Trump erhebt weitere Strafzölle und bestraft damit die eigenen Bürger. So stammen 41 Prozent der in den USA verkauften Kleidung, 72 Prozent der Schuhe und 84 Prozent der Accessoires aus China. Unsichere Zeiten also und dennoch investiert die chinesische Bekleidungs- und Textilindustrie in die Automatisierung, denn die Lohnkosten drücken und der Heimatmarkt fordert mehr Qualität.
Der beste Dealmaker der Welt, US-Präsident Donald Trump, zündet im Handelsstreit mit China die nächste Eskalationsstufe. Er packt 25 Prozent Strafzölle auf den Tisch und meint, es laufe gut mit seinen Verhandlungen. Doch normalsinnige Menschen auch jenseits des Atlantiks könnten da durchaus anderer Meinung sein. So listen US-Medien auf, was alles durch die Zölle teurer wird: unter anderem Computer, Schuhe, Kleidung oder Toilettenpapier. „Kein Wunder, dass sich auch die Börsianer langsam sorgen“, schreibt das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. „Wir flippen aus“, zitiert das Nachrichtenmagazin den Branchenverband American Apparel & Footwear Association (AAFA), der mehr als tausend Einzelhandelsunternehmen vertritt: Die Zölle seien eine „selbst verschuldete Wunde“ und „katastrophal für die Wirtschaft“. Die Branche werde weitere Erhöhungen „nicht überleben“. Der Grund ist leicht zu erkennen: Von den Waren, die die chinesische Bekleidungs- und Textilindustrie 2018 für rund 119 Milliarden US-Dollar ins Ausland verkaufte, gingen rund zwei Drittel in die Vereinigten Staaten. So stammen laut AAFA 41 Prozent der in den USA vertriebenen Kleidung, 72 Prozent der Schuhe und 84 Prozent der Accessoires aus dem Land, das Trump mit Strafzöllen weichklopfen will.
Trumps Poker hat auch Folgen für Chinas Textil- und Bekleidungsbranche. Und dennoch lassen Automatisierung, Umweltverträglichkeit und Energieeffizienz die Maschineneinfuhr steigen, analysiert Stefanie Schmitt von der Germany Trade & Invest (GTAI), eine Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing. Selbst wenn wegen des Handelsstreits mit den USA Investitionen aufgeschoben würden. Zudem seien von den Strafzöllen die Erzeuger von Vorprodukten sowie Textilien weniger oder sogar gar nicht betroffen, da auch Bekleidungshersteller zum Beispiel in Vietnam oder Bangladesch in China sourcten.
Harte Konsolidierungs- und Modernisierungsjahre
Dabei ist der Modernisierungsprozess der chinesischen Textil- und Bekleidungswirtschaft in vollem Gange. Die Zeiten, in denen die vielen Straßenmärkte der Volksrepublik mit Billigklamotten überschwemmt wurden, gehen zu Ende. Und die Produzenten haben nur zwei Möglichkeiten zu reagieren: Entweder sie schaffen es, sich zu modernisieren, oder sie verschwinden vom Markt. „Chinas Textil- und Bekleidungswirtschaft hat harte Konsolidierungs- und Modernisierungsjahre hinter sich. Tatsächlich ging allein zwischen 2013 und 2017 die Zahl der überwiegend privatwirtschaftlich strukturierten Branchenfirmen um knapp 11 Prozent auf rund 33.500 zurück“, konstatiert Schmitt. Die Chinesen wollen keine Billigware und sie können sich meist Besseres leisten. Etwa 1.371 Milliarden Renminbi Yuan (207 Milliarden US-Dollar) gaben sie 2018 laut chinesischem Statistikamt NBS (National Bureau of Statistics) für Kleidung und Schuhe aus. Das sind 8 Prozent mehr als im Vorjahr.
Zu den gewachsenen Qualitätsansprüchen kommt aber auch der Kostendruck durch steigende Löhne, der die Firmen zu Investitionen in die Automatisierung bringt. Traditionell wird in den Provinzen Guangdong, Fujian, Zhejiang und Shandong produziert. Dort kletterten die durchschnittlichen Bruttomonatslöhne städtischer Arbeiter von 2013 bis 2017 zwischen 38,9 Prozent (Fujian) und 48,5 Prozent (Guangdong) – bei deutlich niedrigeren Inflationsraten, rechnet Schmitt vor. Zwischen 2010 und 2017 sank der Personalbestand in der Branche von 10,9 Millionen auf 7,8 Millionen Beschäftigte.
Zu enge Verbindungen mit Zulieferern
Die Möglichkeit, dem Ganzen zu entgehen, ist die Verlagerung des Firmenstandorts, zum Beispiel ins Landesinnere, wo die Löhne niedriger sind, oder ins kostengünstigere Ausland. Aber, so Schmitt, die meisten seien zu stark mit ihren Zulieferern verwachsen, um sich schadlos zu verabschieden. Überdies sähen sich die Firmen mit einer schärferen Umweltgesetzgebung konfrontiert, die zunehmend auch durchgesetzt wird. Und schließlich wächst die Bedeutung der Energieeffizienz. Hersteller wie die Dongrong Group handeln. Das in Chifeng in der Inneren Mongolei ansässige Kaschmirunternehmen wurde von der Regierung der Autonomen Region gemeinsam mit einem Molkereibetrieb zu einem Musterunternehmen in Sachen Umweltschutz ausgeguckt. Und die Nachfrage nach modernen Maschinen kann die lokale Produktion bei Weitem noch nicht erfüllen. China importierte 2018 Textilmaschinen im Wert von 4,2 Milliarden US-Dollar, das sind 6,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Nach Japan sind Deutschland und etwas abgeschlagen Italien unter den Top-Drei-Lieferanten. Die USA, das wundert nun nicht, sind nicht aufgelistet. Inzwischen hat es den Anschein, als dass Trump wieder zurückrudert – zumindest für den Augenblick.