfte es wohl keinen Kuturschock gegeben haben. Wie sieht es aber mit der modischen Positionierung und der Unternehmensgröße aus?
Thorsten Grönlund: „Die klassische HAKA war seinerzeit mein Start in die Textilbranche (bei P&C Düsseldorf) und deswegen habe ich mich sehr darauf gefreut, zu meinen Wurzeln zurückzukehren.
Und auch wenn ich mit Leib und Seele gebürtiger ,Düsseldorfer‘ bin, arbeite ich sehr gerne im Frankenland, da ich sowohl die Bodenständigkeit und Ehrlichkeit der Menschen hier wie auch die wunderschöne Landschaft sehr ins Herz geschlossen habe. Die Positionierung und Größe von CARL GROSS sind perfekt für eine Weiterführung der fast 100-jährigen Erfolgsgeschichte.“
Was war für Sie die größte Umgewöhnung gegenüber s.Oliver?
„Im positiven Sinne der deutlich stringentere Zielgruppen-Fokus, aber auch die längeren Vorlaufzeiten.“
CARL GROSS bewegt sich in einem Marktumfeld, in dem viele leistungsfähige Wettbewerber agieren. Grönlund lobt die hohe Produktkompetenz sowie die Verarbeitung und Qualität, die die Franken auf hohem Niveau beherrschen. Doch, so argumentiert der Manager, reiche das nicht mehr aus, um die Nase oben zu halten. „Handlungsbedarf gibt es bei unserer sich extrem schnell entwickelnden Branche jede Saison. Insbesondere eine stärkere Abgrenzung gegenüber unseren Mitbewerbern ist eine Hauptaufgabe der nächsten Saisons“, sagt Grönlund. An der modischen Marschroute will der gebürtige Düsseldorfer nicht drehen. Im Gegenteil: „Hohe Qualität und perfekte Passformen zu einem sehr guten Preis sind und bleiben unsere Priorität. Modisch entwickelt sich unsere Branche gerade sehr schnell weiter. Insbesondere weichere Einlagen, rundere Schultern und neue Fütterungsvarianten bestimmen einen sportiveren Anzug- und Sakko-Look“, blickt Grönlund nach vorn. Da die Casualisierung auch vor dem Anzug nicht haltmacht, gleichzeitig die Etikette generell lockerer und der Anzug nicht mehr zur stilbildenden Pflicht erhoben wird, soll auch der Casual-Anteil in der Kollektion steigen. Mit der Entwicklung der BLACK LINE, die die Kollektion preislich nach oben abrundet, ist Grönlund zufrieden.
Während die Abgrenzung gegenüber den Wettbewerbern auch weiterhin über die „beste Mischung aus Qualität, Verarbeitung, Passform und Preis“ funktionieren soll, sieht Grönlund unternehmensintern die Trennlinie zu CG – CLUB of GENTS in der „Segmentierung in mittlerweile vier Labels (CARL GROSS, BLACK LINE, CLUB of GENTS, Savile Row). Unter dem Dach der Création Gross können wir glaubhaft verschiedene Zielgruppen und Altersklassen ansprechen, ohne uns gegenseitig Konkurrenz zu machen.“ Preislich hat sich im Programm trotz der veränderten Marktbedingungen hinsichtlich der Rohstoffe, Löhne und Frachtkosten und so weiter nichts geändert.
FT: In Berlin wird sich CARL GROSS in der ersten Juli-Woche dieses Jahres auf der PANORAMA präsentieren:
Grönlund: „Unsere neuen Frühjahr/Sommer-Kollektionen werden von dem Land Panama inspiriert sein. Sowohl die einzigartige Natur wie auch die Metropole Panama City waren Vorbilder für eine durch Leinenmischungen und Baumwolloptiken geprägte Kollektion.
Neu sind der ,Sleeveless Suit‘ – eine Westen-Hosen-Optik, die heiße Sommertage im Businessalltag aufpeppt, sowie spannende Aktionen für den Point of Sale.“
FT: Wenn die Rolling Stones touren, dürfte auch ein Facharzt für Geriatrie mit dabei sein. Andererseits zeigen sich manche junge Konservative gern im Anzug. Generell scheut man sich heute, in Altersgruppen zu denken. Wie halten Sie das?
„Auch wir sind kein Freund davon, unsere Zielgruppe auf ein bestimmtes Alter einzugrenzen. Seriöses und stilvolles Auftreten sowie ein hohes Qualitätsbewusstsein sind keine Frage des Alters, sondern der Lebenseinstellung.“
„Manche Marken setzen stark auf Social Media, andere auf eine starke Präsenz in Endverbraucher-Magazinen. Wie sieht Ihr Königsweg zur Markenbildung in Richtung Endverbraucher aus, was haben Sie für die nächsten Monate geplant?“
„Wichtig ist es, den Endverbraucher da abzuholen, wo er sich aufhält. Dies ist heute deutlich vielschichtiger als noch vor zehn Jahren. Wir schließen deshalb kein Medium komplett aus und müssen den richtigen Mix zur Weiterentwicklung der Marke und zur Stärkung unserer Abverkäufe je nach Aktion jedes Mal neu einstellen.“
Wie werden Sie den Handel marketingtechnisch einbinden?
„Der Handel ist auch hier unser wichtigster Partner, da er das ,Sprachrohr‘ unserer Marke zum Endverbraucher ist. Neben dem eben erwähnten Marketing-Mix sind hier Aktionen am PoS ein wichtiger Baustein unserer Strategie.“