Autor: Winfried Rollmann
Die italienischen Weber und Drucker bleiben weltweit Inspiratoren und Powerhouse textiler Kreativentwicklung. Deshalb lohnt es, die Vorabtrends der Milano Unica zum Trend Herbst/Winter 2019/2020 zu beobachten. Sie wurden vor Kurzem im Teatro Vetra in Mailand der italienischen Textilbranche vorgestellt. Schon die Form der Präsentation zeigt in die Moderne. Multimedial wurden sowohl Screens als auch Materialtische animiert und in Szene gesetzt. Das verdichtet das Storytelling und holt den Betrachter emotional ab.
Das Saisonthema ist „Nations to Nations“ und apostrophiert ein klares Bekenntnis zur Diversität. Es zeigt die positive Vielfalt einer Welt, die Impulse und Inspirationen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen als Bereicherung empfindet sowie Personen und Kulturen miteinander verbindet Der Slogan „United to be unique“ meint das gemeinsame Bewusstsein für universelle Themen, wie Nachhaltigkeit und friedliche Koexistenz, ohne die eigenen Wurzeln, prononcierte Individualität oder selbst Exzentrizität auszublenden. Die generelle Story ist in drei Themen aufgegliedert:
Organic Grunge
Organic Grunge verbindet Einflüsse aus Schottland, der Türkei und Rumänien mit dem Background der in Seattle entstandenen Grunge-Kultur. Ein starker Fokus auf „Sustainable Fabrics“ trifft auf naturverbundene traditionelle Folklore und Rebell-Attitüde. Die Farben sind die warmen, natürlichen und „Detox“-Shades authentischer Outdoors und Blüten.
In den Materialien suchen wir nach ehrlicher Authentizität, inspiriert am Farmerleben. Vollere Cottons, Wolle-Leinen-Mischungen sowie Wasch- und Walk-Effekte. Als Muster haben Tartans eine starke Saison. Balkan-Ornamentik steuert dekorative Narratives bei. Das Paisleymuster ist zurück! Natürliche Unregelmäßigkeit in Garnen und Geweben bringt Muster kreativ in Bewegung.
Protection ist ein Must-have in Plaid-Hüllen und generösen „Puffer“-Jackets.
Handcrafted Essentialism
Handcrafted Essentialism beruft sich sowohl auf Minimalismus als auch auf handwerkliche Tradition. „Minimalismus ist nicht Leere, sondern die sinnstiftende Präsenz des Essenziellen.“ Mit dieser Metapher beschreibt der italienische Künstler und Designer Bruno Munari sein Credo. Südkorea, die Schweiz und Schweden inspirieren mit den rigorosen Linien des Franco-Schweizer Architekten Le Corbusier, mit der Klarheit des schwedischen Designs oder mit der Eleganz koreanischer Kimonos. Farblich setzen sich neben Navy, Beton- und hellen Holz-Nuancen kühle Pastelle, wie Design Rosa, Liquid Gelb und ein leichtes Terra, durch.
Tonale Looks werden in ihrer Ruhe wieder deutlich wichtiger. Bei Stoffen treffen durchkonstruierte edle Unis auf die moderne Performance von Travel Suiting und Neopren-Jerseys. Grafische Muster animieren in Pattern oder Strukturen. Sportakzente aus der Active World sorgen in urbanen Looks weiter für Street Credibility.
Techno Romantic
Techno Romantic matched in einer Dandyallüren-Eleganz und Poesie mit Hightech. Diese Brüche sorgen für Moderne. Auch wenn klassische Ornamentik in Jacquards und Tapisserie oder dekorative Inspirationen aus Belgien, Aserbaidschan und Indonesien Dekoration favorisieren, steht Hightech im Kontrast dazu. Laser und 3-D-Technologie setzen Dekoratives sehr zeitgemäß in Szene. Die Farbpalette bevorzugt neben Bronze und tiefem Schoko barocke Burgundy- und Viola-Nuancen. Für Menswear ist der glamourösere Ansatz eine spannende Geschichte. Wie der wertige Handel bestätigt, sind Jacquards, Glanz oder Velvet schon jetzt ein gutes Thema für junge selbstbewusste Männer, die mehr und mehr Spaß daran haben, sich in Szene zu setzen. Eins ist klar: Das hat natürlich deutlich mehr mit Disco-, Instagram- oder Selfie-Kultur als mit gediegener Eleganz zu tun.