Autor: Markus Oess
Maastricht hat durch die Unterzeichnung des nach ihr benannten Vertrages noch mal einen Bekanntheitsschub bekommen. Nötig hat das limburgische Zentrum an der Maas das nicht, blickt es doch auf eine lange Geschichte zurück. Auch kulturell ist in der stark international ausgerichteten Universitätsstadt eine Menge geboten. So ist die schmucke Altstadt auch Schauplatz von FASHIONCLASH, einer von Nachwuchsdesignern initiierten Plattform, die anfangs vor allem eines sollte: junge Kreative mit der Industrie zusammenbringen. Heute ist die Plattform – auch dank der Unterstützung von staatlicher und privater Hand – zu einem erwachsenen Fashionfestival herangewachsen. Zum zehnten Geburtstag hieß das Motto „Fashion My Religion!“. Branko Popovic hat gemeinsam mit Nawie Kuiper and Laurens Hamacher die Plattform ins Leben gerufen. Wir haben mit dem studierten Desginer, der sich auf Menswear und Theaterkostüme spezialisiert hat, über die Mission FASHIONCLASH und Religion gesprochen.
FT: Branko, was ist FASHIONCLASH?
Branko Popovic: „Wir, meine Co-Founder Laurens Hamacher sowie Nawie Kuiper und ich, hatten alle zwischen 2005 und 2007 unser Design-Studium hinter uns gebracht und mussten aus eigener Erfahrung miterleben, dass es keine Plattform gab, die junge talentierte Designer mit der Industrie, mit der Branche zusammenbringt. Das wollten wir unbedingt ändern. Deswegen gibt es FASHIONCLASH. Als wir angefangen haben, konnten wir uns gar nicht vorstellen, dass wir einmal unser Zehnjähriges feiern würden. Damals dachten wir noch eher in den Grenzen von den Niederlanden, heute kommt die ganze Welt zu uns, wir durften diesmal Teilnehmer aus mehr als 20 Ländern begrüßen. Das ist schon irre, was aus unserer kleinen Community geworden ist.“
Ist das Ganze gewinnorientiert?
„Nein, wir werden staatlich unterstützt. Uns helfen auch verschiedene Fonds und Firmen. FASHIONCLASH ist unsere Profession, aber von großen Gewinnen sind wir meilenweit entfernt und ganz abgesehen davon wollen wir das auch gar nicht. Wir wollen immer noch Plattform für junge Designer sein und damit lässt sich kein Geld verdienen. Aber wir sind mittlerweile gewachsen und erreichen die Mitte der Gesellschaft, weil wir Endverbraucher einbeziehen. Kulturell betrachtet, haben wir inzwischen einen breiteren Ansatz und beleuchten die Mode sehr viel stärker aus der gesellschaftlichen Perspektive. Mode ist sehr viel mehr als ein designtes Stück Stoff.“
Warum ausgerechnet Maastricht?
„Wir haben alle hier Mode-Design studiert, sind mit der Stadt auch emotional eng verbunden. Maastricht steht politisch für Internationalität und Toleranz und obendrein sind wir mit dem Auto innerhalb von einer Stunde in Düsseldorf. Köln ist nicht weit, Aachen nur einen Steinwurf entfernt, Lüttich ist vor der Haustür und auch Brüssel liegt nah. Wir haben ein Rieseneinzugsgebiet mit zig Millionen Menschen, die wir erreichen können. Brauchen wir noch mehr Argumente?“
Wir haben den Eindruck, dass die Männer heute ihre Eitelkeiten sagen wir offener zur Schau tragen, sich intensiver und ohne Scheu mit ihrem Aussehen auseinandersetzen. Wie sieht das bei FASHIONCLASH aus?
„Wir haben jedes Jahr Topdesigner aus dem Segment Menswear hier auf dem FASHIONCLASH. Die Menswear hat sich inzwischen etabliert, spielt provokant auch mit den Geschlechtern. Wir verspüren sehr viel kreative Energie. Der Gewinner unseres Festival Awards, der portugiesische Designer Filipe Augusto, macht Menswear. Mode für Männer wird wichtiger, sie wird aber der Womenswear den Rang niemals streitig machen.“
Wie würdest du die Mode bei FASHIONCLASH beschreiben, besser gesagt das Modeverständnis eurer Community? Wie stark bestimmt Fast Fashion das Geschehen?
„Wir sind in erster Linie für die jungen Designer da, nicht für bereits etablierte Labels und schon gar nicht für Fast-Fashion-Anbieter. Wir machen ein Angebot, Mode anders zu begreifen und mit ihr umzugehen. Wir sehen gleichzeitig, dass das Bewusstsein für grüne Mode unter den jungen Leuten zunimmt. FASHIONCLASH hat inzwischen auch eine kommerzielle Seite, wir bieten den Designern die Chance, ihre Mode direkt an den Mann oder die Frau zu bringen. Wir wollen den Dialog anfachen zwischen den Mode machenden und den Mode konsumierenden Menschen.
Und was Fast Fashion angeht, müssen wir gesprächsbereit sein. Wir alle haben zur Mode eine feste Beziehung, wir kleiden uns ja nicht zufällig. Das gilt genauso für Kunden von H&M, UNIQLO oder PRIMARK. Die Leute müssen selbst erkennen, dass an einem T-Shirt, das 3 Euro kostet, etwas nicht stimmen kann. Vielleicht muss man sie darauf stoßen. Warum sollte es nicht funktionieren wie bei Food, wo Bio inzwischen fest etabliert ist? Wir hatten letztes Jahr ‚Does Fashion Make Sense‘? als Motto und genau in diesem Sinne auch die Industrie angesprochen. Ich wünschte mir, der Staat würde hier stärker eingreifen, wenn sich die Schere zwischen Anspruch auf faire, grüne Mode und den teils katastrophalen Produktionsbedingungen nicht endlich zu schließen beginnt.“
In diesem Jahr feierte FASHIONCLASH seinen zehnten Geburtstag. Mehr als 100 Designer und Künstler aus Ländern wie den Niederlanden, Deutschland, Italien, Portugal, Serbien, Finnland, Uruguay waren Teil des Festivals, mit einem dreitägigen Programm voll mit Ausstellungen, Lesungen, Theater- und Tanzaufführungen sowie Vorträgen – natürlich auch mit Fashion Shows.
Das Motto diesmal: „Fashion My Religion!“ Es geht um Glauben und Geschlecht, Kleidung und Haarstile. Die Teilnehmer und Besucher sollten angestoßen werden, bestehende religiöse Traditionen und Tabus durch Fashion zu erforschen, aufzudecken und zu durchbrechen. „Ein Aufruf zum Aktivismus, der hoffentlich eine neue Generation Fashiondesigner und Fashionliebhaber inspiriert, ihrer Rolle in der Fashionwelt so viel Bedeutung wie möglich zukommen zu lassen“, wie die Macher formulierten. „Wir setzen historische, absolute modernen Wahrheiten gegenüber, indem wir tief in soziale Themen, wie Feminismus und Menschenrechte, einsteigen“, formulieren sie.
FT, Branko, ist Fashion eine Religion?
Branko Popovic: „Genau diese Frage wollten wir ja thematisieren. Mode ist jedenfalls nicht meine Religion. Aber sie kann sehr wohl Ausdruck von Religion sein und die Insignien der Macht einer Religion verbreiten, wie zum Beispiel das Kreuz. Es geht darum, sich selbst mit der Mode auszudrücken, und das kann durchaus ein religiöser Prozess sein. Wir haben hier einige Designer, die mit dem Geschlecht und der Sexualität spielen, sich aber gleichzeitig zum Islam oder Christentum bekennen oder zumindest aus diesem Kulturkreis stammen. Wir wollten über Religion sprechen, nicht urteilen.“
Ihr wollt mit FASHIONCLASH die Endverbraucher ansprechen und in den Dialog mit einbinden. Wie haben die in Zeiten von Islamophobie und Fake News reagiert?
„Wir haben die Burka als Fashion Item gezeigt und in einer Foto-Ausstellung bewusst Transgender-Models präsentiert, die diese Burkas tragen. Bei allen kulturellen Identitäten dieser Welt sind wir zuerst Menschen! Wir hatten mit der katholischen Kirche zusammengearbeitet. Bei einer Show lief islamische Musik, als dann auch noch ,Allahu Akbar‘ ertönte und das ausgerechnet vor einer christlichen Kirche, sorgte das für sagen wir fragende Gesichter. Dabei bedeutet es nur ,Gott ist groß‘ und wird auch in Gebeten wiederholt, also in der Zwiesprache mit Gott. Die Designerin Zahra Hosseini, die ihre Mode gezeigt hatte, ist eine gläubige Muslima. Viele Menschen haben Berührungsängste mit der islamischen Kultur. Wir sind aber auch vielen Menschen begegnet, die das wunderbar fanden.“
Wie sieht es mit der christlichen Religion aus?
„Das KOORKAPPEN-Projekt zum Beispiel war eine Kollaboration zwischen FASHIONCLASH und Heiligdomsvaart Maastricht. Wir hatten mehrere Designer dazu eingeladen, ein Outfit zu entwerfen, das durch traditionelle Kirchenchorgewänder und deren Geschichten inspiriert ist. Die teilnehmenden Designer sind unter anderem HOIHOI, Marlou Breuls, Lise van Wetten und Laurie Bessems. Auch die christliche Religion ist immer noch ein bedeutender Teil der Gesellschaft, in der wir leben. Schrecken und Schönheit liegen wie in allen Konfessionen nah beieinander.“
Ist Mode politisch?
„Absolut! Mode ist politisch, gar keine Frage. Allein durch die Wahl der Kleidung zeige ich eine politische Grundhaltung – modisch oder durch die Art und Weise, wie sie hergestellt wurde. Egal, ob du zurück in die Anfänge des Rock ’n’ Roll oder zur Hippiebewegung gehst oder ganz konservativ einen dunklen Anzug trägst, lässt sich eine gewisse Grundhaltung an der Kleidung ablesen. FASHIONCLASH ist daher immer auch eine politische Veranstaltung, deswegen haben wir zum zehnjährigen Jubiläum ein, wie ich meine, hochpolitisches Leitmotiv gewählt.“
Welches war der bewegendste Moment für dich in den zurückliegenden zehn Jahren?
„Es gab viele wunderbare Momente, auch traurige. Da kann ich kein einzelnes Ereignis herausgreifen. Wir denken immer, wenn es vorbei ist, das war die beste Ausgabe, die es je gegeben hat – bis dann eben die neue beginnt.“
Wie nah ist FASHIONCLASH heute noch am Ideal der Gründung?
„Wir hatten ein Mission Statement formuliert, bevor wir loslegten. Manches darin war vielleicht etwas naiv, aber die Grundidee, eine Plattform für den Dialog zwischen jungen Designern und der Industrie zu schaffen, ist so lebendig wie am ersten Tag. Allerdings sind wir etwas erfahrener geworden und wir sind zugegebenermaßen gewachsen, vielleicht etwas erwachsener geworden.“
Wenn du wählen könntest: lieber ein Ticket für das WM-Finale in Russland oder ein Besuch der Berlin Fashion Week?
„Ich habe zwar kroatische Wurzeln und für die kroatische Nationalmannschaft lief es ja ganz gut, aber wenn ich die Wahl gehabt hätte, ganz klar Berlin. Ich bin kein Fußballfan, Mode macht mich da schon deutlich mehr an.“