Auf den Schuh gekommen
Vom Film auf den Schuh zu kommen, ist schon ungewöhnlich. Aber Detlef W. Stichling hat es getan, obwohl er mit zwei Goldenen Löwen gut im Werbefilmgeschäft war. Vor 25 Jahren gründete Stichling die PRIME SHOES GmbH und verkauft seither unter dem gleichnamigen Label rahmengenähte Schuhe vorwiegend im Modehandel. Doch wie geht ein Spezialist mit dem wachsenden Wettbewerb der Vollsortimenter um, die inzwischen auch Schuhe in ihr Programm aufgenommen haben? Antworten gibt Stichling im FT-Interview.
Detlef W. Stichling studierte nach einer Schreinerlehre Geschichte und BWL in München. 1984 stieg er in die Werbefilmbranche ein. Zunächst als Locationscout in München, war er wenige Jahre später als Produktionsleiter tätig. 1986 wurde Stichling in Cannes für seine Produktion für Amnesty International zum ersten Mal mit dem Goldenen Löwen für seine Arbeit als Produzent ausgezeichnet. 1989 erhielt er seinen zweiten Goldenen Löwen. Diesmal für seine Arbeit als Co-Produzent für einen Film, den Stichling für die Münchner Firma Topp Kopie produziert hatte. Bis 1993 blieb er dem Werbefilm treu. Dann legte Stichling die Kamera beiseite und stieg ins Schuhgeschäft ein. Seit 1998 ist er der alleinige Inhaber der PRIME SHOES GmbH.
FT: Herr Stichling, wann haben Sie das letzte Mal einen Fremdmarkenschuh gekauft?
Detlef W. Stichling: „Das ist noch gar nicht lange her. Ich mache das regelmäßig, um zu sehen, was sich am Markt tut.“
Im Schuhfachgeschäft?
„In einem Converse Store. Ich bevorzuge Mono-Label-Stores, weil mich die Marke interessiert und weniger der einzelne Schuh. Die Markenaussage lässt sich in einem Mono-Label-Store am besten ablesen, weil die gesamte Markenwelt abgebildet wird. Ich gehe aber auch in klassische Schuhläden, um mich auf dem aktuellen Stand zu halten.“
Sie sind vor 25 Jahren mit PRIME SHOES gestartet, warum ausgerechnet Schuhe?
„Ich habe früher recht erfolgreich Werbespots gedreht und bekam 1986 sogar einen Goldenen Löwen für einen Spot für Amnesty International. Aber irgendwann kam ich an einen Punkt, an dem der Job mir nichts mehr gab, und ich verlor das Interesse. 1993 fragte mich ein Filmauftraggeber, ob wir nicht handgefertigte Schuhe zusammen verkaufen wollen. Ich war sofort dabei. Mein Partner kümmerte sich um das Produkt und ich mich um den Vertrieb. Später, als der Westernstiefel der Schwesterfirma aus der Mode kam, habe ich PRIME SHOES komplett übernommen und 1996 mit einem eigenen Außendienst angefangen, das Unternehmen neu aufzustellen. Ich habe nach dem Abi mal eine Schreinerlehre gemacht und liebe Handwerk. Und der Schuh ist einfach ein schönes Produkt, besonders, wenn es von handwerklicher Qualität ist. Sie schaffen etwas Konkretes, das Sie in die Hand nehmen können und, anders als ein Film, sich nicht verliert, sondern bleibt.“
Konzeptionell haben Sie sich 2001 an Fashion Stores gerichtet, was gab den Ausschlag dazu?
„Den Schwenk zur Fashion habe ich schon ein, zwei Jahre früher angeschoben. Sie müssen als Unternehmer immer einen Schritt weiter denken. Also fragte ich mich, welche Zukunft ich in dem doch sehr traditionell geprägten Schuhhandel habe. Die Einkäufer beschäftigt eher die Frage, welcher Händler deinen Schuh vertreibt und wie lange es deine Firma schon gibt, als die Frage der Qualität und Verkäuflichkeit. In der Mode sind die Einkäufer offener für Neues, schon allein, weil die modischen Veränderungen deutlich schneller vonstattengehen und die Produktwelt bunter, vielfältiger ist. Überzeugt der Schuh, wird auch geordert.“
Wie viele Händler beliefern Sie inzwischen?
„Alles in allem kommen wir auf rund 800 kaufende Kunden im In- und Ausland. Stationäre Händler und auch Online-Anbieter wie herrenausstatter.de oder zalando; Händler, die nur ein Paar Schuhe kaufen, und solche, die vierstellige Stückzahlen abrufen.“
Die deutsche Schuhindustrie ist stark vom inländischen Markt abhängig, Sie auch?
„In der Tat laufen auch bei uns drei Viertel des Geschäftes auf dem Heimatmarkt. Jenseits der Grenzen verkaufen wir unsere Schuhe in Österreich, der Schweiz und Nordamerika, wo wir mit einem Importeur zusammenarbeiten.“
Wie viele reine Schuhgeschäfte beliefern Sie noch?
„Heute beliefern wir zu 90 Prozent Modehändler, aber wir haben immer noch auch gute Schuhfachgeschäfte wie zum Beispiel FIFTY-6 in Saarbrücken oder REINDL in Rosenheim als Kunden. Leider hat sich im klassischen Schuhhandel konzeptionell wenig getan, sodass diese Läden noch deutlich in der Minderheit sind. Wenn ich ein durchschnittliches Schuhgeschäft oder einen Fachmarkt betrete, fühle ich mich mindestens zehn Jahre zurückversetzt, jedenfalls meist.“
Konkurrenz belebt das Geschäft
Der Druck wächst im Markt. In einem nicht eben leichten Umfeld kommt neue Konkurrenz hinzu. Der Bundesverband des Deutschen Schuheinzelhandels meldet für 2017 ein Umsatzplus von 1,5 Prozent. Damit liegt die Entwicklung noch unterhalb der von der EZB angestrebten Inflation von 2 Prozent. PRIME SHOES zielt zwar auf den klassischen Mode-, weniger aber auf den Schuhhandel. Aber der Mann gilt als Bedarfskäufer. Hat er Schuhe erworben, wird er selten im selben Moment ein weiteres Paar kaufen. Modemarken wie bugatti oder BOSS sind vor Jahren schon auf den Schuh gekommen. Und es werden mehr, nach ROY ROBSON und BENVENUTO. zum Beispiel ist DIGEL erfolgreich mit Schuhen gestartet. In diesem Jahr planen die Nagolder mit einem Volumen von 100.000 Schuhen. PRIME-SHOES-Chef Stichling reagiert und sieht auch Chancen für sein Unternehmen, denn neue Anbieter sensibilisierten den Modehandel für das Thema.
Wie laufen die Geschäfte aktuell?
„Der Markt ist nicht einfach. Wenn wir dieses Jahr mit einem Pari herauskommen, bin ich zufrieden. Man muss aber auch sehen, dass wir all die Jahre zuvor stetig gewachsen waren.“
Viele Menswear-Spezialisten haben den Komplettlook für sich entdeckt und verkaufen auch Schuhe. bugatti, ROY ROBSON oder auch DIGEL, um einige zu nennen. Auch wenn Sie Ihre Schuhe preislich weiter oben positionieren, kann der Euro nur einmal ausgegeben werden. Zumal die Umsatzbedeutung dieser Marken für den einzelnen Händler auch ins Kalkül gezogen werden muss. Wie sehr trifft Sie die neue Konkurrenz?
„Der Modehandel hat als Komplettanbieter Schuhe für sich entdeckt. Jetzt springen auch andere Schuhhersteller auf den Zug auf, wobei ich nicht verstehen kann, warum Händler dann ausgerechnet den schwarzen LLOYD-Schuh ordern, der auch schon im klassischen Schuhhandel neben vielen anderen schwarzen Schuhen steht. Um auf Ihre Frage einzugehen: Als BOSS in den 1990er-Jahren mit Schuhen mit dem Fokus auf den Modehandel auf den Markt kam, dachte ich für mich, jetzt wird es eng. Aber das Gegenteil ist passiert. BOSS, aber auch Firmen wie bugatti, ROY ROBSON, DIGEL oder BENVENUTO. öffnen den Markt, denn sie alle, wie wir übrigens auch, sensibilisieren den Modehandel für Schuhe. Daraus erwachsen für uns als Produktspezialist Chancen. Ich habe Respekt vor der Leistung dieser Marken, aber die Komplettanbieter müssen erst einmal den Beweis antreten, dass sie das Geschäft nachhaltig beherrschen. Preislich, aber auch qualitativ bewegen wir uns mit den rahmengenähten Schuhen schon in einer anderen Liga. Wir haben immer neue Wettbewerber, denen wir uns stellen müssen, sei es BOSS oder das Internet mit Direktverkäufen.“
Wie gehen Sie damit um – ausweichen oder angreifen?
„Ausweichen können Sie gar nicht. Wir gehen den Markt aktiv an und haben preislich unten angebaut. So verkaufen wir seit zweieinhalb Jahren unter HAMLET auch Schuhe, genauer gesagt Mokassins ab 125 Euro. Das geht dann weiter mit der Hochzeitskollektion ab 149 Euro bis hin zu den modischen Teilen für 229 bis 239 Euro. Bei PRIME SHOES beginnen wir mit der Flexline, einem Business-Schuh mit echten Sneakereigenschaften zwischen 180 und 195 Euro im VK. Die rahmengenähten Schuhe liegen bei 250 bis 350 Euro. Gleichzeitig bieten wir mit unserem Lagersystem die Möglichkeit, einzelne Paare nachzuziehen. Immerhin gehen 70 Prozent unseres Geschäftes über Lager und nur 30 Prozent über Vororder.“
Was sagt der Handel?
„Wir spüren, dass Bedarf nach Innovationen besteht. Die Resonanz auf unseren neuen Sacchetto-Schuh war sehr positiv. Ich muss aber auch klar sagen, dass wir trotz allem kein Fashion-Vorreiter sind, sondern uns eher beim klassischen Business-Schuh sehen.“
Haben Sie besondere Maßnahmen ergriffen oder bestimmte Rädchen gedreht, um mit dieser Situation besser klarzukommen?
„Wir bieten mit unseren Schuhen und dem Lagerprogramm ein System, das einfach und schnell umzusetzen ist. Technologisch haben wir auch die Prozesse im Griff. Allerdings wollen wir den Service und die Händlerbetreuung noch ausbauen. Wir müssen die Kompetenz für Fashion in den Mittelpunkt stellen, nicht mal so sehr das Produkt, sondern eher den Abverkauf und die Produktwelt Schuhe.“
Sie haben mit HAMLET schon 1996 preislich unten angebaut. Wie viel Umsatz machen Sie inzwischen damit?
„HAMLET ist ein eigenständiges Label, so wie CG CLUB of GENTS bei Création Gross. Heute machen wir rund 40 Prozent unseres Umsatzes mit der Marke.“
Es gibt ein Package von HAMLET zum 25. Jubiläum. Warum keines von PRIME SHOES?
„Wir haben ein Package aufgelegt, das aus einem Paar Schuhe und dem dazu passenden Gürtel besteht. Ich hänge mich jetzt nicht so sehr an PRIME SHOES auf. Wir wollten etwas mit Farbe machen und das passt zu HAMLET einfach besser. Außerdem ist ein solches Package bei einem Schuh für 200 Euro glaubwürdiger als bei einem Schuh für 400 Euro.“
Sind weitere Aktivitäten für dieses Jahr geplant?
„Wie eben angedeutet, arbeiten wir an konkreten Projekten, um den Handel beim Verkauf seiner Schuhe zu unterstützen. Konkreter möchte ich im Moment nicht werden.“
Es existieren auch Mono-Label-Stores. Wie viele sind es inzwischen?
„Aktuell gibt es drei Stores in Deutschland und einen in Graz.“
Sind alle Stores Franchise-Modelle?
„Den Münchner Store betreiben wir selbst, die anderen sind Partner-Läden.“
Welche Bedeutung hat für Sie der eigene Retail, also Store und Online-Shop?
„Der eigene Retail, on- wie offline, ist strategisch wichtig. Wir können die gesamte Produktwelt abbilden und nicht nur eine Auswahl, die der Händler für seinen Laden trifft. Es ist ein Unterschied, ob Sie mit 60 bis 80 Modellen arbeiten oder nur mit fünf oder zehn auf der Fläche. Generell unterstützen Mono-Label-Stores und Online-Shop auch die Marke. Als Gesamtbild, aber auch im konkreten Fall, wenn Endkunden dort einkaufen und die Marke dann im Wholesale wiederfinden. Außerdem betrachten wir den eigenen Retail als Testlabor, zum Beispiel für neue Farben. Ganz abgesehen davon müssen wir die Prozesse und Technologien kennen, mit denen unsere Wholesale-Kunden arbeiten, um sie bestmöglich zu unterstützen.“
Was haben Sie damit strategisch vor?
„Wir würden jetzt nicht an einem guten Geschäft vorbeigehen. Strategisch werden wir aber im Wholesale wachsen, nicht mit eigenem Retail.“