Der Mönchengladbacher Hosenspezialist Atelier GARDEUR hat bewegte Zeiten hinter sich. Im Dezember 2017 kaufte die familiengeführte Duijndam Gruppe aus den Niederlanden den insolventen Hosenanbieter und Thomas Kültz wurde geschäftsführender Gesellschafter. Im Gespräch mit FT ziehen Kültz und Division Head Menswear, Jörg Weickart, Bilanz. Atelier GARDEUR soll wieder ganz nach oben.
FT: Herr Kültz, Bundesliga oder niederländische Liga, was steht höher im Kurs?
Thomas Kültz: „Oh, beide Ligen stehen bei uns hoch im Kurs! Das hängt immer auch vom Betrachter ab. Steef Duijndam interessiert sich natürlich mehr für den niederländischen Fußball, muss aber damit leben, dass wir das in Gladbach mit der Borussia etwas anders sehen.“
Können Sie kurz zusammenfassen, was seit Dezember 2017 hier in Mönchengladbach passiert ist?
Kültz: „Wir haben Atelier GARDEUR analysiert und neu ausgerichtet. Wir haben die Prozesse verschlankt und uns auf den Kern der Marke konzentriert. Wir konnten den Mitarbeitern eine Zukunft geben.
Wir investieren in das Produkt Atelier GARDEUR, in Qualität, Verarbeitung und in unsere Mitarbeiter. Inzwischen haben wir wieder Personal aufgebaut. In der Beschaffung von Oberstoffen und Zutaten wurde ,jeder Stein umgedreht‘ und an Verbesserungsmöglichkeiten gearbeitet. Vor allem aber mussten wir viel persönliche Überzeugungsarbeit gegenüber unseren Handelskunden leisten. Es läuft wieder: modernes Design, Auslieferung, Serviceorientierung.
Im zurückliegenden Sommer haben wir die Marke MICHÈLE in unser Markenportfolio aufgenommen. Ein weiterer Schritt in Richtung Stärkung des Unternehmens.“
Waren die Stadt oder das Land Nordrhein-Westfalen in den Deal eingebunden?
Kültz: „Nein, dazu bestand gar nicht die Zeit. Dies war aber auch nicht nötig, denn zum einen haben wir ein Unternehmen gesehen, von dessen Zukunftsfähigkeit wir absolut überzeugt sind, und zum anderen hat der Insolvenzverwalter Dr. Biner Bähr exzellent vorbereitet und begleitet. Und was die Finanzierung angeht, stehen wir mit der Duijndam Gruppe auf einem stabilen Fundament.“
Wo steht das Unternehmen heute?
Jörg Weickart: „Wir haben vieles erreicht und freuen uns über das gute Feedback aus dem Handel. Wir werden unseren Weg mit einem guten Produkt und einer guten Partnerschaft weitergehen. In seinen Hoch-Zeiten hat Atelier GARDEUR mehr als 90 Millionen Euro umgesetzt, da wollen wir natürlich wieder hin.
Noch wichtiger als der Umsatz aber ist das Vertrauen in die Berechenbarkeit von Atelier GARDEUR nach außen und innen. Wir liefern wieder zuverlässig aus und versorgen zuverlässig nach. Und wir sprechen über Hosen mit einem guten, absolut wettbewerbsfähigen Preis-Leistungs-Verhältnis. Dies bekommen wir von den Händlern gespiegelt, die mit uns zusammenarbeiten.
Sicher ist der Wettbewerb stark, aber der Markt hat sich auch bereinigt. Wir haben gute Chancen. Unser Produkt hat definitiv Berechtigung am Markt und wird entsprechend angenommen.“
Die Wintersaison war schwierig, wie lief es in der aktuellen Order?
Weickart: „Gut! Wir haben ein zweistelliges Orderplus in den Büchern, wenn auch natürlich auf einem Niveau, das unterhalb früherer Zeiten liegt. Aber wir sind zufrieden. Die Richtung stimmt.“
Damals wurden 66 Leute entlassen, wie sieht es aktuell mit dem Personal aus?
Kültz: „Wir haben wieder Mitarbeiter eingestellt – sowohl am Standort Mönchengladbach als auch in unseren Werken in Tunesien. Die MICHÈLE-Mannschaft ist ebenfalls bei uns in der Alsstraße eingezogen, um die Marke von hier aus authentisch weiterzuführen. Sogar Mitarbeiter, die während der Krise das Unternehmen Atelier GARDEUR verlassen haben, konnten wir mit ihrem Fachwissen und ihrer Kompetenz zurückgewinnen.“
„Wir sind zufrieden. Die Richtung stimmt.
Was ist mit der Vertikalisierung, dem Lieblingsprojekt des ehemaligen Atelier-GARDEUR-Chefs Gerhard Kränzle?
Kültz: „Das ist natürlich für einen Anbieter in unserem Segment eine der Kernkompetenzen überhaupt: die Hose zum richtigen Zeitpunkt und bedarfsgerecht auf der Fläche zu zeigen. Die Fähigkeit, schnell liefern zu können, zeichnet sich unter anderem durch eine gute Zusammenarbeit mit den Oberstoff- und Zutatenlieferanten aus. Sie müssen ebenso verlässlich sein wie unsere internen Prozesse.
Aus Analysen auf der Fläche, aus den Kooperationen mit unseren Key-Kunden und aus unserem NOS-Programm wissen wir recht gut, welche Themen gefragt sind. Wir sind noch nicht ganz bei 100 Prozent Erkenntnis, aber auch nicht mehr allzu weit davon entfernt.“
Wer ist heute von der alten Mannschaft noch da?
Kültz: „Wir freuen uns, dass viele Mitarbeiter, die der Marke und dem Unternehmen schon lange verbunden sind, weiter mit uns zusammenarbeiten.
Wir haben aber auch neue Impulsgeber geholt wie etwa Jörg Weickart und Steffen Topp, die für die HAKA-Kollektion mit ihrem Potenzial die Weiterentwicklung vorantreiben.“
Was ist mit dem Außendienst?
Weickart: „Einige Agenturen im Ausland haben gewechselt. Hier in Deutschland bleiben wir beständig. Die Agenturen rüsten sich für den neuen Weg.“
Wie teilt sich das Geschäft heute auf? Damals lag die Exportquote bei 50 Prozent.
Weickart: „Die Aufteilung Inland und Export ist nach wie vor ausgewogen. Der Exportanteil liegt derzeit bei 53 Prozent.“
Was macht die Womenswear?
Weickart: „Die DOB war von der Krise etwas stärker betroffen als die HAKA. Aber die Ausrichtung der neuen Kollektionen zeigt erfreuliche Zuwachsraten und führt zur Rückgewinnung von wichtigen Partnern.“
Wie sehen Produkt und Preise heute aus?
Kültz: „Wir haben uns auf die Kernpreislagen konzentriert mit Verkaufspreisen zwischen 89 und 99 Euro. In der modischen Spitze gehen wir auch bis zu 129 Euro – dies aber eher, um zu zeigen, was wir können.“
Weickart: „Wir müssen auf die Bedürfnisse unserer Handelskunden eingehen. Während die Großen, mit denen wir die Hälfte unseres Geschäftes machen, eher auf gängige Ware mit guter Passform gehen, können wir bei den Platzhirschen stärker auf modischere Hosen setzen.
Für mich ist die aktuelle Winterkollektion die erste echte Fachhandelskollektion, die wir in neuer Konstellation auf den Markt bringen. Der Markt verändert sich. Während ,Regular Fit‘ weniger nachgefragt wird, gewinnen die schmaleren Silhouetten in ,Modern‘ und ,Slim Fit‘. Wir wollen neue Endkunden gewinnen. Nehmen Sie zum Beispiel unsere ,AirTrip Denim‘. Eine extrem leichte Reisejeans, die mit wenig Volumen im Handgepäck zu verstauen ist. Damit gehen wir auch auf der Fläche in die Kommunikation und ins Storytelling.“
Was sagen die Kunden? Es hieß im Markt, nicht alle seien dabei.
Weickart: „Natürlich haben wir in der Krise Kunden verloren. Aber die großen Key-Kunden wie Galeria Karstadt Kaufhof, SiNN und WÖHRL haben wir für die Neuausrichtung begeistern können. Was uns ebenfalls sehr freut: Auch im Fachhandel gewinnen wir mehr und mehr Terrain zurück in guten Partnerschaften mit BALTZ in Bochum, Hagemeyer in Minden und Braun in Moers. Wir sprechen auch wieder mit Häusern wie HIRMER in München.“
Was ist mit Investitionen, wohin fließt Geld, wo besteht noch aktuell Handlungsbedarf?
Kültz: „Wir investieren zum einen weiter in das Produkt und in die Prozesse. Wir wollen unseren digitalen Auftritt stärken. Da haben wir Nachholbedarf in allen Bereichen: der Weiterentwicklung im Online-Shop, der knapp 4 Prozent unseres Geschäfts ausmacht, in Social Media, aber auch im Wholesale und auf den verschiedenen Marktplätzen.“
„Wir investieren weiter in das Produkt und in die Prozesse.”
Und Werbung?
Kültz: „Zunächst investieren wir in das Produkt und in unsere Partnerschaften. Aber wir feiern nächstes Jahr unser hundertjähriges Bestehen. Das werden wir natürlich auch in der Kommunikation nach außen entsprechend würdigen.“
Gibt es noch eigene Fertigungsbetriebe in Tunesien?
Kültz: „Ja, natürlich. Wir führen die Produktion in Tunesien in drei Werken. Vormals arbeiteten um die 1.000 Menschen dort. Heute sind es wieder 1.500 Mitarbeiter. Unsere Werke fahren erneut im Normalmodus. Wir liegen saisonbedingt bei 70 bis 85 Prozent der Auslastung – haben also noch Potenzial. Wir können wieder bis zu 2 Millionen Hosen jährlich fertigen – auch für Dritte.“
Wie lange Zeit hat Atelier GARDEUR für den Return?
Kültz: „Wir haben Ziele, aber wir haben und nehmen uns Zeit, dahin zu kommen. Wir sprechen ganz sicher nicht von Kurzfristigkeit, sondern von Beständigkeit.“
Wie sieht der Plan B aus?
Kültz: „Welcher Plan B? Wir werden Atelier GARDEUR wieder ganz nach oben bringen.“
Atelier GARDEUR wurde 1920 von Dieter Janssen in Mönchengladbach gegründet. 1959 spezialisierte es sich auf Herrenhosen. Seit 1980 werden auch Damenhosen produziert. Die Gründung des ersten Produktionsbetriebes in Tunesien im Jahr 1974 leitete den Beginn der Auslandsfertigung in eigenen Werken ein. Im Jahre 2000 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 2008 verkauften die Familien Roesner und Janssen alle ihre Atelier-GARDEUR-Anteile an CAPCELLENCE, eine Private-Equity-Tochter der HSH Nordbank. Aus der Atelier GARDEUR AG wurde wieder eine GmbH. 2013 wurde wieder verkauft. Die Kränzle Beteiligungs GmbH erhielt 51 Prozent der Anteile und der NRW.BANK Beteiligungsfonds 49 Prozent. An der Kränzle GmbH waren neben Gerhard Kränzle mit 86 Prozent auch seine Mitgeschäftsführer Schulte-Kellinghaus und Kraft mit je 7 Prozent beteiligt. Schon zuvor ging es mit den Geschäften bergab und der neue Atelier-GARDEUR-Chef sprach offen von einem Sanierungsfall. Nachdem sich das Unternehmen freigestrampelt hatte und für das abgelaufene Geschäftsjahr 2013/14 erstmals wieder nach vier Jahren einen Umsatzzuwachs von 4 Prozent auf 88,4 Millionen Euro verkündete und das EBITDA auf 3,7 Millionen Euro mehr als verdoppelte, meldete der Hosenspezialist im Oktober 2017 Insolvenz an. Mit Wirkung zum Dezember 2017 übernahm die familiengeführte Duijndam Gruppe aus den Niederlanden die Atelier GARDEUR Gruppe und ihre Tochterunternehmen.