Autor: Markus Oess
Für Amesh Wijesekera, Designtalent aus Sri Lanka, war es der erste Trip nach Berlin. Er konnte seine Herbst/Winter-2019-Kollektion auf Einladung von Mercedes-Benz auf dem Runway der MBFW Berlin präsentieren. Die Show war Teil des Programms zur Nachwuchsförderung des Automobilherstellers, das der Autokonzern im Rahmen seines Fashion-Engagements vor zehn Jahren aus der Taufe hob. Für Bettina Haussmann, Head of Branded Entertainment bei Mercedes-Benz, hat sich die Szene zusehends professionalisiert. Das eigene International Designer Exchange Program zur Nachwuchsförderung habe sich in dieser Dekade zu weit mehr entwickelt. Ein neuer Name soll das verdeutlichen.
FT: Frau Haussmann, Mercedes-Benz engagiert sich seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Fashion. Seit zehn Jahren fördern Sie mit dem Mercedes-Benz International Designer Exchange Program, das sich nun Mercedes-Benz Fashion Talents nennt, den Design-Nachwuchs. Was hat sich seit 2009 geändert?
Bettina Haussmann: „Anfangs waren wir eher punktuell präsent. Uns ging es darum, die speziellen Bedürfnisse der Design-Talente zu erkennen und sie auf ihrem Weg zu unterstützen. Uns war schnell klar, dass jeden Designer ein Auftritt auf einer internationalen Plattform einen großen Schritt weiterbringt. Also haben wir uns darum bemüht, vielversprechenden Talenten einen Platz in den Schauenkalendern zu sichern und ihnen damit Türen zu öffnen. Wir übernehmen dabei die Kosten für Konzeption, Produktion und Umsetzung und stehen den Designern bei Gestaltung, Marketing und Pressearbeit zur Seite. Heute verstehen wir natürlich sehr viel besser, worum es geht. Wir sind international engmaschig vernetzt und arbeiten auf vielen Ebenen mit den Machern der internationalen Modewelt zusammen. Schon lange sind wir Bestandteil einer Modewelt, die sich immer umfassender professionalisiert, und unsere Designerunterstützung ist stetig weitergewachsen und vielschichtiger geworden, genau wie unser Mercedes-Benz Fashion-Talents-Programm. Es ist heute weit mehr als nur ein Austauschprogramm auf unseren internationalen Modeplattformen und wir binden inzwischen auch andere Initiativen mit ein, wie etwa das Festival für Mode und Fotografie in Hyères, den International Fashion Showcase in London oder den Fashion Council Germany, bei dem wir seit 2017 Mitglied sind. Aus diesem Grund haben wir uns auch entschlossen, das Programm in Mercedes-Benz Fashion Talents umzubenennen.“
Wie hat sich die Branche in diesen zehn Jahren verändert?
„Fashion ist eine überaus lebendige Branche, in der viel passiert, Sie treffen auf junge Konzepte und Zielgruppen. Die Menschen sind heute sehr viel vernetzter und ständig online. Mit der Digitalisierung verändern sich die Rahmenbedingungen der Branche dramatisch. Die Welt wächst auch in der Mode zusammen und das Tempo hat wie in vielen anderen Branchen zugenommen. Aber die Funktionsweise von Fashion selbst ändert sich nicht.“
Was ist in diesem Jahr zum Zehnjährigen geplant?
„Die Ausstellung hier in Berlin, bei der wir noch einmal ausgewählte Arbeiten von den durch uns geförderten Designern Julia Seemann, Wataru Tominaga und Steven Tai zeigen, ist nur der Auftakt zu vielen Aktionen und Initiativen in diesem Jahr. Im Februar präsentieren wir auf der London Fashion Week zehn Designer aus unserem Alumni-Netzwerk. Ebenfalls fest steht der Austausch zweier Modeschöpfer zwischen den Plattformen MBFW Madrid und MBFW Prag. Darüber hinaus arbeiten wir an weiteren Shows, Kooperationen und Partnerschaften.“
Direkt nach der Show eröffnete die Mercedes-Managerin besagte Ausstellung, die repräsentativ für die über 90 seit 2009 unterstützten Designer ausgewählte Kreationen von Julia Seemann, Steven Tai und Wataru Tominaga zeigte. Der Autobauer Mercedes-Benz ist schon seit 24 Jahren in der Fashionindustrie als Titelsponsor von ausgesuchten Modewochen und -events unterwegs. Derzeit sind es 80 Modeveranstaltungen in über 40 Ländern. Die Marke ist auch Titelsponsor von Fashion Weeks in Städten wie Sydney, Mexico City, Madrid, Tiflis und Berlin. Auch kooperiert Mercedes-Benz mit dem International Festival of Fashion, Photography and Fashion Accessories in Hyères. Darüber hinaus sind die Schwaben seit 2017 Mitglied des Fashion Council Germany (FCG) und seit 2018 Mitglied im German Fashion Designers Federation e.V. (GFDF).
Der Konzern will sein Engagement weiter ausbauen, wie es in einer Mitteilung heißt: „Durch das langjährige Engagement in der Modeindustrie und als Titelsponsor unterschiedlichster Plattformen verfügt Mercedes-Benz über den Zugang zu wichtigen Modeevents weltweit. Grundprinzip des Mercedes-Benz Fashion-Talents-Programms ist es, Designer im Austausch in den Märkten zu präsentieren und dadurch auch die Vielfalt zu fördern. Ab 2019 wird es noch weiter greifen als bisher und auch Kooperationen mit Modeschulen, Organisationen und Medienhäusern umfassen.“ Zudem sollen die Unterstützung von Designern in ihren Heimatländern sowie die langfristige Zusammenarbeit mit einzelnen Labels vorangetrieben werden.
Zwischen den Welten
Amesh Wijesekera wurde in London geboren und wuchs in Sri Lanka auf. Der in London lebende Designer ist Absolvent der Academy of Design Sri Lanka. 2016 gewann er den International Catwalk Competition Award der Graduate Fashion Week in London. Außerdem wurde er 2015 bei den Mercedes-Benz Fashion and Apparel Awards in Sri Lanka ausgezeichnet. Wijesekeras Kollektion Herbst/Winter 2019/20 ist von seinen sri-lankischen Wurzeln und seinem Wandern zwischen seiner europäischen Geburtsstadt und seiner Heimat im Indischen Ozean inspiriert. Der Designer schneidert bewusst eine Unisex-Kollektion.
FT: Amesh, warum hast du dich für Modedesign entschieden, war es dein Traumjob, Fashion zu designen?
Amesh Wijesekera:„Nein, gar nicht. Ich wurde in London geboren, bin aber in Sri Lanka in einem liberalen Elternhaus aufgewachsen. Meine Mutter und mein Vater sind beide Anwälte. Mein Vater war auch ein recht erfolgreicher Badmintonspieler. Er war immerhin Landesmeister. Meine Mutter ist von den beiden die Kreative. Es gibt eigentlich nicht wirklich viele Möglichkeiten, einen Beruf in der Kreativbranche zu ergreifen. In meinem Kulturkreis werden viele Juristen, Ingenieure, Buchhalter etc., aber das wollte ich nicht. Mir war klar, dass ich gestalten wollte. Also ging ich auf die Academy of Design (AOD) in Colombo. Anfangs bist du dort nicht festgelegt. Der Lehrplan ist sehr breit gefächert und bietet eine umfangreiche Palette von Möglichkeiten, um andere kreative Wege zu gehen, wie beispielsweise im Studiengang Innenausstattung oder Grafikdesign. Ich machte dann meinen Bachelor of Arts (Honours) Degree in Fashion & Textile Design. Zum Modedesign bin ich schrittweise gekommen. Heute ist es meine Welt, ich liebe es, mich mit Formen und Farben auszudrücken, und darüber hinaus die Menschen, mit denen ich arbeiten darf.“
Du lebst abwechselnd in London und in Sri Lanka, wo bestehen zwischen den beiden Ländern modisch die größten Unterschiede?
„In London können sich die Menschen mit der Mode einfacher ausdrücken, es gibt weniger Tabus und ein Gefühl von Freiheit. Die Looks sind individueller, voller Persönlichkeit. In Sri Lanka geht es vor allem außerhalb von Colombo modisch bescheidener und einfacher zu. Die Gesellschaft ist konservativ. Hose, Hemd und Krawatte. Wer von diesem Dresscode abweicht, wird zumindest schräg angesehen. Aber die Gesellschaft beginnt, sich langsam zu öffnen. Daneben gibt es aber noch die traditionelle Kleidung, die mich sehr inspiriert! Sie ist üppig, lebensfroh und farbenprächtig. Ich führe beide Modewelten, die westliche und die traditionelle Handwerkskunst Sri Lankas, zusammen und schaffe damit eine ganz neuartige Verbindung.“
Gibt es auch Gemeinsamkeiten zwischen der Mode Sri Lankas und Londons?
„Zumindest bin ich die Gemeinsamkeit, denn ich führe beide Welten zusammen. Meine aktuelle Kollektion mischt Hightech Fashion und traditionelle Handwerkskunst. Meine Stoffe strahlen die psychedelische Energie und die mythische Natur Sri Lankas aus. Ich arbeite mit Grobstrick und gemusterten Stoffen in kräftigen Farben wie Rot, Magenta, Gold, Orange, Gelb, Lindgrün und Azurblau. Sri Lanka hat nur eine Jahreszeit, den ewigen Sommer. Daher dominieren Frühlings-/Sommer- und Resort-/Abendmode den Markt. London kennt alle Jahreszeiten, es ist etwas chaotisch und vom kreativen und wirtschaftlichen Gesichtspunkt her vielfältiger. Amesh ist eine geschlechtsneutrale Marke.“
Wie bist du an Mercedes-Benz gekommen?
„Mercedes-Benz hat vor zwei Jahren die erste internationale Fashion Week Sri Lankas gesponsert und es gab auch den Nachwuchswettbewerb im Rahmen der Mercedes-Benz Fashion Talents, der zu der Zeit noch International Designer Exchange Program hieß und über die AOD lief. Den habe ich dann gewonnen und heute konnte ich einem internationalen Publikum meine erste Kollektion präsentieren. Eine aufregende Zeit.“
Glaubst du, Mode ist eine universelle Sprache, die alle Menschen auf der Welt verstehen?
„Unbedingt! Jeder Mensch hat die Chance, Kleidung als eine Ausdrucksweise seiner Emotionen und Geschichte zu nutzen. Es ist eine inverse Sprache, die Zugang zu allem hat.“
Wie geht es jetzt weiter?
„Es steht jetzt noch die London Fashion Week an, wo ich meine Kollektion auf der International Fashion Showcase im Somerset House in Partnerschaft mit dem British Fashion Council, British Council und dem London College of Fashion präsentiere. Ich liebe meine Heimat. Nicht ohne Grund ist Sri Lanka eine der Top-Urlaubsdestinationen Asiens. Doch was Fashion angeht, befinden wir uns in einem frühen, aber aufregenden Stadium. Das wollen wir ändern. Ich habe meine Kollektion gänzlich in Sri Lanka angefertigt, in Zusammenarbeit mit erfahrenen Handwerkern und Produzenten. Ich bin offen für weitere Möglichkeiten und Kooperationen, während ich an meinem Modegeschäft arbeite. Für uns ist die Förderung über Mercedes-Benz Fashion Talents eine Riesenchance.“