Autor: Andreas Grüter
Galten Kollaborationen, also die mit einem ‚x‘ zwischen den Labelnamen gekennzeichneten Zusammenarbeiten zwischen zwei oder mehreren Mode- und Designaktivisten, noch vor wenigen Jahren als die hohe Schule des Produktmarketings, für deren Ergebnisse sich vor ausgesuchten Shops lange Schlangen bildeten, so scheinen sie heute profanes Alltagsgeschäft geworden zu sein. Wie also steht es um den State of the Fashion Union? Wir haben Player und Consumer gefragt.
Streetwear mit High Street, Sportwarenhersteller mit Rappern, Jeanser mit Rockbands und Vertikale mit so ziemlich allen – es ist viel passiert seit den Tagen, als ehemals kleine Underground-Brands wie Stüssy, A Bathing Ape und X-Large die ersten Collabos-Pieces an den Start brachten. Was als verspielter Community-Effort im erweiterten Kreativ-Freundeskreis begann, ist längst zu einem sich immer schneller drehenden, millionenschweren Marketing-Business herangewachsen, das nicht nur verschiedenste Branchen verbindet, sondern auch Partner, die sich noch zu Anfang des Jahrtausends spinnefeind gewesen wären. Wer hätte schließlich in den neunziger Jahren auch nur einen Cent darauf gewettet, dass Karl Lagerfeld und Comme des Garçons sich jemals vor den H&M-Karren spannen lassen könnten oder das Louis-Vuitton-Logo ein Skateboard von Supreme zieren würde. Doch zieht der Crossover-Zug überhaupt noch, und wer profitiert davon?
Von der Ausnahme zur Regel
„Natürlich sind die Zeiten vorbei, in denen man über Monate einer Collabo entgegenfieberte. Zusammenarbeiten sind heute Mainstream, und dementsprechend kommen quasi jeden Tag neue Crossover-Sondereditionen auf den Markt. Dennoch bleibt das Sujet für mich spannend, weil kreativer Austausch immer für frischen Wind sorgt“, erklärt Rami Eiserfey, Turnschuh-Enthusiast und Redakteur beim Sneaker- und Streetwear-Magazin Praise. Wie lässt sich die Langeweile der zunehmenden Beliebigkeit verhindern? „Ich denke, die Tendenz geht weg von der einmaligen Collabo und hin zu einer festen und längerfristigen Zusammenarbeit. Es muss jetzt mehr denn je durch Qualität überzeugt werden weniger durch den schnellen Hype.“ Davon ist auch Maxwell Vogel, Kreativchef bei TOM TAILOR überzeugt. Das Hamburger Label hat 2017 im Zuge seiner Neuaufstellung mit einer Capsule-Collection, die mit dem britischen Topmodel Naomi Campbell entstand, einen echten Marketingcoup gelandet, der in der aktuellen Sommersaison mit neuen Styles in die nächste Runde geht. Zudem hat man sich als weiteren Kollaborationspartner die Band Revolverheld mit ins Boot geholt. „Die Zusammenarbeit mit Naomi Campbell hat uns im Zuge des TOM TAILOR-Relaunchs geholfen, das Label bold und edgy zu positionieren. Dazu reicht es natürlich nicht, sich den Namen als Celebrity-Icon einzukaufen, sondern wir haben uns die Zeit genommen, uns zu treffen und wirklich gemeinsam an den Styles zu arbeiten. Revolverheld kommen aus dem gleichen Stadtteil wie wir und wir kennen die Jungs schon lange. Die Collabo lag also in der Luft, und natürlich hat auch die Band an den Styles kräftig mitgearbeitet. Klar, es geht um Brandbuilding und die Emotionalisierung der Marke, aber da wollen wir langfristig mit Freunden des Hauses zusammenarbeiten.“ Und das über das reine Produkt hinaus, wie eine Serie von Sofakonzerten beweist, die TOM TAILOR präsentierte.
Die Win-Win-Blackbox
Kleiner vs. großer Partner – wer wie und warum den größeren Nutzen aus Kollaborationen zieht, ist ohne Blick in Buchhaltung und Mediastatistik meist schwer zu ermitteln. Für Steffen Schraut jedenfalls scheint sich die Zusammenarbeit mit Aldi Süd gelohnt zu haben. Der Düsseldorfer Designer, der sich ansonsten ganz auf Damenmode spezialisiert hat, entwarf nach dreijähriger Sondierungsphase neben einer DOB- auch eine HAKA-Kollektion nebst passenden Sportlinien für den Discounter. Massive Marketingmaßnahmen sorgten dafür, dass die Linie nach drei Tagen ausverkauft war. „Steffen Schraut ging es bei der Kooperation von Anfang an um das Gesamtkonzept. Neben dem Design der Kollektion war er auch in der gesamten Kampagne und in das Verpackungsdesign involviert. Die Marke erlangte einen noch höheren Bekanntheitsgrad und konnte ihren Kundenkreis massiv erweitern“, hieß es aus dem Haus.