„Wir wollen Vorurteile aufbrechen!“

GRUBENHELDEN

„GRUBENHELDEN habe ich eigentlich als Hobby gegründet." Matthias Bohm (alle Bilder ©Grubenhelden)
Autorin: Tays Jennifer Köper-Kelemen

Die Geschichte des deutschen Steinkohlebergbaus steht beim Modelabel GRUBENHELDEN im Mittelpunkt, selbst auf der New York Fashion Week hat das junge Start-up aus dem Ruhrgebiet diese bereits zum Besten gegeben. Fashion Today hat im Interview mit GRUBENHELDEN-Gründer Matthias Bohm gesprochen.

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Ruhrpott-Geschichte auf dem NYFW Catwalk 

Fashion Today: Wie ist es dazu gekommen, dass ihr auf der New York Fashion Week gezeigt habt?
Matthias Bohm: „Im April 2017 sind wir mit dem Gründerpreis ,Tacken‘ ausgezeichnet worden. Bei der Preisübergabe habe ich dann – warum auch immer – auf der Bühne erklärt, dass ich mit einem Auftritt auf der Fashion Week in New York meinem Großvater, einem ehemaligen Bergmann, ,Danke‘ sagen will. Es waren damals 150 Leute im Plenum – ich hatte soeben einen Preis gewonnen, sicherlich haben sich die einen oder anderen gedacht, dass ich jetzt übergeschnappt sei. Tatsächlich haben wir unser Vorhaben aber keine zwei Jahre später in die Tat umgesetzt und so der ganzen Welt unsere Geschichte erzählt. Ich finde, dies ist für ein kleines Start-up schon eine toughe Leistung.“

Hast du schon immer Mode gemacht?
„Ich komme ursprünglich aus dem Sport. Ich habe Sportwissenschaften studiert und dann sieben Jahre bei einem Fußball-Bundesligisten gearbeitet – in den Bereichen Marketing und Vertrieb. Im Anschluss bin ich zu den Stadtwerken nach Gelsenkirchen gewechselt, man hatte mich damals abgeworben und mich als Vertriebschef mit ins Boot geholt. GRUBENHELDEN habe ich eigentlich als Hobby gegründet. Im September 2017 bin ich dann aus meinem sicheren Job raus, um das Label weiter nach vorne zu bringen. Dass dieses Projekt im Anschluss eine solche Reise machen würde, war anfangs wohl gar nicht abzusehen, zumindest nicht in dieser Geschwindigkeit. Wenn es mir ums Geld gegangen wäre, wäre ich übrigens bestimmt bei meinem alten Job geblieben. Der Modemarkt ist schon hart umkämpft.“

Wie macht sich das bemerkbar?
„Wenn ein T-Shirt zu einem Preis von 1,50 Euro zu haben ist, dann hat Mode den Status eines Wegwerfobjekts erreicht. Dies ist nicht unser Weg. Wir produzieren komplett fair. Unsere Kollektionsteile werden in Portugal gefertigt, auch unsere Stoffe stammen aus Portugal. Zudem haben wir hier vor Ort sechs Schneiderinnen im Team, die Muster oder limitierte Editionen produzieren können. Zudem kooperieren wir mit einer Behindertenwerkstatt zusammen, unsere Gürtel werden handgefertigt – von einem 70-jährigen ehemaligen Bergmann. Wenn ich mit Mode großes Geld verdienen wollen würde, müsste ich für die Produktion zum Beispiel nach Asien gehen. Anders ist es sehr, sehr schwierig, auch wenn sich das Nachhaltigkeitsbewusstsein der Endverbraucher allmählich ändert. Wir nutzen Mode letztendlich in erster Linie als Vehikel, um unsere Geschichte zu erzählen. Jeder Mensch auf der Welt beschäftigt sich mit Bekleidung – von dem Augenblick an, an dem er morgens aufsteht und sich für den Tag fertig macht. Dies verstehen wir als Chance, möglichst viele Menschen mit unserer Message zu erreichen, über unsere Bekleidung unsere Geschichte zu erzählen.“

Welche Geschichte meinst du konkret?
„Wir möchten zum Nachdenken anregen. Wo komme ich her, was bedeutet das Ruhrgebiet als Heimat? Kann ich frei nach dem Motto ,Es ist toll, dass ich aus dem Pott komme‘ Stolz entwickeln? Wir wollen Vorurteile aufbrechen. Wir sind deshalb auch an einen der schillerndsten, buntesten Plätze der Welt gegangen, den New Yorker Times Square, und haben dort über einen Flashmob die Geschichte des Ruhrgebiets erzählt. Jeder denkt, das Ruhrgebiet sei grau und dreckig. Dabei stimmt das gar nicht. Das Feedback auf unsere Aktion war jedenfalls wirklich großartig. Amerikaner haben uns gefragt, ob sie einen Textzettel haben könnten, um das Steigerlied mitzusingen. Außerdem waren auf einmal geballt richtig viele Leute vor Ort. Das war schon ein guter Auftakt für die darauffolgende Show.“

Das Grubenhelden Team bei der Flasmob-Aktion auf dem Times Square 

Wie waren die Reaktionen auf euren Auftritt auf dem Laufsteg?
„Wir waren im Fernsehen, im Radio, in der Zeitung. Natürlich haben wir durch unsere Fashionshow mehr Aufmerksamkeit erfahren, nicht nur national, sondern auch international. Auch wenn wir zuvor schon europaweit Kollektionsteile verschickt haben, ebenfalls teils in Richtung Singapur und Japan, so ist dieser Anteil nach der Show noch angestiegen. Gerade aus den USA verzeichnen wir mehr Bestellungen. Bis dato führen wir einen reinen Direktvertrieb. Es gibt sowohl in Gladbeck als auch in Essen einen Store, darüber hinaus verkaufen wir über unseren Online-Shop. In puncto Handelspartner bin ich sehr überlegt, bislang haben wir uns da noch zurückgehalten. Es kommt stark darauf an, wer zu uns passt, ich möchte nicht um jeden Preis in die Masse gehen und so womöglich die Marke kippen. Wir gehen einfach Schritt für Schritt und schauen dann in Ruhe weiter. Mode ist ein schnelllebiges Geschäft. Wir steuern dagegen.“

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Was bedeutet dies?
„Wir sind nicht abhängig von irgendwelchen Trends oder irgendwelchen Farben. Wir sind grundsätzlich mehr in monochromen Tonigkeiten unterwegs, sehr schlicht und geradlinig in unseren Designs. Dabei versuchen wir stets, Historie mit einzubringen – zum Beispiel über Einsätze echter Bergbauhemden in den Kollektionsteilen. Die Bergbauhemden sind neue Originale. Im Rahmen von limitierten Editionen verarbeiten wir auch bereits getragene Hemden. Unsere Range umfasst unter anderem Jacken, Shirts und Hoodies, wir fertigen auch Schlüsselbänder in Kooperation mit einer Behindertenwerkstatt. Dabei achten wir stets auf eine sehr hochwertige Qualität. Wir wollen die Geschichte der Bergleute mit dem nötigen Respekt erzählen. Schließlich geht es um eine Generation von Menschen hier in der Region, die wirklich malocht hat, zum Teil ihr Leben unter Tage lassen musste – für den Wohlstand, den wir heute in Deutschland haben.“

Wie empfindest du die Arbeit mit GRUBENHELDEN?
„Die Arbeit mit GRUBENHELDEN macht mir sehr viel Spaß. Es gibt nichts Schöneres, als wenn aktive oder auch ehemalige Bergleute bei uns im Laden vorbeischauen und sich bedanken. Ich finde es sehr motivierend, dass die Menschen, um die es bei uns geht, unsere Sachen tragen. Sie haben unsere Botschaft verstanden und sehen, dass wir nicht daran interessiert sind, ihre Geschichte zu kommerzialisieren. So haben wir auch echte Bergleute in unsere Show in New York eingebunden. Authentizität ist uns immens wichtig. Mittlerweile gibt es ja weitere Labels, die das Thema Bergbau aufgreifen. Allerdings stehen da nachhaltige Aspekte oftmals weniger im Vordergrund, wir werden teils auch in den Designs kopiert. Letzteren Punkt verstehe ich als Ritterschlag. So oder so haben wir nun eine Ebene erreicht, auf der es mittlerweile eine Herausforderung darstellt, unsere Geschichte weiterzuerzählen.“

Gibt es konkrete Pläne für die Zukunft?
„Ja. Ich habe einen Krankenwagen gekauft, den wir gerade umbauen. Ziel ist es, einen Fashion Truck auf die Straßen zu schicken, das heißt einen rollenden Store. Wir wollen damit auf Tour gehen, auf Festivals und Konzerte. Und auch Regionen besuchen, in denen wir noch nicht so sehr präsent sind. Darüber hinaus setzen wir weiterhin auf unsere Kooperationen mit namhaften Partnern wie BMW MINI, Stauder und Sinalco, es werden auch noch neue Partner mit an Bord kommen. Kreativität ist für uns ein wichtiges Stichwort. Wir sind ein kleines Start-up, machen Mode und produzieren fair. Das bedeutet schon per se, dass kein großes Marketingbudget vorhanden ist. Somit müssen wir über kreative Ansätze und Partner kommen, die uns unterstützen. In unseren Partnerschaften herrscht ein gegenseitiges Geben und Nehmen, das geschieht alles auf Augenhöhe und mit viel Freude an der Arbeit. Unsere Kooperationspartner haben verstanden, worum es uns geht. Dies ist für uns ein bedeutender Faktor. Man darf außerdem auf das Jahr 2020 gespannt sein: Wir arbeiten derzeit an einer Geschichte, die unseren Auftritt in New York womöglich noch toppen wird – mehr will ich zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht dazu verraten.“  

Stichwort Budget – welche Rolle spielt Geld?
„Geld ist mir mittlerweile völlig egal. Das muss ich so deutlich sagen, denn viele Menschen wollen mir das nicht glauben. Aber ich durfte in den vergangenen drei Jahren mit GRUBENHELDEN so viele schöne Dinge erleben, so viele Momente, ich habe tolle Leute kennengelernt – das ist viel mehr wert als Geld. Ich lebe nur einmal und ich habe den Luxus, mir aussuchen zu dürfen, mit wem ich was zusammen mache. Hinzu kommt, dass der Zusammenhalt im Team wirklich großartig ist – eben ganz so, wie es unter Tage üblich war. Vor allem während unserer Zeit in New York war dies ganz deutlich spürbar. Es geht bei GRUBENHELDEN letztendlich nicht ausschließlich um Geschichte, wir stehen auch für bestimmte Werte. Zum Beispiel sind unter Tage alle Menschen schwarz vom Kohlestaub. Es kommt demnach nicht darauf an, woher jemand kommt. Ehrlichkeit und Offenheit sind weitere Maximen.“

www.grubenhelden.de