Autorin: Nina Peter
Wer bisher auf Instagram einem Produkt hinterher jagen wollte, dem konnte leicht die Lust auf diesem Wege vergehen, denn er kam garantiert nicht schnell genug an sein Ziel, wenn er es überhaupt erreichte. Grund dafür ist zweifelsohne, dass die App in erster Linie nicht zum Shoppen konzipiert wurde, sondern um möglichst schnell und sehr benutzerfreundlich Bilder und Momentaufnahmen mit anderen Nutzern zu teilen. Was den konkreten Verkauf von Produkten betrifft, so konnte, oder wollte Instagram die Ansprüche von Nutzern bislang nicht realisieren. Bisher führte bei den so beliebten bezahlten Partnerschaften ein Labyrinth aus Textwüsten mit Hashtags und Verlinkungen zum Hersteller eines Produkts und von dort aus zur Website, oder zum Onlineshop der Marke und wer dort überhaupt noch ankam, für den ging dann erst einmal die Suche nach dem konkreten Produkt los. Ein viel zu langer Weg, der mit zahlreichen Stolpersteinen zu viele Gelegenheiten zum Abkommen bot. Die App hat nun darauf reagiert und in Deutschland ab dem 20. März offiziell die in Amerika bereits gängige Shopping Funktion eingeführt. Überraschend kommt dieser Schritt nicht, denn dass aus der Bildplattform inzwischen längst ein Netzwerk aus professionellen und einflussreichen Produktvermarktern geworden ist, welches eine potenzielle Reichweite von alleine in Deutschland 15 Mio. Nutzern hat, macht ja durchaus kreativ. Die Türen zu den weltweit 800 Mio. Usern stehen kleinen wie großen Marken fortan noch einmal mehr offen, denn die Voraussetzungen für das Shopping-Tool sind einfach zu erfüllen. Dass das Interesse der Nutzer an Marken vorhanden ist, zeigt alleine das 80 % der User mindestens einem Unternehmen folgen.
Wie funktionierts?
Für den User sehr unkompliziert. Die Produkte sind mit einem Einkaufstaschen-Symbol gekennzeichnet, ebenso wie das Profil des Anbieters. Pro Bild können fünf Markierungen gesetzt werden, die Produktinfos und den Preis anzeigen und deren Link dann direkt zum Onlineshop des Herstellers führt.
Für Hersteller ist ein Business-Account Voraussetzung, dieser setzt per se schon einmal einen Account bei dem verwandten Netzwerk Facebook voraus, wo im besten Falle bereits ein Shop oder Produktkatalog eingerichtet sein sollte. Instagram selber bietet dann ausführliche Analysen über Interaktionen, Impressionen, Stories und Postings.
Ein Blick in die Zukunft – Chancen und Gefahren für den Handel
Mode- und Markenexpertin Carina Erhardt und Markenstratege Prof. Dr. Karsten Kilian von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt haben für FT einmal die Dimensionen und Konsequenzen der Einführung für den Handel beleuchtet.
Carina Erhardt: „Der Entwicklung von sozialen Medien zufolge war es nun an der Zeit, dass auch Instagram hier einen Schritt weitergeht. Durch die Instagram-Shopping-Funktion kann der Kunde entlang seiner Customer Journey jetzt nicht mehr nur inspiriert, sondern direkt zum Kauf ,geleitet‘ werden. Ein neuer und relevanter Traffic-Kanal entsteht somit über die Shopping-Funktion und rückt den ,Social Commerce‘ ins Rampenlicht. Wo früher über die Instagram-Biografie nur ein einzelner Link hinterlegt werden konnte, bot die Verlinkung in der ,Story‘ schon den direkten Weg zur Website an, ohne große Streuverluste. Nun noch ein weiterer Schritt durch die Shopping-Funktion, die ,Social‘ und ,Commerce‘ immer mehr miteinander verschmelzen lässt.“
Prof. Dr. Karsten Kilian: „Instagram wird damit zu einem Multi-Marken-Shopping-Kanal. Mode und Fitness dominierten Instagram schon seit jeher, weshalb die Shopping-Funktion die logische Konsequenz war, ja sein musste. Instagram wird damit immer mehr zu einem regulären Verkaufsportal, weshalb die Gefahr besteht, dass es seinen ,sozialen Charakter‘ verliert und sich, in der Wahrnehmung der Nutzer, zu einem weiteren Shopping-Kanal entwickelt, worunter die Glaubwürdigkeit des Medienformats und das Image der zahlreichen Influencer auf Instagram leiden könnten.“
FT: Welche Konsequenzen könnte diese Veränderung für die vielen traditionellen Marken haben, die häufig gerade erst angefangen haben, sich mit Social-Media-Aktivitäten zu beschäftigen?
Erhardt: „Social Media sind seit der Gründung von Facebook 2004 einem ständigen Wandel der Funktionen ausgesetzt, die in vielen Bereichen (Werbung, Commerce etc.) die Regeln neu definiert haben. Zu Beginn praktizierten die Unternehmen einen ,Trial and Error‘-Ansatz, da es kein ,How-to‘ als Orientierung gab. Durch die intensivere Beschäftigung mit Social Media hat eine Professionalisierung stattgefunden, die im weiteren Verlauf auch zu einem klaren Verständnis über die Auswirkungen der einzelnen Funktionen führte. Traditionelle Unternehmen, die sich nun in das für sie unbekannte Gebiet wagen, starten hier wie die ,Pioniere‘ quasi bei ,null‘, sofern sie sich kein externes Know-how dazukaufen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Social-Media-Agenturen, die Unternehmen hierbei beraten und unterstützen, aber das Verständnis hierfür muss auch intern geschaffen werden. Eine weitere Problematik haben traditionelle Unternehmen, die ihren Fokus primär auf den Abverkauf in der Offline-Welt legen und die Zielgruppe von morgen und ihre Einkaufspräferenzen im Online-Bereich nicht bedienen. Die Customer Journey ist und wird sich langfristig markenspezifisch aus verschiedenen Online und Offline Touch Points zusammensetzen. Die Instagram-Shopping-Funktion zeigt, dass ein einzelner Kanal fallweise auch die gesamte Journey abdecken kann. Wer das damit verbundene Potenzial nicht erkennt, verliert mit den Millennials eine attraktive Zielgruppe.“
Kilian: „Neben dem Know-how im Umgang mit Instagram ist vor allem die Kooperation mit adäquaten Influencern auf Instagram von zentraler Bedeutung für Marken, insbesondere wenn es sich um weniger bekannte Marken handelt. Ein Großteil der etablierten, großen Marken ist schon seit mehreren Jahren auf Instagram aktiv. Für die Nachzügler gilt: schnell intern Know-how im Umgang mit Instagram aufbauen und eine langfristige Influencer-Strategie entwickeln, mit der die über Instagram erreichbaren Zielgruppen markenkonform adressiert werden können.“
Kann eine solche Umwälzung sie jetzt noch einmal mehr den Anschluss verlieren lassen?
Erhardt: „Es besteht die Gefahr, dass der Anschluss langfristig verloren geht, wenn nicht spätestens jetzt eigene Aktivitäten auf Instagram gestartet werden. Die Digitalisierung verändert die Geschäftswelt spürbar. Wer diesen Wandel nicht versteht und mitgeht, läuft Gefahr, den unausweichlichen Schrumpfungsprozess in der ,alten Generation‘ nicht durch die Gewinnung neuer, jüngerer Zielgruppen kompensieren zu können.“
Kilian: „Wenn sich die Kaufmuster ändern, muss sich auch die Vermarktung des Unternehmens verändern. Die Bestandskunden werden älter und damit über kurz oder lang weniger. Es gilt deshalb, immer wieder den Zugang zu neuen, jüngeren Zielgruppen zu finden. Ein, wenn nicht sogar der zentrale Zugang zur jungen, modebewussten Zielgruppe ist Instagram. Viele junge Leute sind dort, informieren sich, kommentieren neueste Outfits – und können, was ihnen gefällt, jetzt mit wenigen Klicks direkt bei Instagram kaufen. Das wird auch für ABOUT YOU, zalando und Co zur Gefahr, die sich deshalb selbst der neuesten Features von Instagram bedienen, um ihre Zielgruppe zu erreichen und – idealerweise – auf ihre Shopping Site zu locken.“
Wie müssten diese jetzt ihre Marketingstrategien verändern?
Erhardt: „Die Online-Welt, insbesondere die sozialen Medien müssen im Mediamix eine größere Rolle spielen. Ein großer Vorteil ist hier nicht nur die Präsenz der Zielgruppe, gerade der jungen Zielgruppe, sondern auch die Nachvollziehbarkeit von Werbemaßnahmen und die Möglichkeit der Kundenäußerung über den Rückkanal. Für die Marketingstrategie bedeutet dies, nicht nur die klassischen Medien entlang der Customer Journey zu nutzen, sondern auch Online-Kanäle entlang der Journey gezielt zu integrieren.“
Kilian: „Die Marketingstrategien ändern sich vom Grundsatz her nur wenig, die Ausgestaltung dafür umso mehr. Sie muss den neuen Möglichkeiten, die durch die zunehmende Digitalisierung der Welt entstanden sind, angepasst werden. Vor Jahren waren klassische Prominente die präferierten Multiplikatoren. Heute sind es vor allem junge Frauen und Männer, die über die sozialen Medien bekannt geworden sind und ihre Reichweite ,meistbietend‘ vermarkten.
Mit Instagram ist ein neuer Shopping-Kanal entstanden, der bisher sehr „kulturell“ war und jetzt immer mehr „kommerzialisiert“ wird. Der direkte Abverkauf ist möglich – und wird verstärkt genutzt. Es ist ja auch so schön einfach – zwei, drei Klicks, gekauft! Wer nicht auf „Insta“ ist, wird kaum noch wahrgenommen. Und wer nicht wahrgenommen wird, wird auch kaum noch gewählt. Die Kommunikation wird nicht nur digitaler, sie wird auch interaktiver. Kommentare der Nutzer wollen „geherzt“ und Fragen zeitnah beantwortet werden. Vertriebstechnisch wird Instagram für Modelabels zum zentralen „Katalog“; Direktlink zum eigenen Online-Shop und Vermittlungsprovision für Instagram inklusive. Die klassischen Werbeanzeigen in Frauen- und Männerzeitschriften verlieren damit weiter an Bedeutung, da der Online-Shop dort nicht nur einen Klick entfernt ist, sondern erst umständlich über Webadresse oder QR-Code eingegeben beziehungsweise eingelesen werden muss. Zudem kostet Instagram den Nutzer nichts (außer der Preisgabe seiner Nutzerdaten), es ist überall und jederzeit dabei und insbesondere junge Menschen verbringen dort tagtäglich ein bis zwei Stunden. Das ist (aktuell) ihr Ort, der nun immer mehr zu ihrer präferierten Shopping Location wird – bis die nächste Plattform den Hype um Insta ablöst – und der Jäger zum Gejagten wird.“
Carina Erhardt hat International Fashion Retail an der Hochschule Reutlingen studiert, bevor sie 2017 mit dem Masterstudium Marken- und Medienmanagement (www.m3ve.de) an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt begonnen hat.
Prof. Dr. Karsten Kilian leitet den Marken- und Medienmaster in Würzburg. Mit Markenlexikon.com hat er das größte Markenportal im deutschsprachigen
Raum aufgebaut: www.markenlexikon.com.