Guter Durchblick

Brillen

„Waren den glatten Mainstream leid" alle Bilder ©HESSE & HOLLÄNDER
Autor: Andreas Grüter

Die Brille hat sich in den vergangenen Jahren zum besten Freund lifestyle-beseelter Urban Professionals gemausert. Wie es so weit kommen konnte? Wir haben uns auf Spurensuche begeben.

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Brillenschlange? Wenn es ein Wort gibt, dessen negative Konnotation passé ist, dann dieses. Längst prangt das ehemals verhasste Nasenfahrrad in den Gesichtern der modisch Omniinformierten und wird als Tool zur Unterstreichung persönlicher Stilgenauigkeit eingesetzt. Eine Entwicklung, die in den 1980er-Jahren ihren Anfang nahm. Zwar galt eine ungewöhnliche Brille in Künstler- und Societykreisen durchaus schon vorher als „interessantes Statement“, aber spätestens mit dem Erfolg des Porsche-Carrera-Modells änderte sich dann vieles, wenn nicht gar alles. Sie gilt als die erste Brille, die unter modischen Gesichtspunkten gezielt erfragt wurde, und ebnete damit den Weg von der Sehhilfe zum Lifestyleprodukt. Mittlerweile machen Unternehmen wie etwa der italienische Weltmarktführer LUXOTTICA, zu dem neben Sonnenbrillen-Klassikern wie Ray-Ban auch BURBERRY und PRADA Eyewear gehören, bereits fast die Hälfte ihres Umsatzes mit reinen Fashionprodukten. Ein Phänomen, das auch in der Optikerbranche deutlich Spuren hinterlassen hat. Zwar gibt es sie noch zuhauf, die Brillenverkäufer, deren Läden Arztpraxen gleichen, aber die Zahl der Querdenker, für die Funktion und Stil gleichermaßen zählen, nimmt zu.

Eher Boutique für rare und schöne Dinge

Die Räumlichkeiten von HESSE & HOLLÄNDER in Köln-Ehrenfeld etwa erinnern mit dem rustikalen Dielenboden, den alten Industrielampen und den ausgesuchten Designmöbeln eher an eine Boutique für rare und schöne Dinge denn an einen Augenoptiker. Gut so, findet Co-Inhaber Sebastian Boschhuys: „Ich habe vorher in der Industrie gearbeitet und war den glatten Mainstream leid. Wir sind Optiker mit Leib und Seele, aber wir sind auch Mode-Enthusiasten, und so haben wir mit der Eröffnung unseres Ladens einfach beides verbunden.“ Die Düsseldorfer Dependance, die Anfang 2018 ihre Tore öffnete, geht in Sachen Designfinesse und Lifestyle noch einige Schritte weiter, was nach Ansicht von Boschhuys nur konsequent ist. „Das Thema Lifestyle ist im Brillenbereich präsenter denn je. Die Brille, egal ob mit oder ohne Korrektion, ist heute einfach Teil des Outfits. Und das gilt längst nicht mehr nur für Sonnenbrillen.“

„Brillen, die sowohl hochwertig sind als auch unserem Verständnis von gutem Design entsprechen“ 

Die Zusammenstellung des Sortiments fällt ihm trotz der mittlerweile unüberschaubaren Anzahl von Brillenlabeln auf dem deutschen Markt nicht sonderlich schwer. „Wir haben uns einfach bewusst für schwierige Brillen entschieden, Brillen, die sowohl hochwertig sind als auch unserem Verständnis von gutem Design entsprechen, und haben damit scheinbar den richtigen Nerv getroffen. Seit 2015 bieten wir übrigens auch eigene Entwürfe an.“

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Dass klein, individuell, stilbewusst und inhabergeführt bei den Kunden gut ankommt, ist auch an den Großen der Branche nicht vorbeigegangen. Bereits seit einigen Jahren kaufen deshalb Ketten wie fielmann, Viehoff und HALLMANN traditionsreiche Optikerhäuser auf, lassen sie jedoch als Indie-U-Boote weiter unter ihrem alten Namen firmieren. Und auch der Hörgerätehersteller KIND, der sich seit 2016 im Brillenbusiness engagiert, sprang auf den Zug auf.

Dass das Optikerbusiness auch für Hersteller von Lifestylebrillen interessant sein kann, beweist die Kölner Holzbrillenschmiede KERBHOLZ. Ursprünglich auf Sonnenbrillen spezialisiert, hat man das Segment nicht nur um Uhren und Schmuck, sondern seit 2015 auch um optische Brillen erweitert. Allerdings mache das Geschäft mit optischen Brillen nur rund 10 Prozent aus, erzählt Moritz Blees, einer der Gründer. „Prinzipiell ist der Optikermarkt natürlich von Interesse, auch weil er noch relativ wenig vom Internethandel durchdrungen ist. Allerdings stehen die Optiker bereits durch Unternehmen wie ace & tate, VIU und wie sie alle heißen unter Druck. Für uns als Lifestylemarke ist es schwierig, da einzusteigen. Unsere anderen Produkte bei Optikern zu platzieren, hat nur sehr selten funktioniert.“

www.hesseundhollaender.de