Autor: Markus Oess
Katzen, sagt man, haben neun Leben. Soviele hat Dirk Güldner zwar noch nicht, aber er hat schon öfter die Ausfahrt genommen und sich von seinem eingefahrenen Dasein verabschiedet. Güldner war Journalist und Stylist. Er hat in der PR gearbeitet. Im Alter von 40 Jahren setzte er zur vorläufig letzten Wendung an: Güldner schmiss seinen PR-Job hin. Er heiratete und wurde auch international zu einem der besten Bartender. Güldner betreibt inzwischen unter tenderblender.com seinen eigenen Gentleman-Blog. Seinen Lebensunterhalt bestreitet der gebürtige Niedersachse mit – coolem Lifestyle.
FT: Mit 40 kam es zu zwei prägenden Wendungen, du wurdest Bartender und hast geheiratet. Gab es einen Zusammenhang?
Dirk Güldner: „Gar nicht. Das passierte eben. Ich plane nicht so viel im Leben und lasse die Dinge auf mich zukommen. Es war einfach an der Zeit, meinen Mann zu heiraten. Beim Job kam ich an eine Stelle, an der es einfach nicht mehr weiterging. Bis 2004 war ich angestellter Redakteur bei MAXIM, arbeitete dann als freier und wechselte später in die PR. Es ging nur ums Reporting, um Excel-Tabellen, was wurde wo mit welchem Einsatz erreicht? Und dann wartest du immer noch auf eine Freigabe von irgendwelchen Leuten, für die du arbeitest. Das war nicht meins und dann habe ich hingeschmissen. Glücklicherweise kam das Angebot von meinem Freund Jörg Meyer, Chef des ,Le Lion‘, als Barkeeper zu arbeiten.“
Dein Start als Bartender war ein Selbstversuch. Gab es einen Plan B?
„Ich hatte keinen blassen Schimmer von dem Job. Mit 40 noch mal komplett neu anfangen? Mein Mann meinte, mach doch und wenn es nicht läuft, machst du eben was anderes. Ich habe in meinem ganzen Berufsleben noch kein einziges Bewerbungsgespräch geführt. Irgendwie geht es immer weiter, also habe ich für mich auch kein Risiko gesehen. Es war ein Sprung ins kalte Wasser, aber einen Plan B gab es nicht.“
Gab es viele gute und gut gemeinte Ratschläge?
„Nein, gar nicht. Ich hatte das Glück, bei einem der Besten zu lernen. Mein ehemaliger Barchef Mario ist fantastisch und er hat eine irre Begabung, sein Wissen kompakt und schnell anderen Menschen beizubringen. Ich bringe wohl auch das nötige Talent mit und habe schnell gelernt. Es hat halt alles zusammengepasst.“
Bartender bekommen viel erzählt. Mal ehrlich, wenn der Laden brummt, bleibt doch gar nicht die Zeit und Ruhe zum Reden. Wie viel ist da Imagepflege für das Lifestyle-Produkt Bartender?
„Sicher pflegt jeder auch sein Image. Aber an der urbanen Legende des Seelentrösters ist wirklich was dran. Es kommen tatsächlich alle möglichen Leute. Best Buddies, die feiern genauso wie der einsame Geschäftsmann auf Reisen, der sein Herz ausschüttet, oder Leute, die einfach nur einen guten Drink genießen wollen. Für alle bin ich der Entertainer, einfach nur Zuhörer oder Seelentröster, je nachdem, was gerade gefragt ist. So viel Zeit und Übersicht musst du auch dann mitbringen, wenn der Laden brummt.“
Bars, Drinks, Mode, alles ziemlich cool und lebensbejahend. Macht Lifestyle mehr Spaß, wenn man damit seinen Lebensunterhalt verdienen kann?
„Auf jeden Fall! Die Bar ist mein Hauptjob und damit verdiene ich gutes Geld. Mir gefällt die Ehrlichkeit, die Direktheit in meinem Job. Keiner redet herum wie in der PR. Ist der Drink gut, folgt direkt die Reaktion. Umgekehrt natürlich auch. Ich fühle mich wohl im Nachtleben und es ist meine Zeit. Obwohl ich zugeben muss, dass ich inzwischen schon etwas länger brauche, mich zu erholen.“
Du kleidest dich schon auffällig, inszenierst dich in der Bar genauso wie mit deinem Blog. Schüchtern geht anders. Hast du auch schon mal was auf den Deckel bekommen?
„Du brauchst schon ein großes Ego in dem Job, sonst kannst du den Anspruch eines guten Entertainers nicht erfüllen. Manche würden schon sagen, dass mein Kleidungsstil besonders ist. Ich fühle mich darin wohl und das zählt. Es gibt keinen Job, bei dem es nur aufwärts geht. Du kommst gut gelaunt zur Arbeit und bekommst dann einen Dämpfer. Ich hatte unlängst erst eine ziemlich unangenehme Begegnung mit zwei Gästen, die unglaublich homophob waren und ordentlich über schwule Männer abgelästert haben. Irgendwann wurde es zu viel und ich habe die beiden rausgeschmissen. Eine Prügelei aber hatte ich bislang nicht.“
Was bedeutet Mode für dich persönlich, wie würdest du deinen Lebensstil beschreiben?
„Politisch korrekt müsste ich sagen, die schönste Nebensache der Welt. Aber es ist viel mehr als das. In meiner Welt nimmt die Mode einen großen Teil ein. Ich kleide mich gern gut und achte auf einen gewissen Stil. Du weißt: You never get a second chance for a first impression. Besonders achte ich bei meinem Gegenüber auf die Schuhe. Männer gehen oft sehr lieblos mit ihren Schuhen um. Bevorzugt tragen sie mehr oder weniger formlose schwarze Treter, die sie noch nicht mal richtig pflegen. Da denke ich für mich, deine Fußkleider erzählen mir eine Menge über dich und nicht das Beste. Ich gebe aber zu, ich habe einen leichten Schuhtick. Bei mir zu Hause stehen bestimmt 60, 70 Paar herum.“
Lieber ins Tattoo-Studio oder zum persönlichen Schneider?
„Arggh, beides mache ich besonders gern. Allerdings musst du dir sehr genau überlegen, was du dir stechen lässt, schließlich trägst du das ein Leben lang mit dir herum. Mit einer Ausnahme: Die Tage war ich in Israel unterwegs, bin spontan in ein Tattoo-Studio und habe mir die hebräischen Worte für Frieden, Mut und Kraft stechen lassen. Mich haben das Land und die Menschen, die darin leben, so berührt. Beim Schneider kannst du auch ruhig mal spontan sein. War es ein absoluter Fehlgriff oder bereust du den Kauf nach wenigen Wochen, hast du halt nur Geld verloren. Da kann Spontaneität nur teuer werden.“
Was ist dein absolutes modisches No-Go?
„Zwei Dinge: Socken in Sandalen und gelbe Klamotten. Ich kenne für Kleidung keine schrecklichere Farbe und es gibt auch kaum Menschen, denen sie wirklich steht.“
Lifestyle wird oft und bevorzugt in Werbung benutzt, gerade in der Mode und bei Mainstream-Marken. Das klingt irgendwie nach warmer gelber Limo in Plastikflaschen, fad und abgestanden. Wonach suchst du deine Marken aus?
„Auch wenn es abgenudelt wirkt: Marken müssen eine gute Geschichte erzählen. Kleine britische oder edle italienische Labels, die noch in Familienbesitz sind und dieses Erbe glaubhaft leben. Da gibt es zum Beispiel eine britische Ledermanufaktur Ettinger, die auch das britische Königshaus beliefert. Die machen Topprodukte zu einem für diese Qualität fairen (nicht billigen!) Preis. Die verkaufen zum Beispiel einen mit Leder bezogenen Flachmann, der jeden Cent seiner 150 Euro wert ist. Für das gleiche Ding von HERMÈS zahlst du vielleicht 900 Euro und es hält dem Vergleich nicht stand.“
Und die Werbepartner auf deinem Blog?
„Das sind für mich Kooperationspartner, mit denen ich auch Geschäfte mache. Das finde ich aber auch nicht weiter verwerflich, solange man nur das postet, was man will und zu dem man auch uneingeschränkt stehen kann. Klar ist, die Sachen müssen mir schon gefallen und ich lasse mir nicht sagen, wie ich was bringe und was nicht. Wenn ein Partner von mir Exklusivität haben will, muss er dafür auch zahlen, wenn ich diese Freiheit aufgebe. Ich habe das große Glück, dass ich einen Job habe, der mir sehr viel gibt und mir extrem wichtig ist, und er macht mich unabhängig. Mein Blog ist mein zweites Standbein.“
Was ist gerade bei dir angesagt?
„Im Moment habe ich mich richtig in die Schuhe von HEINRICH DINKELACKER verliebt. Du weißt um meinen Schuhtick. Zurzeit trage ich auch irre gerne Harris Tweed – vom Schneider, versteht sich. Ettinger habe ich schon erwähnt.“
Gehst du auch auf Modemessen?
„Nein. Das Thema ist für mich durch. Ich bin schon viel zu oft über die Messen gelaufen.“
Du bist jetzt schon einige Jahre in der Barkeeper-Szene und auch international bekannt. Sind das jetzt schon Meister- oder noch Lehrjahre?
„Du lernst nie aus, denn du erlebst als Barkeeper jede Nacht etwas Neues und du weißt nie, was kommt. So gesehen sind es immer noch Lehrjahre für mich, auch wenn du natürlich irgendwann einmal rein technisch gesehen deinen eigenen Stil, deine eigene Note perfektioniert hast.“
Wenn du mal eine eigene Bar aufmachst, wie wirst du sie nennen?
„Neulich erst ist mir ein guter Name eingefallen: The Booming Bombay Bar, einfach nur, weil ich den Namen lustig finde.“
Nachtfalke
Dirk Güldner ist in Niedersachsen aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte er Amerikanische und Englische Literatur sowie Linguistik. Er musste aber, wie er selbst schreibt, lernen, dass die Universität und er keine Freunde werden sollten. Güldners erster Job führte ihn dann nach Hamburg zu Max. Im Jahr 2000 dann heuerte er als Fashion-Redakteur bei MAXIM in Berlin an. Nach fünf Jahren zog er zurück nach Hamburg und arbeitete als freier Stylist, Journalist und Producer. Zu seinen Kunden zählten Branchengrößen wie ICON Magazine, OTTO, adidas und TOMMY HILFIGER. Dann mit 40 Jahren kam der große Bruch. Güldner heiratete den bezauberndsten Menschen der Welt und wurde Bartender im Le Lion– BAR DE PARIS in Hamburg. Heute zählt Güldner zur internationalen Elite seiner Zunft. „Die Nacht ist meine Zeit“, sagt Güldner. Inzwischen betreibt er auch einen erfolgreichen Gentleman-Blog unter tenderblender.com.