Autor: Markus Oess
Mike Alsdorf ist der deutsche Vertriebschef und inzwischen Mitgesellschafter von BERTONI. In Kürze wird er Geschäftsführer der deutschen Vertriebsgesellschaft, die den Inlandsmarkt betreuen soll. Die selbst gesteckten Ziele wurden noch nicht ganz erreicht, aber im Handel wird das dänische Label positiv besprochen. Jetzt will BERTONI die Ausrichtung auf den deutschen Markt noch klarer formulieren und legt sich darauf fest. Wir haben Alsdorf, der Ende 2013 zu dem Label stieß, und Klavs Breckling, Mitgesellschafter und Sohn des Firmengründers, im dänischen Aarhus, dem Firmensitz, getroffen. Was das Skandi-Label auf dem deutschen Markt plant und warum eine deutsche Tochterfirma so wichtig für das Unternehmen ist.
FT: Klavs, hat sich dein Deutsch in der Zwischenzeit verbessert oder hat Mike Dänisch gelernt?
Klavs: „Ich liebe die deutsche Sprache. Um ehrlich zu sein, verstehe ich vergleichsweise viel, aber mit dem Sprechen hapert es immer noch. Ich mag auch die deutsche Mentalität, die Art, wie die Deutschen an die Dinge herangehen. Vor allem aber ist Deutschland für Europa ein enorm wichtiges Land. Vielleicht sollte ich mal einen Deutschkurs belegen?“
Mike: „Mittlerweile verstehe ich einiges bei den Meetings. Aber mit der Zungenakrobatik kann ich nichts anfangen. Wir haben uns auf Englisch geeinigt.“
BERTONI ist diesmal mit einer komplett neuen Strategie den deutschen Markt angegangen, nachdem der erste Versuch gründlich danebenging. Jetzt setzt BERTONI auf den Wholesale. Mindestens 100 Türen waren das Ziel. Mission completed?
Klavs: „Wir hatten zum Start und auch in den folgenden Monaten wirklich sehr positive Signale aus dem Handel erhalten, sodass das Ziel realistisch für uns war. Wir haben Stand heute 80 Türen und rund 50 Händler, kleinere wie JUST FOR THE BOYS in Berlin oder HEFFTERS in Limburg, FÜRNKRANZ in Bonn, aber auch große Häuser wie P&C Düsseldorf oder WORMLAND. Wir werden bis Ende des Jahres noch ein paar Türen dazugewinnen. Sehr viel Freude macht auch unser erster BERTONI-Partner-Store in Krefeld. Mit unserem langjährigen Kunden vor Ort, Schinke Couture männersache & frauenzimmer, Wolfgang Schinke und Alexander Werner, haben wir eine attraktive BERTONI-Welt geschaffen, die sehr gut angenommen wurde.“
Mike: „Wir kommen nah an unsere Ziele heran. Leider ist der Handel in Deutschland immer noch sehr vorsichtig, wenn es darum geht, Neues zu testen, ganz gleich, wie groß die Erfolgsaussichten sind. Wir haben ein Top-Produkt und wir haben den richtigen Service dazu, gerade für die Platzhirsche. Die ganz Großen geben uns zusehends mehr Flächen, während andere noch abwarten. Aber ich bin sicher, der Knoten wird platzen. Zugegebenermaßen macht aber auch die Konkurrenz keinen schlechten Job. Wer aber eine Marke sucht, die nicht überall liegt, modisch auf dem Punkt ist und mit Superstretch einen unverwechselbaren USP bietet, wird zwangsläufig bei uns landen.“
Wie viele Kunden habt Ihr außerhalb NRWs?
Mike:„Wenn wir das internationale Geschäft dazurechnen, ist es gut die Hälfte. Aber wie gesagt, wir sind nicht mehr weit vom Durchbruch entfernt.“
Seid ihr zufrieden mit den Umsätzen? Ihr wolltet das Volumen spürbar steigern.
Klavs: „Wir haben zwar nicht ganz so viele Händler für uns gewinnen können, wie wir anfangs geplant hatten. Aber wir haben mit jedem Kunden den Umsatz deutlich gesteigert. Ich denke, das ist ein sehr guter Beginn.“
Mike: „Der Reinverkauf ist um 263 Prozent gestiegen, der Rausverkauf um 270 Prozent. Noch glücklicher sind wir mit dem Warenumschlag. Ein LUG von 3,3 kann sich sehen lassen.“
Wie läuft es mit dem Verkaufsteam? Ihr wolltet da schon einen Schritt weiter sein.
Mike: „Wir wollen ein eigenes Team aufbauen. Aber im Augenblick ist der Arbeitsmarkt leer gefegt. Es ist nicht einfach, gute Leute zu finden. Vor allem dann, wenn du noch Aufbauarbeit leisten musst. Ich habe mit vielen Kollegen, aber auch Händlern gesprochen, die vor dem gleichen Problem stehen, gute Leute zu finden.“
Klavs: „Wir suchen Mitarbeiter, die für die Marke brennen. Wir müssen Geduld haben.“
Mike: „Noch ist BERTONI Deutschland eine One-Man-Show. Aber das wird sich in naher Zukunft ändern. Wir haben ein klares strategisches Bekenntnis zum deutschen Markt formuliert.“
Klavs: „Wir werden eine deutsche Vertriebsgesellschaft, Bertoni GmbH, für die DACH-Region mit Mike an der Spitze gründen und den Markt systematisch angehen. Von NRW aus werden wir eine schlagkräftige Vertriebsmannschaft aufbauen, sonst werden wir eine breite, bundesweite Präsenz nicht schaffen.“
Deutschland wird zur Blaupause auch für andere Länder?
Mike: „Genau, BERTONI Deutschland wird sich um die DACH-Region kümmern und einen eigenen Sales-Service mit einem starken Außendienst aufbauen. Deutschland wird damit zur Blaupause für andere Märkte, wenn wir uns entscheiden, ein anderes Land anzugehen. Ich werde mich als Geschäftsführer ganz gezielt um die Expansion kümmern. Neben Klavs und einem weiteren Investor bin ich selbst am Unternehmen beteiligt. Business is local. Wer in Deutschland Erfolg haben will, muss den Finger am Puls haben mit einer eigenen Unit. Das ist der Grundgedanke, der für jedes Land gilt.“
Verstanden, aber wie sieht es mit dem Profit in Deutschland aus?
Klavs: „Der Profit in Deutschland ist niedriger als in Dänemark. Aber wir schreiben deutlich schwarze Zahlen. Da wir jedoch fest an Deutschland glauben, werden wir viel investieren. Dies bedingt, dass der Profit in den Hintergrund treten wird. Tatsache ist, dass wir in der ganzen Zeit nur einen Kunden in Deutschland verloren haben und dieser hatte sich vom Markt verabschiedet. Wir wollen die nächste Stufe erreichen.“
Der deutsche Markt hat also strategisch an Bedeutung gewonnen. Was heißt das nun für BERTONI?
Klavs: „Wir haben Deutschland gewissermaßen in die Mitte unserer Planungen gestellt. Das hat viele Konsequenzen. So haben wir speziell für den deutschen Markt die Pre-Kollektion –Drop 1 – nach vorne gezogen, um zu einem frühen Zeitpunkt der neuen Saison ein neues Warenbild bieten zu können und die ganzen Hochzeiten und Abschlussbälle im Frühsommer mitnehmen zu können. Wir haben unsere Arbeitsweise an den deutschen Markt angepasst, weil wir wissen: Wenn es in Deutschland funktioniert, klappt es überall.“
Mike:„Das heißt, dass Deutschland im Fokus bei BERTONI steht. Wir haben aber auch aus dem eigenen Retail viele Inputs und Erkenntnisse gewonnen, nicht zuletzt auch modisch, die in unsere Arbeit einfließen.“
Mike sitzt mit am Tisch, wenn die Kollektionen besprochen werden. Was hat sich seither geändert?
Klavs: „Mike hat den direkten Input vom deutschen Markt. Er weiß aus erster Hand, was gut läuft und was weniger gut. Aber er ist kein Head of Design. Mike berät und sein Ratschlag wird gern angenommen. Aber für das Design bleibt unser Team verantwortlich.“
Mike: „Das muss auch so sein. Kreative Freiheit ist der Motor unserer Kollektionen. Aber nicht als Selbstzweck. Direkter Input vom Verbraucher ist uns genauso wichtig. Gerade auch aus unserem eigenen Retail in Dänemark und Norwegen bekommen wir wertvolle Rückmeldungen. Dort haben wir zum Beispiel den Durchschnittsbon um sehr beachtliche 30 Euro pro Kunde steigern können. Das ist mehr als bei unseren Handelskunden.“
Mike kümmert sich als Geschäftsführer um die DACH-Region. Sind schon andere Länder konkret angedacht, Polen etwa oder Tschechien, die von Deutschland aus angegangen werden?
Klavs „Im Augenblick haben wir auch in Österreich und der Schweiz noch Aufbauarbeit vor uns, um die sich Mike kümmern wird. Aber es ist natürlich einfacher, die Fühler nach Polen oder Tschechien von Deutschland aus auszufahren. Andererseits haben wir hier in Aarhus auch sehr viel Exporterfahrung und wissen sehr genau, wie das Geschäft funktioniert.“
Mike: „Wir fokussieren uns zunächst auf die DACH-Region und das wollen wir vernünftig machen.“
JOOP! zieht es zur kommenden Saison auf die Pitti. Ist das auch ein Thema für BERTONI
Klavs: „Natürlich haben wir die Pitti auf dem Schirm. Aber einen Schritt nach dem anderen. Wir wollen nicht um jeden Preis dahin. Wenn wir Flagge zeigen, dann in einem passenden Rahmen. Wir bekennen uns aber auch eindeutig zu Berlin. Wir sind mit der Plattform, die uns die PREMIUM bietet, sehr zufrieden.
Design-Statements: Frauen sind anders
Die Designerin Anne Karstoft Møller steht für den Look von BERTONI, für die modische DNA des Labels. Bevor sie zu diesem kam, entwarf die Designerin DOB und brachte ihre Erfahrungen ein. BERTONI hat durch ihre Arbeit eine ganz eigene Handschrift erhalten. Smart, urban, lässig, manchmal bunt und vor allem stretchy: „Ich designe schon seit fast 20 Jahren für BERTONI und wenn Sie so wollen, habe ich den Look mitgeprägt, denn was mich von der klassischen Menswear unterscheidet, ist die Tatsache, dass ich zuvor für Frauen designt habe. Bunter, offener und mit einer gewissen Bereitschaft zu experimentieren. Frauen sind für die Menswear nicht die besseren Designerinnen, aber sie haben den unbestrittenen Vorteil, dass sie Abstand nehmen können und die Kollektion gewissermaßen von außen betrachten. Das habe ich auf die Menswear von BERTONI übertragen. Wir haben keine Denkverbote und probieren einfach aus“, sagt die Design-Chefin.
Den Händlern gefällts. „Auch wenn die Schnitte zumindest oben etwas weiter werden, ist der enge Schnitt bei den Männern immer noch der Renner. Superstretch, schmale Passformen und auch mal coole Dessinierungen. Die Kombination kommt in Deutschland an. Vor allem spricht die Preis-Leistung auch junge Käufer an, die sich mal etwas leisten wollen“,sagt Joel Verwimp von JUST FOR THE BOYS in Berlin. Ähnlich äußert sich auch Frank Heffter aus Limburg. Er sagt: „Dank Superstretch und Baukasten passt BERTONI immer.“ Aber auch modisch ließen sich die Teile frei kombinieren. „Unsere Kunden mögen das. Das Design ist frisch und trifft wirklich den Nerv jener, die sich mal gern abseits des üblichen Mainstreams kleiden wollen. Auch Strick haben wir viel besser abverkauft als gedacht.“
Anne Karstoft Møller und Louise Lindvald, die seit nicht ganz einem Jahr an Bord ist, verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz und lassen sich von der Welt in all ihrer Vielfalt inspirieren. „Haben wir dann einen guten Weg gefunden, gehen wir weiter, voller Spannung, auf was wir unterwegs treffen werden“, sagt Anne. Superstretch ist tatsächlich noch gar nicht so alt. Erst vor gut dreieinhalb Jahren ist BERTONI darauf eingeschwenkt, „einfach, weil wir erkannt haben, welch fantastische Perspektiven uns dieser Ansatz für die Schnittführung und Gesamtkomposition der Marke eröffnet“, erklärt Anne.
Auch Louise hat zuvor für die DOB designt und ist eine Verbündete Annes im Geiste hinsichtlich des Designs. „Der ganzheitliche Ansatz und die Offenheit für alle Impulse eröffnen erst ein Tor zur Kollektion“, betont sie. „Wir haben einen roten Faden in der kommenden Kollektion, der sich durch alle Liefertermine zieht. Wir achten sehr bewusst darauf, dass sich alle Teile kombinieren lassen, ganz egal wie modisch sie sind oder nicht.“ In der kommenden Kollektion werden die Formen oben softer, relaxter. Die Taille der Hose wandert etwas nach oben. Rot und Braun bestimmen das Farbbild. Superstretch überstrahlt auch weiterhin alles. Die wichtigste Stoffmesse sei inzwischen die MUNICH FABRIC START. Keine Messe zeige zu einem so frühen Zeitpunkt zuverlässig, wohin die Reise gehe, sind die beiden überzeugt.