Autor: Maximilian Fuchs
Denkt man an Rohmilch, so fallen einem eine Menge Dinge ein, die sich daraus herstellen lassen. Doch Bekleidung aus Milch, das macht erst einmal sprachlos. Die Hannoveranerin Anke Domaske ist studierte Mikrobiologin und hat in langer Reifezeit ein Verfahren entwickelt, mit dem sich aus dem Milchprotein Kasein Textilfasern herstellen lassen. Dabei glänzt das Material nicht nur durch seine seidenartige Beschaffenheit, auch Aspekte der Nachhaltigkeit überzeugen.
Kleinster CO2-Fußabdruck aller Fasern – weltweit
Um ein Kilogramm der Kasein-Fasern herzustellen, braucht es nur 30 Liter Milch und 2 Liter Wasser – deutlich weniger als bei der Verarbeitung von Baumwolle. Die verwendete Milch gilt auch nicht mehr als Lebensmittel, sondern wird konventionell als Abfallprodukt gehandelt. Domaske und ihr Team kaufen Milch von Molkereien, die nicht mehr in den Lebensmittelhandel kommt, weil sie zum Beispiel sauer geworden ist. Und das ist eine Menge: In Deutschland werden jährlich rund 2 Millionen Tonnen Milch weggeschüttet, die nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Durch den Produktionsprozess verliert die Milch ihren Eigengeruch – am Ende bleibt eine duftneutrale und stabile Faser, die etwa halb so dick ist wie menschliches Haar. Da bei der Produktion komplett auf Weichmacher, Lösungsmittel und chemische Vernetzer verzichtet wird, ist die Ökobilanz hervorragend. Kleidungsstücke, die aus QMILK-Fasern gefertigt sind, sind heimkompostierbar und bauen sich innerhalb weniger Monate rückstandsfrei ab (zertifiziert nach DIN EN 14119).
Natürliche Extras
Darüber hinaus ist die Faser von Natur aus antibakteriell, es ist keine spezielle Ausrüstung notwendig – sie wehrt sogar E. coli und den gefährlichen „Krankenhauskeim“ Staphylococcusaureus ab. Auch gegen Feuer ist sie resistent und erreicht die Brandschutzklasse B2. Die Faser tropft nicht und ist bis zu 200 Grad Celsius temperaturbeständig, ohne abzubauen. Gleichzeitig sind aus QMILK gefertigte Kleidungsstücke temperaturregulierend, die Faser hat einen natürlichen kühlen Griff, schließt aber auch Wärme ein. Durch ihren einzigartigen Feuchtigkeitstransport bewirkt die Faser eine hohe Aufnahmefähigkeit von Feuchtigkeit mit schneller Abgabe.
Verarbeitung und Verträglichkeit
Die Haptik der Milchproteinfaser ähnelt der Seidenfaser, durch die besonders glatte Oberfläche eignet sie sich ideal für Menschen mit empfindlicher Haut. Sie kann nicht nur in Reinform verarbeitet werden, sondern kommt auch für verschiedenste Materialmixe aus natürlichen oder synthetischen Fasern infrage. Die Produkteigenschaften werden ab einem Anteil von 20 Prozent messbar verbessert. Alle Wollarten –zum Beispiel Schur, Alpaka, Merino – sind verwendbar. Aber auch Viskose, Baumwolle, Cellulose oder Synthetik können mit QMILK versponnen werden. Weiterhin eignet sich die Faser für die Produktion von Multi-Komponenten-Vliesen. Als einzige Naturfaser mit thermobondierenden Eigenschaften kann QMILK genutzt werden, unkonventionelle Kunststoffe und Harze als Bindemittel vollständig zu ersetzen. Naturfaserprodukte aus Hanf und Leinen bleiben so 100 Prozent natürlich und können nachhaltig entsorgt werden.
Der Weg in die Industrie
Die Stoffe aus der cleveren Faser sind schon heute erhältlich, in der DOB gibt es bereits erste Konfektionsprodukte. Der Outdoor-Spezialist VAUDE bringt zur Herbst/Winter-Kollektion 2018/19 eine erste Serie mit Schuhen und Gepäck auf den Markt. Doch auch aus anderen Segmenten wie Automotive oder im medizintechnischen Bereich gibt es Anfragen. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die QMILK-Proteinfaser die Welt erobert.