„Wir reden wieder über das Tagesgeschäft“

RENÉ LEZARD

©RENÉ LEZARD

Autor: Markus Oess

Das Schwarzacher Premium-Label RENÉ LEZARD hat in den vergangenen Monaten einige Grundberührungen gehabt. Das Schiff drohte schuldentechnisch vollzulaufen und sank in die Insolvenz. Inzwischen gibt es einen neuen Investor, eine neue Rechtsform und eine neue Führung. FT sprach mit CEO Isabella Hierl über Flächen, Finanzierung und natürlich Fashion.

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FT: Frau Hierl, seit Februar dieses Jahres sind Sie die neue CEO von RENÉ LEZARD.  Was war Ihre erste Amtshandlung?
Isabella Hierl:„Als Erstes bin ich durchs Unternehmen gegangen und habe mich jedem Mitarbeiter vorgestellt. Das Team entscheidet über den Erfolg, nicht eine einzelne Person. Wir haben circa 250 Mitarbeiter, die meisten von ihnen auf der Fläche. Mit ihnen ist das fachliche und qualitative Know-how des Unternehmens sichergestellt. Ohne sie wäre die Situation nicht zu meistern.“

Isabella Hierl ist seit Februar 2018 CEO der René Lezard Mode AG und verantwortet die Ressorts Marketing/Kommunikation, Lizenzen, Brand/Creative, Sourcing, Manufactoring

Vertrieb, Strategie. Hierl blickt auf eine langjährige Führungserfahrung in der Branche. So war sie Senior Partner ADMETAM Business Consultants, Managing Director der M. Lange GmbH (Rena Lange). Zudem stand sie auf der Payroll als Produktmanagerin Laurèl bei der ESCADA AG und arbeitete im Bereich Produktion/Sourcing für die Etienne Aigner AG.

Ihr Vorgänger Heinz Hackl sollte noch als Berater bis März zur Verfügung stehen. Was hat er Ihnen mit auf dem Weg gegeben?
Herr Hackl hat sich sehr fair und offen verhalten. Die Situation war eindeutig, das Kapitel RENÉ LEZARD war für ihn geschlossen und ihm war klar, dass er die Zukunft des Unternehmens nicht mehr mitprägen konnte. Er hat eine sehr ordentliche Übergabe vorbereitet und mit meinem Vorstandskollegen und CFO, Thorsten Luig, haben wir im aktuellen Management das nötige Know-how, um unser Unternehmen in eine gute Zukunft zu führen.“

Die Löhne waren bis Mai durch die Bundesagentur für Arbeit garantiert. Sind sie jetzt sicher?
Absolut. Durch die Umwandlung des Unternehmens in eine AG haben wir die Gläubiger der Anleihe über die Ausgabe von Aktien befriedigt. Wir haben den Geschäftsbetrieb in die AG eingebracht. 30 Prozent der Aktien hält eine Gruppe von privaten Investoren, die jeweils unterhalb der meldepflichtigen Schwelle von 25 Prozent liegen, und 70 Prozent die Gläubiger der Unternehmensanleihe im teilweisen Tausch gegen ihre Schuldverschreibungsanteile. An die Gruppe der privaten Investoren wurde das Betriebsgrundstück verkauft und mit dem Erlös die Banken befriedigt. Wir sind durchfinanziert und operativ voll handlungsfähig. Hierfür wurde im Juni zusätzlich auch noch einmal eine Kapitalerhöhung erfolgreich durchgeführt.“

Können Sie uns eine Wasserstandsmeldung geben? Wo steht RENÉ LEZARD heute, wo soll das Unternehmen mittelfristig hinkommen?
„Was die Insolvenz angeht, haben wir strukturell unser Maßnahmenpaket abgearbeitet. Was den Markt betrifft, haben wir uns die Historie der Marke angeschaut, ihren Markenkern. Die Kernkompetenz von RENÉ LEZARD liegt in der Konfektion, in Qualität und Passform. Wir schaffen modisch relevante Mode mit Passformen für unseren Kernmarkt DACH. Und wir tun das mit einer besonderen Leichtigkeit. Auf der anderen Seite stehen wir gegenüber dem Handel für Wertigkeit und Zuverlässigkeit. Wir werden immer einen gewissen Preis haben, aber wenn Händler und Endkunde das Produkt sehen, werden sie verstehen, warum. Die Menswear macht bei uns rund 30 Prozent des Geschäftes aus. Sicher bespielen wir den Anzug mit unserer Kompetenz. Aber zugegebenermaßen ist das Segment sehr umkämpft. Wir wollen uns besonders im Casual-Bereich mit Spezialthemen wie leichte, unkonstruierte Jacken oder Strick vom Wettbewerb abheben.“

Wie wollen Sie das erreichen?
„Wir haben produktseitig immer noch das größte Potenzial. Denn bei den Endkunden stehen wir für eine klassische Leichtigkeit. Für Qualität. Wenn wir diese Erwartungen über leistungsstarke, marktgerechte Kollektionen einlösen, können wir uns mit Mode für den gepflegten, erwachsenen Mann eine Alleinstellung zurückerobern, die uns immer schon ausgezeichnet hat. Es müssen alle Faktoren stimmen, vor allem auch der Händlerservice, letztlich aber entscheidet das Produkt.“

Wo besteht der größte Handlungsbedarf?
„Nach dem Motto ‚Weniger ist mehr‘ werden wir eine spitzere statt wie früher breitere Kollektion entwickeln, die eine klare Aussage in sich trägt. Wir richten unsere Programme wieder stärker auf den Saisonablauf, den Trageanlass und den Bedarf aus. Gleichzeitig orientieren wir uns am Window-Gedanken auf der Fläche. Es muss dem Endkunden direkt klar sein, was er im Schaufenster da vor Augen hat, und das muss sich natürlich im Ladeninneren fortsetzen. Bei den Frauen sind Drucke, Silhouetten und Farbkontraste vereinende Elemente. Anzüge kommen wieder. Bei den Männern sind es neue, leicht verarbeitete, strukturierte Qualitäten. Strick ist ein Thema und eine neue Farbigkeit, die aber in der Intensität zurückgenommen ist. Wir müssen eine Geschichte erzählen, um unseren Kunden zu begeistern.“

Was macht das Label in Ihren Augen so besonders im Wettbewerb, was ist der Wert für den Handel?
„Die Mode war zuletzt schmückend, etwas krawallig. Jetzt schlägt das Pendel zurück und der Markt verlangt wieder lässige Eleganz, etwas, für das genau wir stehen. Das spielt uns in die Hände. Viele Händler haben uns die Treue gehalten und das werden wir jetzt auch zurückzahlen.“

Wie sollen die Verbraucher davon erfahren?
„Wir können in unserer Situation keine große Marketingkampagne fahren. Aber mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln können wir schon auch einiges bewegen, mit viel Energie zwar, aber realisierbar. In erster Linie werden wir unsere Endkunden digital ansprechen. Wir verschicken alle 14 Tage unseren Newsletter zu bestimmten Themen an 5.000 bis 10.000 Adressen. Wir mussten uns auch da erneuern, um wieder auf den aktuellen Stand zu kommen. Den Newsletter werden wir natürlich mit den Lieferterminen abstimmen und den Aktionen, die auf die Fläche kommen. Wir haben unseren Online-Shop auf Vordermann gebracht. Zudem haben wir eine eigene Bildsprache entwickelt, die sich auch auf der Fläche fortsetzt. Für den Handel haben wir ein Eventkonzept entwickelt, um die Kunden in die Läden zu bringen. Ich denke, angesichts unserer begrenzten Mittel ist das eine Menge.“

Harte Zeiten liegen hinter dem Unternehmen. Was sagen die Händler zur Rettung, bleiben sie dabei?
„Ich hatte ja erwähnt, dass die Händler uns die Treue gehalten haben. In den Wochen nach der Insolvenz ist kein Händler mehr abgesprungen. Sie sehen das Potenzial, das in uns steckt, und wollen uns auf unserem Weg unterstützen. Die Verbraucher selbst hatten von der Insolvenz so gut wie nichts mitbekommen, sieht man vielleicht von der unmittelbaren regionalen Umgebung ab. Zumindest haben wir diesbezüglich keine besonderen Reaktionen erhalten.“

Sprechen Sie mit den Händlern immer noch über das Fortbestehen des Unternehmens oder landen wieder Fragen des Tagesgeschäfts auf dem Tisch?
„Inzwischen ist die Sachlage ja klar und wir haben keinen Klärungsbedarf mehr. Wir reden über das Tagesgeschäft. Das Vertrauen ist da und das verdanken wir sicher auch der Tatsache, dass wir in den Monaten davor stets eng und offen mit dem Handel kommuniziert haben.“

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Wie viele Händler kaufen aktuell bei Ihnen?
„Wir kommen auf rund 300 kaufende Kunden, davon stammen gut 85 Prozent aus dem Inland.“

 Wie viele wollen Sie in den nächsten Jahren dazugewinnen?
„Ich will mich nicht auf eine bestimmte Zahl festlegen. Wir fahren zweigleisig. Wir wollen unsere Umsätze mit bestehenden Häusern wie KaDeWe, LUDWIG BECK oder HIRMER weiter ausbauen. Zum Zweiten wollen wir neue Platzhirsche gewinnen, um schnelle Zuwächse zu erzielen. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass wir die kleineren Händler hintenüberkippen lassen. Wir wollen auch das Geschäft in Österreich und der Schweiz weiter ausbauen und in einem zweiten Schritt können wir dann an unsere direkten Nachbarn denken: Benelux.“

Sie betreiben acht eigene Stores und acht Outlets. Sind Sie damit in den schwarzen Zahlen?„Wir haben uns von den unrentablen Filialen im Airport Frankfurt, von Stuttgart, Regensburg und einem Outlet getrennt. Die Standorte, die wir noch haben, schreiben alle schwarze Zahlen. Der eigene Retail ist für uns ein festes Standbein. Wir holen gut 40 Prozent unseres Umsatzes darüber und auch mit dem Online-Shop sind wir zufrieden, der etwa die Umsatzgröße einer stationären Filiale hat. Eigentlich müssten wir noch unsere Depots auf der Fläche dazurechnen. Für uns ist das ein Beweis, dass wir im Markt bestehen.“

Wird das Ladennetz weiter verdichtet oder gibt es derzeit wichtigere Baustellen im Unternehmen?
„Nein. Wir haben konsolidiert und wollen uns zunächst festigen, bevor wir wieder an Expansion denken.“

Welchen strategischen Stellenwert räumen Sie dem Wholesale im Vergleich zum Retail ein?
„Wir legen ganz klar den Fokus auf den Wholesale und wollen mit Bestands- wie auch mit Neukunden wachsen. Das verlangt neben Top-Produkten Solidität, Performance, Partnerschaft und Service. Darauf zielen alle unsere Bemühungen ab, denn wir sind nicht in der Lage, uns irgendwo zusätzliche Umsätze zuzukaufen.“

RENÉ LEZARD sei ein hochwertiges Label, haben Sie gesagt. Was bedeutet das für die Beschaffung, wenn die Mittel begrenzt sind – billiger einkaufen oder weniger produzieren?„Der passende Preisaufbau ist eine zentrale Stellgröße. Sie definieren einen Einstiegspreis und die Struktur der Kollektion. Sie verträgt aber nur eine begrenzte Anzahl von Teilen. Auch hier wollen wir uns fokussieren – nicht von allem etwas, sondern von wenig alles. Wir haben einen gewissen Preispunkt, den wir nicht unterschreiten. An der Qualität können wir nicht sparen. Wir nutzen natürlich in der Beschaffung alle uns zur Verfügung stehenden Mittel, um den Einkauf zu optimieren. Das fängt bei der Marktanalyse an und endet beim gebündelten Einkauf bei weniger Lieferanten als zuvor. Mit den Lieferanten, mit denen wir heute zusammenarbeiten, verbindet uns eine verlässliche Partnerschaft. Es ist wie überall ein People-Business.“

 Wo lassen Sie produzieren?
„Die Konfektion kommt aus Osteuropa, Spezialthemen lassen wir in Italien herstellen. Wir haben auch Produktionspartner in Portugal, etwa für Jersey, Strick oder Herrenanzüge.“

Modisch wollen Sie die Kollektionen straffen und ihnen wieder eine Grundaussage geben. Wie wird das auf der Fläche aussehen?
„Wir müssen uns auf der Fläche konzentrieren, damit die Endkunden uns leichter verstehen; das heißt die Lieferthemen weiter herunterbrechen und als Einheit darstellen, andererseits auch die Anzahl der Teile reduzieren. Wenn der Handel unsere Kollektionen in diesem Sinne ordert und nicht auf Einzelteile abhebt, werden wir auch Erfolg haben. Wir sehen das bei unseren eigenen Flächen.“

 Wie sieht es mit den Preisen aus?
„Der Preisaufbau bleibt im Wesentlichen. Wir haben in der Menswear oben angebaut. Wir können Anzüge in den Preislagen von 699 und 799 Euro, handwerklich aus hochwertigen italienischen Stoffen produziert, verkaufen. Unsere Endkunden nehmen uns diese Qualität und Kompetenz ab. Unser großer Vorteil ist, dass wir in der Lage sind, diese Qualitäten und den typischen südländischen Look mit deutschen Passformen zu kombinieren.“

 Sind Messen auch wieder ein Thema?
„Florenz und Berlin müssen noch warten. Zunächst müssen wir uns festigen. Wir sind aber mit unseren Showrooms hier in Düsseldorf, Hamburg, München und Offenbach gut aufgestellt und wir werden zur Ordersaison einen Hotel-Showroom in Zürich anmieten.“

Langer Leidensweg in die Neuordnung

Wie die Leidensgenossinnen Laurèl, STRENESSE oder Rena Lange galt auch RENÉ LEZARD dereinst als Perle der deutschen Mode. Die René Lezard Mode GmbH wurde 1978 in Schwarzach am Main von Thomas Schäfer gegründet und produziert Premium-Mode. Zwischendurch gab es eine 50-Prozent-Beteiligung der italienischen Mariella Burani Fashion Group über ihre Tochtergesellschaft Design & Licenses S.p.A. 2012 gingen die Anteile nach der Insolvenz von MARIELLA BURANI an Schäfer und den damaligen Vorstandschef Heinz Hackl.

Geld musste her für die Umsetzung der Strategie, unter anderem mit eigenen Läden und auch nicht ganz billigen Kampagnen. Also emittierten die Franken 2012 eine Mittelstandsanleihe von 15 Millionen Euro mit einer Verzinsung von 7,5 Prozent. Die Hälfte des Volumens war direkt für die Begleichung alter Schulden vorgesehen. Der Erfolg blieb mäßig. Im Geschäftsjahr 2015, das im März endete, wies der Konzern einen Erlös von 47 Millionen Euro aus. Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen stand ein Verlust von 0,8 Millionen Euro in der Bilanz. Die Umsätze sanken weiter, nach vorläufigen Zahlen für das Jahr 2015/16 auf knapp 45 Millionen Euro. Immerhin gab es einen operativen Gewinn vor Abschreibungen von 400.000 Euro.

Im November kündigte das Unternehmen eine Neuordnung seiner Schulden an. Die Anleihegläubiger sollten auf 40 Prozent ihrer Forderungen und Zinsen verzichten, die Banken einen Sanierungsbeitrag leisten und ein Finanzinvestor die besicherten Bankverbindlichkeiten kaufen. Daraus wurde bekanntlich nichts. RENÉ LEZARD meldete im März 2017 Insolvenz an. Im Oktober kam dann die Nachricht: gerettet! Der Insolvenzverwalter teilte mit, dass ein Investor in das Unternehmen eingestiegen sei. Um sich Luft zu verschaffen, wurde die Betriebsimmobilie in Schwarzach verkauft. Der Erlös ging an die Gläubigerbanken. Gleichzeitig wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, sodass die Anleihegläubiger einen Großteil der Aktien übernehmen konnten. Heute führen Isabella Hierl (CEO) und Thorsten Luig (CFO) das Unternehmen. Im Juni dieses Jahres erfolgte eine neuerliche Kapitalerhöhung.