Autor: Markus Oess
Seit gut zwei Jahren ist Jan Mangold nun Chef der HOLY-Marke windsor. Das Label, sagt Mangold, stehe sauber da und könne nun die Schlagzahl in der Region DACH, aber auch in Russland und Frankreich erhöhen. Der windsor.-Chef zieht im FT-Interview Bilanz und erklärt, wie er das Label in die Zukunft führen will. Dabei zeigt sich: Nicht überall muss ein berühmter Name von Vorteil sein.
FT: Herr Mangold, wussten Sie, dass es auch eine Automarke und einen britischen Bomber mit dem Namen Windsor gab?
Jan Mangold: „Die Automarke kenne ich. Der britische Bomber ist mir neu. Ich weiß, dass da draußen einige markenrechtliche Verwechslungsgefahren lauern. Deswegen führen wir auch immer wieder Gespräche mit unseren Anwälten. Interessanterweise haben wir auch für Großbritannien die Markenrechte. Dort machen wir aber in den Social Media keine Schnitte, weil eine Familie alles andere überstrahlt. Dafür erhalten wir aus den USA immer wieder mal Beschwerden wegen schlechter Qualität. In den Staaten verkauft ein Anbieter unter ,Windsor‘ Dresses, mit dem wir überhaupt nichts zu tun haben. Es ist nicht immer einfach.“
Sie sollten den Wikipedia-Eintrag aktualisieren. Dort steht, windsor. habe bis 2005 auch Menswear produziert …
„Das war auch eines der ersten Dinge, die ich noch in meinem Bewerbungsgespräch angesprochen habe. Da geht es um windsor. Bielefeld. Das ist echt lästig! Allerdings dürfen wir den Eintrag über windsor. nicht einfach so korrigieren.“
Wie kommt der waschbare Anzug an – erwarten die Männer bei dem Preis nicht gerade ein Produkt, das besonders gepflegt werden will, so wie die Mahagoniboote von Riva?
„Wir sind weniger das Mahagoniboot, eher das edle SUV. Der Anzug sieht gut aus und ist waschbar. Trotzdem geben die Leute ihn in die Reinigung. Die Endkunden kaufen ihn, weil er gut aussieht. Die Tatsache, dass er waschbar ist, ist da ein Add-on. Die wenigsten SUV-Fahrer sind ja auch im Gelände unterwegs. Der Anzug ist jetzt auf der Fläche und wird zum ersten Mal rausverkauft. Bis September haben wir eine Abverkaufsquote von 50 Prozent. Damit kannst du mehr als zufrieden sein. Er ist eben ein geiles Produkt. Travel ist ein wunderbares Thema und funktioniert nicht nur in der Vororder, sondern auch im Store.“
Was bedeutet Innovation für ein Label, das doch eher eine klassische Attitüde für sich beansprucht?
„Das ist ja kein Widerspruch. Wir kommen von der Konfektion. Das ist unsere DNA. Wenn wir Neues auf den Markt bringen, wird es immer windsor.-like sein. Wir sind ja auch nicht die Einzigen, die einen waschbaren Anzug produzieren, aber unser Produkt ist unverwechselbar mit der Marke verwoben. So arbeiten wir derzeit an einem gestrickten Sneaker, der zum Anzug genauso gut passt wie zur Jeans. Wir transportieren die modische Klassik ins Smart Tailoring. Innovation ist für uns weniger eine technische Angelegenheit, sondern die Haltung, mit der wir an die Sache herangehen.“
Was wird da in absehbarer Zeit noch kommen?
„Wir bauen das Travel-System kontinuierlich aus, ohne gleich inflationär zu werden. Wir haben den waschbaren Anzug Herbst/Winter 2018/19 eingeführt. Für Frühjahr/Sommer haben wir dann zusätzliche Produktgruppen wie Polos und Hemden aus waschbarer Wolle dazugenommen, ebenso einen leichten Blouson und einen Mantel. Wir wollen das Leben unterwegs erleichtern. Die Nachfrage ist da – Travel-Ware zählt zu unseren meistverkauften Produkten und nebenbei erhöhen wir den Durchschnittsbon spürbar. So kostet der Anzug im VK 1.100 Euro. Jetzt haben wir im Sommer mit einer preisgünstigeren Variante mit einem VK von 699 Euro nachgezogen. Damit haben wir im Wholesale Premium- und Luxus-Händler erreicht.“
Wichtiger ist aber die Mode – was nicht gefällt, wird nicht gekauft …
„Absolut richtig. Deswegen heben wir auf die Mode und nicht auf die Funktion ab, die zählt auf den zweiten Blick.“
Sie sind jetzt zwei Jahre da, wo steht das Label heute?
„Ich bin ja nicht allein. Das, wofür windsor. heute steht, haben wir im Team erreicht. Grundsätzlich steht windsor. sauber da. Wir sind im deutschsprachigen Markt extrem gut distribuiert. Wir haben einen ausgewogenen Mix von Mens- und Womenswear und stehen auch vertrieblich auf festen Füßen. Die Kräfteverhältnisse von Wholesale und eigenem Retail passen und wir achten genau darauf, wohin die Zweitvermarktung geht. Für windsor. ist der Rotstiftpreis kein virulentes Problem. Jetzt diversifizieren wir in die Produktgruppen hinein, um die Abhängigkeit von Sakkos, Anzügen und Mänteln zu verringern, und achten dabei gleichzeitig auf den Werterhalt der Marke. Auf dieser gesunden Basis wollen wir kontinuierlich und kraftvoll in allen Vertriebskanälen wachsen und die Marke mit zeitgemäßen Inhalten aufladen. Damit spreche ich drei Punkte an: die behutsame Weiterentwicklung der Kollektion, verstärktes Marketing und Excellence in Execution im Daily Business. Wir machen einen Schritt nach dem anderen und greifen nicht gleich nach der Weltherrschaft.“
Wie sehen zumindest mittelfristig die Wachstumspläne auf dem deutschsprachigen Markt aus?
„Wir wachsen bei den Damen und Herren gegen den Markttrend und haben aufgelaufen laut hachmeister+partner ein Plus von 12 Prozent eingefahren. Dieses Tempo wollen wir beibehalten. Wir wollen in der DACH-Region mit Wholesale-Kunden wachsen. Mittelfristig sehe ich neben dem Ausbau des Online-Geschäftes vielleicht noch Platz für zehn weitere eigene Stores. Sie müssen aber profitabel arbeiten. Außerdem haben wir im Export noch einiges vor. Bei einem Umsatzanteil von rund 75 Prozent in der Region DACH haben wir schon noch ordentlich Potenzial außerhalb dieser drei Länder.“
Irgendwelche neue Länder auf der Agenda?
„Wir haben in Mailand einen Showroom eröffnet, um unsere Exportkunden besser zu bedienen. Derzeit legen wir viel Kraft in Benelux, Frankreich und Russland.“
Gibt es eigentlich noch den klassischen Zielkunden für windsor. oder sind es nicht Anlässe, die in der Wertschöpfung in den Mittelpunkt rücken?
„Da fällt meine Antwort zweigeteilt aus. Der klassische Markenkunde stirbt wohl aus und die Markenloyalität sinkt dramatisch. Dafür nimmt der Wunsch nach Individualisierung weiter zu. Wir haben nicht mehr diese klar getrennten Milieus und Cluster, in die sich die Welt so einfach einteilen ließ. Wir können nicht mehr nur für oder gegen sein, es gibt viele Graustufen, die ganz unmerklich ineinander übergehen. Wir machen nicht mehr Mode für einen bestimmten Kunden, sondern für eine bestimmte Haltung und bestimmte Situationen. Wichtig ist nur, mit den richtigen Produkten im Relevant Set unterwegs zu sein und windsor.-like zu interpretieren. Noch mal ein Beispiel aus der Automobil-Welt: Ein Kunde, der einen Q7 fährt, wird sich nicht für einen A7 entscheiden, sondern sich eher einen BMW X5 oder die neue M-Klasse anschauen. Wir müssen im Kopf der Kunden sein, wenn sie Bekleidung für einen bestimmten Anlass oder aus einer bestimmten Haltung heraus suchen. Im Augenblick kommen mehr Kunden mit einem windsor.-Produkt in der Tüte aus dem Laden von LODENFREY, als Kunden mit der Absicht hineingehen, ein windsor.-Teil zu kaufen. Genau das wollen wir ändern. Andererseits wissen wir auch aus den eigenen Stores, dass windsor. natürlich auch gute Stammkunden und Markenfans hat, und die will keine Marke einfach aufgeben.“
Wie würden Sie also die Zielprojektion der Marke in den Markt und den Endkunden definieren?
„Ich verstehe uns als Bridge Brand zwischen Premium und Luxus. Dazu kommen Smart Tailoring, Qualität und ein Schuss Understatement mit der Liebe zum Detail. Wir funktionieren in manchen Häusern neben DRESSLER und BOSS, weil wir modisch ein gewisses italienisches Flair ausstrahlen, aber auch neben Zegna, weil wir die nötige Passformsicherheit mitbringen. Je nach Positionierung des Händlers lässt die Kollektion eine gewisse Anpassung zu und zerreißt nicht gleich.“
Versteht der Markt das auch?
„Nun, der Markt kauft und verkauft. Ja, er versteht das auch.“
Den Veränderungen der Mode und Zeit kann sich keiner entziehen. Nur, was macht der modische Mainstream mit windsor., koppeln Sie sich ab oder spielen Sie eher die Rolle des Vorreiters?
„Mainstream ist nicht allein, was gefällt, sondern, was gekauft wird. Wir können diesen Entwicklungen natürlich nicht blind folgen, sonst werden wir beliebig. Aber wir nehmen natürlich Schwankungen und Tendenzen aus dem Mainstream auf und interpretieren sie für uns, pflanzen ihnen unsere DNA ein. Sneaker sind schon lange Mainstream und auch wir haben welche im Programm, aber es sind halt windsor.-Sneaker. Also spielen wir damit und setzen ihn mit leichten, gewaschenen Qualitäten bei Sakkos, Hosen und Jacken um. Logomania ist auch ein großer Trend. Das aber passt nicht zu windsor., also lassen wir die Finger davon. Wir können unsere Kunden schon fordern, aber wir dürfen sie nicht überfordern.“
Wie wirkt sich das umgekehrt auf die Kollektion aus?
„Die Kollektion ist groß genug, Trends aufzugreifen und zu testen, ohne dass sich gleich die Gesamtaussage verändert. Unser Menswear-Designer, Tobias Harprecht, kommt in gekrempelter Chino, Deep Neck Shirt und Jersey-Sakko ins Büro, ich bevorzuge bekanntlich den Dreiteiler. Und doch setzen wir uns bildhaft gesprochen an denselben Schreibtisch, stehen wir beide für den Look von windsor. Die Kollektionen zu entwickeln, ist ein langer komplizierter Prozess von Trial and Error, von These und Antithese. Wir probieren viel aus und verwerfen auch wieder vieles. So haben wir testweise zum Frühjahr/Sommer 2018 ein Sweatshirt aufgenommen. Nichts Großes, aber innerhalb kürzester Zeit war das Shirt vergriffen. Daran haben wir Herbst/Winter 2018/19 angeknüpft und zur kommenden Saison präsentieren wir schon eine richtige Sweat-Kapsel.“
Wie viele Kollektionen erstellen Sie jährlich?
„Zwei Pre- und zwei Hauptkollektionen im Jahr.“
Ist eine solche zeitorientierte Einteilung überhaupt noch marktgerecht oder müssen wir auch hier in neuen Zyklen denken, vielleicht die Wertschöpfungskette völlig neu definieren, weg vom Zeitstrahl hin zu Wellenbewegungen, die auch modische und wettertechnische Volten mitgehen können?
„Der Markt schreibt gewisse Mechanismen vor, die wir auch nicht aushebeln können. Wir planen die Kollektionen mit einem Vorlauf von einem Jahr, ohne wirklich zu wissen, wie sie sich tatsächlich verkaufen lassen. Das verlangt neben viel Erfahrung auch eine sehr detaillierte Planung. Vertikale Ketten drehen mit ihrer Fast Fashion Mengen, die auch betriebswirtschaftlich darstellbar sind, einfach, weil sie die gesamte Wertschöpfung kontrollieren und im Sourcing auf Mengen zugreifen, die wir nicht vorhalten können. Dort ist es vergleichsweise einfach, modische Basics schnell zu realisieren. Wir sind dazu gar nicht in der Lage. Außerdem prägt sich wie gesagt beim Kunden der Wunsch nach Individualisierung immer stärker aus. Und das widerspricht dem Trend zur Massenware. Individuelle, markentypische Kollektionen lassen sich nicht eben mal im Vorbeigehen schneidern. Wir können nicht die Kosten senken, die Preise erhöhen und auch noch schneller am Bedarf ausgerichtet produzieren. Das ist ein Paradoxon. Wir alle sollten aber verantwortungsbewusster mit der Mengenplanung umgehen. Tatsache ist auch, dass wir erst am Anfang der Digitalisierung stehen und sie die Bekleidungsindustrie komplett verändern wird.“
Haben sich damit Messen überholt? Die PANORAMA etwa versucht, als Plattform mit Maßnahmen wie einem Online-Magazin und verstärkter Kommunikation ganzjährig stattzufinden.
„Messen sind natürlich noch zeitgemäß. Messen sind eine Plattform, auf der Menschen zusammenkommen und sich austauschen. Das wird bleiben, auch wenn die Digitalisierung bestimmte Prozesse und Aufgaben in der Order übernehmen wird.“
Helena Christensen hat die letzte Kampagne Herbst/Winter 2018/19 fotografiert. Sie wollen damit die internationale Begehrlichkeit steigern. Die Kommunikationsmaßnahmen werden abermals intensiviert – auch mit dem Handel?
„Zwei Dinge sind mir wichtig: Basis des Geschäftes ist immer ein gutes Produkt. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Also werden wir die Kollektion weiterentwickeln und an den Markt anpassen und zum Beispiel das Seasonal NOS um Jog Pants erweitern. Ich bin heute im Flieger auf meinen Anzug angesprochen worden. ,Cooles Teil‘, meinte der Pilot zu mir. Ein NOS-Anzug! Gibt es ein besseres Feedback?
Aber wir müssen das mit einer guten Geschichte verbinden und wer könnte das nicht besser als bekannte, kreative Persönlichkeiten, die in Verbindung mit Mode Großartiges leisten? Persönlichkeiten wie Helena Christensen, die auf immer eng mit Mode verbunden sein wird und eine wirklich hervorragende Fotografin ist. Wir wollen generell mehr ins Marketing investieren – gegenüber dem Verbraucher, auf der Fläche und gegenüber dem Handel. Wir werden den Erzählstrang konsequent weiterentwickeln, so viel kann ich schon mal verraten. Und dann wird es mehr Männer geben, die mit der Absicht einen Laden betreten, ein windsor.-Produkt zu kaufen.“
Das Label
windsor. gehört zur HOLY FASHION GROUP mit Sitz im schweizerischen Kreuzlingen. Das Label macht sein Geschäft je zur Hälfte mit Mens- und Womenswear. Insgesamt beliefert windsor. 200 Stores, davon 120 in Deutschland. Kernmarkt des Labels ist die DACH-Region. 25 Prozent des Geschäftes laufen außerhalb der drei Länder. Schwerpunkt der Internationalisierung sind Russland und Frankreich. Gut 60 Prozent der Erlöse erzielt das Label nach eigenen Angaben im Großhandel, 30 Prozent mit Stores/Outlets und im Online-Handel rund 10 Prozent. Die Kampagne für Herbst/Winter 2018/19 wurde vom einstigen Topmodel Helena Christensen geschossen, die heute als Fotografin arbeitet. Die Kampagnenidee, berühmte Persönlichkeiten aus der Modewelt/Gesellschaft einzubinden, wird weitergeführt.
Der Manager
Jan Mangold hat vor gut zwei Jahren die Position des Managing Brand Directors bei windsor. übernommen. Der 40-jährige Manager hatte die Nachfolge von Thorsten Stiebing angetreten, der innerhalb der HOLY-Gruppe die Verantwortung für JOOP! übernahm. Mangold berichtet direkt an den CEO der HOLY FASHION GROUP, Marcel Braun. Zur Gruppe gehört auch die Marke strellson. Mangold war zuvor für reima, RENÉ LEZARD, MUSTANG und JOOP! tätig.