Autor: Winfried Rollmann
Die Mailänder Möbelmesse ist in der Regel kein Ort, an dem Fashion- oder Shoe-Brands neue Kreationen vorstellen. Es ist vielmehr ein weltweit einmaliger internationaler Treffpunkt von Design und innovativer Technologie.
Der Auftritt des internationalen Shoe-Brands ECCO mit seinem Projekt QUANT-U im Superstudio in der Via Tortona war aber durchaus konsequent. Das Projekt will nämlich nicht weniger als das Schuhemachen revolutionieren. Auf der Messe in Mailand oder im April im W-21 Store in Amsterdam konnte man verfolgen, wie das funktioniert. 3-D-Scanner ermitteln in gerade mal 10 Sekunden den digitalen Fußabdruck des Kunden. Tragbare Sensoren erfassen, wie der Kunde sich bewegt, welche Kräfte auf welche Stelle wirken et cetera.
Danach werden am PoS individuell angepasste Zwischensohlen aufgrund der ermittelten Datenbasis in einer Silikon-Mesh-Struktur geprintet. Von Dow Chemicals kommt der 3-D-druckbare Gummi, von German RepRap der Printer. Er ermöglicht das schichtenweise Drucken der individuellen Zwischensohlen. Sie werden dann in die hohle Kassettensohle vorgefertigter Schuhe eingebettet. Von außen ist dem Schuh nicht anzusehen, was technologisch in ihm steckt. Eine 100 Prozent auf den Kunden abgestimmte Passform mit einem vorher nie erreichten Tragekomfort.
„Mit QUANT-U kombinieren wir Future-Technologien, um optimalen Komfort und Funktionalität individuell für jeden Kunden zu entwickeln, ohne dabei ästhetische Abstriche zu machen“, erklärt Patrizio Carlucci, der Leiter des Innovation Lab ECCO (ILE).
„Wir sehen heute unglaublich viele 3-D-Print-Entwicklungen im Schuhbereich, die lediglich designorientiert sind. Unser Ansatz liegt dabei vielmehr bei der digitalen Aufnahme und Interpretation von Bewegung und orthopädischen Daten. Dies sollte in der Anwendung für den Kunden nicht viel aufwendiger sein, als ein paar Schuhe anzuprobieren und sich darin ein wenig zu bewegen. In die Entwicklung des Algorithmus ist unsere mehr als 50-jährige Erfahrung des Schuhemachens mit eingeflossen“, sagt Carlucci weiter.
ECCO hat zusammen mit Dassault Systèmes FashionLab die Software entwickelt (Dassault ist einer der führenden Software-Entwickler in der Konstruktion von Autos und Flugzeugen). Sie basiert auf einem selbstlernenden System. Es interpretiert und übersetzt biomechanische Daten in geometrische 3-D-Prints. Auch wenn der internationale Rollout der QUANT-U-Stationen noch eine Weile auf sich warten lässt, revolutioniert der Ansatz die Idee vom Maßschuh. Statt alter Handwerkstradition haben Technologievorreiter mit einem innovativen dänischen Schuhhersteller gezeigt, wie der Schuh der Zukunft aussehen könnte. Erst die transversale Zusammenarbeit verschiedenster Innovatoren aus unterschiedlichen Branchen hat das Ergebnis möglich gemacht. Hier liegt ein Ansatz für die ganze Schuhbranche. Sie sollte sich nicht nur vom Auf und Ab der modischen Entwicklung abhängig machen. Mit einem solchen Technologie-Sprung hat sie hervorragende Argumente, techaffine Kunden wieder mit echter Innovation zu faszinieren.