„Stil ist keine Frage des Alters.“ Die Dame, die das sagt, muss es wissen. Iris Apfel ist inzwischen 97 Jahre alt. Und Stil – und zwar einen sehr eigenen – hatte sie schon immer. Zur internationalen Modeikone geworden ist sie damit allerdings erst jenseits der neunzig. Ihr Sein und Werden gibt es jetzt auch als wunderbares Buch.
Man sieht die Szene geradezu bildlich vor sich – und Liebhaber schöner Kleidung und aufregender Accessoires hätten alles gegeben, um damals dabei sein zu können: Im Frühling des Jahres 2005 fragte das renommierte New Yorker Metropolitan Museum of Art bei einer 84-jährigen Frau an: Sie würden eine kleine Ausstellung über ihre Modeaccessoires und ihren Schmuck planen. Etwa fünf Outfits und passendes Beiwerk suchten sie dafür. Und dann, tja dann – Simsalabim – machte Iris Apfel ihre Schränke auf. „Sie hatten ja keine Ahnung, dass sie soeben die Büchse der Pandora geöffnet hatten“, erinnert sie sich. Der Beginn der tagelangen Sichtung einer riesigen Sammlung, von der am Ende 300 Kleidungsstücke und Hunderte Accessoires im Museum landeten und in einer spektakulären Ausstellung gezeigt wurden, die international für Furore sorgte. Es war der Anfang des Aufstiegs von Iris Apfel zu einer bekannten Modeikone in Hochglanzmagazinen, mit eigener Make-up-Linie, Barbie-Puppe und Werbeverträgen – und es war der Anfang eines Buches der inzwischen 97-Jährigen, das der Verlag Midas Collection in Zürich gerade herausgegeben hat.
More is more
Das Buch ist eine quirlige bunte Mischung, eine Zusammenstellung von Fotos, Collagen, Zitaten und Lebenserinnerungen. „More is more … and less is a bore!“ Eigentlich sagt dieser Satz alles über Iris Apfel, deren Outfits immer typisch für ein „Mehr“ sind und die im Buch ihren Gedanken und Inspirationen freien Lauf lässt. So wechseln sich reine Bild- und Collageseiten, die höchstens mit einem Zitat ergänzt werden, ab mit längeren Texten, in denen sie über ihr Leben, ihren Werdegang und ihr Verhältnis zur Mode schreibt. Dazu kommen private Fotos und persönliche Ratschläge, zum Beispiel wie man eine gute Ehe führt, denn die ihre mit dem geliebten Ehemann Carl hat schließlich 66 Jahre gehalten. All das ist spannend, manchmal lustig und oft sehr unkonventionell.
Genau wie ihre späte Karriere als internationale Modeikone, die in einem Alter begann, in dem andere schon 25 Jahre in Rente sind. Aber „Stil ist keine Frage des Alters“, betont die Autorin und sieht sich selbst als „ältesten Teenager der Welt“.
Schon in jungen Jahren entwickelte sie diesen für sie typischen, eigenen Stil. Später, als sie als Innenarchitektin arbeitet, fängt sie an, auf ihren Reisen an den unterschiedlichsten Orten nach Kleidung und Accessoires zu suchen und sie zu sammeln. Die Priorität dabei sei aber keine Frage des Preises, betont sie, sondern des Gefallens: Abverkäufe von Couturiers finden sich ebenso wie Fundstücke vom Flohmarkt. Darunter auch ein altes Priestergewand, von dem der Ehemann nicht will, dass sie es kauft. Schließlich könnten die Leute glauben, er könne ihr keine richtige Kleidung kaufen. Natürlich erwirbt Iris Apfel es doch und hat heute nun eine weitere Anekdote zu erzählen. Und die würzt das Werk und sorgt für eine schmackhafte Mischung. „Wenn man sich nicht anzieht wie alle, muss man auch nicht wie alle denken,“ heißt es da. Iris Apfel denkt, wie sie will – und das macht das Buch so unterhaltsam und wunderbar.
Iris Apfel: Accidental Icon
Stil ist keine Frage des Alters
Verlag Midas Collection, Zürich
176 Seiten, 25 Euro
ISBN: 978-3-03876-146-4