Avanti, avanti!

Editorial

Markus Oess ©FT

„Deutschland bewegt sich!“ – zugegeben, der Claim der Barmer Ersatzkasse, die damit ihre Gesundheitsinitiative übertitelt, ist nicht sonderlich originell und ihr Ziel ist es auch nicht, damit zusätzliche Abverkäufe zu generieren. Aber der Claim drückt aus, worauf Mode- und Sportartikelanbieter gleichermaßen bauen. Die Mode wird sportlicher und der Sport modischerund beide Branchen entdecken viele Gemeinsamkeiten, die inzwischen zu einer Konkurrenzsituation geführt haben. Labels wie adidas und Nike erheben sich und damit den Sport zum Lifestyle. Umgekehrt greifen Modelabels den Trend in ihren Kollektionen auf, werblich sowieso. Das gilt aber auch und besonders für die Funktion. ALPHATAURI will mit innovativen Produktentwicklungen nach vorn kommen und auch auf der ISPO wird Funktion natürlich großgeschrieben. Aber so schlecht ist das nicht, wenn sich Deutschland bewegt und mit dem Land die Branche. Wachstumschancen kann die Textilsparte durchaus gebrauchen, sie sollte sie nur auch nutzen. Dabei kommt es gar nicht so sehr darauf an, ob das betreffende Label, in diesem Fall CG CLUB of GENTS und CARL GROSS, im modernen oder eher im klassischen Genre angesiedelt ist oder nicht. Auch hier gehen Beweglichkeit vor Größe und Herkunft, Anpassungsfähigkeit vor Markenstärke, denn beide bedingen einander. Und Beweglichkeit sollte nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden.

WERBUNG

Chancen liegen gelassen haben viele Händler, Hersteller und die Lokalpolitik. Chancen, ihren Standort so attraktiv zu halten, dass die Menschen, die dort wohnen, sich gern dort aufhalten und nicht mehr nur die Wahl zwischen Handyläden und mehr oder weniger langweiligen Cafés haben. Sicher wäre es verkürzt, die Ursachen auf die drei Kräfte im Kampf um den Konsum zu beschränken, aber ganz aus der Verantwortung lassen kann man sie auch nicht. Gute Händler und Hersteller sind für spannende Läden verantwortlich, die Lokalpolitik für gute Rahmenbedingungen. In einem Kooperationsprojekt von StadtBauKultur NRW mit der Stadt Oberhausen und weiteren Partnern ist ein „Supermarkt der Ideen“ entstanden. Künstler, Kreative und Bürger erhalten damit eine Plattform, um gemeinsam an der Wiederbelebung der Innenstadt zu feilen. Eine gute Sache, zumal sich inzwischen auch die Schwächen des Online-Handels offenbaren und Händler dem digitalen Geschäft den Rücken kehren. In einem gesunden Umfeld können dann Handwerksläden existieren, die das mit einem Stück Lokalkolorit und Exotik auf den Standort einzahlen. Wer hätte gedacht, dass man hierzulande noch von echtem Schneiderhandwerk leben und sogar Kilts verkaufen kann? Sicher wird das Geschäftsmodell nicht an jedem Standort funktionieren, aber das muss es auch nicht. Wichtiger ist der Beweis, dass die meisten Standorte funktionieren, solange das Konzept stimmt. Die Fähigkeit, Veränderungen anzunehmen, sich zu öffnen, ist entscheidend für die Gestaltung der Zukunft. Anders wird man zu ihrem Spielball der Kräfte.

Mehr Beweglichkeit ist auch in der Ökologie wünschenswert. Baumwolle ist ein Naturstoff, den die Menschen gern auf ihrer Haut tragen. Aber sie hat mit dem Vorurteil zu kämpfen, mit hohem Wasserverbrauch und mittlerweile auch gern mit gentechnisch veränderten Samen produziert, immer noch unter fragwürdigen Bedingungen weiterverarbeitet zu werden. Dass es auch anders geht, zeigen viele Ökolabels. Der Naturschutzbund ist Partner von cotonea und beim Projekt Cotton made in Africa. Das Projekt fördert die Umstellung von herkömmlicher auf eine nachhaltige Biobaumwollproduktion und baut zusammen mit Unternehmen wie der otto group eine internationale Einheit von Unternehmen auf, die sich zur Verwendung von Baumwolle aus Afrika verpflichten und damit den Bauern vor Ort eine gesicherte Abnahme garantieren. Es geht also auch anders. Schön, wenn sich Deutschland bewegt.

Ihr

Markus Oess