Autor: Markus Oess
Marken altern mit ihren Kunden. Also müssen Lieferanten ihre Labels immer ein Stück neu erfinden, weiterdrehen, um den Anschluss nicht zu verpassen und abgehängt auf dem modischen Abstellgleis zu verkümmern. Die Erkenntnis ist nun nicht ganz neu, aber ihre Umsetzung ist immer aufs Neue spannend. Wie gehen Markenanbieter damit um, die nicht im Brennpunkt der modeinteressierten Öffentlichkeit stehen und ohne Pomp und Promi ihren Geschäften nachgehen? Zwei Praxisbeispiele.
„Stelle dir Menschen vor in einer unterirdischen Wohnstätte … von Kind auf sind sie in dieser Höhle festgebannt. … (sie) sehen nur geradeaus vor sich hin … von oben her aber aus der Ferne von rückwärts erscheint ihnen ein Feuerschein; zwischen dem Feuer aber und den Gefesselten läuft oben ein Weg hin, längs dessen eine niedrige Mauer errichtet ist … Längs dieser Mauer …. tragen Menschen allerlei Gerätschaften vorbei … Können solche Gefangenen von sich selbst sowohl wie gegenseitig voneinander gesehen haben als die Schatten, die durch die Wirkung des Feuers auf die ihnen gegenüberliegende Wand der Höhle geworfen werden? … Durchweg also würden die Gefangenen nichts anderes für wahr gelten lassen als die Schatten der künstlichen Gegenstände.“ Zugegeben, FT ist kein philosophisches Fachblatt und will es auch gar nicht sein. Aber das berühmte Höhlengleichnis des griechischen Philosophen (hier zitiert nach thur.net) kann genauso auf die Marke angewendet werden. Denn was sonst ist sie als ein bloßes Abbild eines künstlichen Gegenstandes?
Weit profaner sind denn aber die Schlussfolgerungen für die Markenanbieter, denn anders als im Gleichnis sind die Konsumenten nicht festgebunden, können aufstehen, sich umsehen und hinter das Abbild schauen – und sie können gehen. Manche Marken erleben einen kometenhaften Aufstieg, um nur kurze Zeit später genauso schnell wieder vom Modehimmel zu verschwinden. Wer spricht heute noch von Ed Hardy oder CAMP DAVID anders als im Imperfekt? Allerdings kennt die Branche auch den langsamen Tod, Marken, die sich schleichend vom Irdischen verabschiedet haben. Egal ob RENÉ LEZARD, STRENESSE, American Apparal, das Ökolabel KUYICHI, es gibt keinen Schutzraum für Modemarken, auch wenn der wirtschaftliche Niedergang viele verschlungene Wege kennt. Sind Marken stärker gefährdet, die unaufgeregt ihren Job machen und ein Publikum bedienen, das sich eben nicht aus erklärten Fashionistas zusammensetzt, einfach weil es zu ruhig und beschaulich zugeht und irgendwann die Kunden das Zeitliche gesegnet haben? Exitus durch erweitertes Aussterben gewissermaßen? Ein nicht enden wollender Autobahnritt bei Tempo 80, bei dem der Fahrer aus Langeweile einschläft?
Markenentwicklung von Hajo und m.e.n.s. im Überblick
FT hat zwei erfolgreiche Markenartikler gefragt, die modisch betrachtet in ruhigerem Fahrwasser unterwegs sind, sich aber sehr wohl viele Gedanken um Marke und Markenführung machen – und diese konsequent umsetzen. Im Jahr 1970 gründete Hans-Jochen Müller die Firma hajo-strick. Aus den kleinen Anfängen eines Quasi-Einmannbetriebes entwickelte sich in den letzten 45 Jahren ein Familienunternehmen mit mehr als 80 Beschäftigten, das im fränkischen Weiden unter hajo POLO & SPORTSWEAR firmiert und bei den Polos im deutschen Fachhandel zum Marktführer aufgestiegen ist. Wolfgang Müller führt das Unternehmen als Geschäftsführer Marketing/Vertrieb in der zweiten Generation. Müller trat 2001 ins Unternehmen ein. „hajo war ein klassischer Importeur von Strick und Wirk, verschiedene Labels, recht große, unstrukturierte Kollektion, unterschiedlichste Vertriebswege, wenig stringente Markenarbeit, es waren einfach andere Zeiten“, berichtet der hajo-Chef. „Unser strategisches Ziel war es, eine Marke mit klarem Profil, klarem Fokus, echten Kernkompetenzen und Fachhandelsorientierung zu erschaffen.“
Natürlich habe sich alles an der Realität im Laufe der Jahre noch geschärft und entwickelt, wie er sagt. Heute beschreibt Müller hajo als eine relevante Marke im Fachhandel in Mitteleuropa mit den beiden Standbeinen Poloshirts und Sweatshirts. „Wir haben ein Netzwerk von sehr guten Vertriebsagenturen und repräsentativen Schauräumen, die Bildsprache der Werbung variiert ein erfolgreich etabliertes Muster, die Kollektion haben wir über die Jahre Zug um Zug modernisiert. Ziel bleiben weiterhin eine noch bessere Sichtbarkeit am PoS, eine noch größere Bekanntheit beim Endkunden und eine weitere Optimierung des Händler-Portfolios.“ Müller weiß, dass der ältere Kunde von damals modischer und aufgeschlossener ist, was Farben und Dessins angeht, gleichzeitig hat das Label jüngere Verbraucher hinzugewonnen. Geholfen hat vor allem die „hajo-Vintage“-Linie, die auf „stonewashed“, Modern-Fit-Schnitten und trendgerechten Farben und Dessins basiert.
Sportsponsoring als wirksames Mittel
Der Imagewandel kam indes nicht von selbst, sondern wurde über die Jahre entwickelt. hajo sponsert die German Polo Tour als Bekleidungsausstatter. Ein Riesending für Müller, auch wenn der Deal fast schon beiläufig zustande kam. „Das Sportsponsoring hat sich durch Zufall ergeben, aber es passt auf hajo als marktführenden Poloshirt-Anbieter natürlich nahezu perfekt: Das Markenlogo ist ein fliegendes Pferd (seit 2008), die Polospieler tragen das Poloshirt während des Sports und die Namensgleichheit ‚Polosport‘ beziehungsweise ‚Poloshirt‘ bedarf keiner langen Erklärung. Polo ist zwar in Deutschland wenig bekannt, doch das damit assoziierte Image ist enorm. Viele Kunden kommen gerne zur ‚German Polo Tour‘, die wir mittlerweile im zweiten Jahr ausstatten.“ Müller nutzt auch gezielt die digitalen Medien. Mehr noch, er sieht das Internet als Kommunikationskanal, der zur Marke gut passt. hajo postet das aktuelle Kollektionsvideo auf YouTube. „Die Kanäle Facebook und Instagram bespielen wir ebenfalls. Neben einem Geschäftskunden-Shop gibt es mittlerweile auch einen stark wachsenden Endkunden-, also B2C-Shop, unter hajo-mode.com. All das ist heute notwendig im Sinne moderner Markenführung“, sagt Müller.
“Wir optimieren die Kollektion, schärfen unser Profil, um uns gegenüber den Mitbewerbern abzugrenzen. Wir werden das Händlernetz kontinuierlich ausbauen, nicht zuletzt dank massiver Unterstützung durch Werbung am PoS und im Internet.”
Und um das Höhlengleichnis zu bemühen, stehen die Händler hierzulande auf, schauen, was sich wirklich hinter dem fränkischen Label verbirgt? „Je nachdem, es kommt immer auf den einzelnen Entscheidungsträger an. Manche sind aufgeschlossener als andere. Es ist ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Die Schubladisierung über Jahre hinweg ist in Deutschland größer als anderswo, aber wir sind auf einem guten Weg“, antwortet Müller. Bei all dem haben die Investitionen in die Vertriebswege (neue Agenturen, ansprechende Schauräume), die Imagebroschüren und Videos sowie mehrere Kampagnen am PoS zur Abverkaufsunterstützung eine entscheidende Rolle eingenommen – und der persönliche Einsatz des Verkäufers vor Ort bei den Kunden. Der Verbraucher dagegen kaufe, was er wolle. Er halte sich mit Markenhistorie und -theorie nicht weiter auf. „Am besten ist das im Online-Geschäft spürbar, wo wir die jüngsten Produkte sehr gut verkaufen. Wir verfolgen den eingeschlagenen Weg weiter. Wir optimieren die Kollektion, schärfen unser Profil, um uns gegenüber den Mitbewerbern abzugrenzen. Wir werden das Händlernetz kontinuierlich ausbauen, nicht zuletzt dank massiver Unterstützung durch Werbung am PoS und im Internet.“
mobil elasto new style
mobil elasto new style klingt nun nicht sexy – setzt man die Anfangsbuchstaben zusammen, ergibt sich eine Marke, von der, noch bevor sie überhaupt auf den Markt kam, die Menschen sicher waren, diese auch mehr oder weniger regelmäßig zu kaufen. Das ergab die Marktforschung. Die Rede ist von dem Hosenlabel m.e.n.s. mit Sitz in Bückeburg. 1901 übernehmen Fritz Heinecke und Arnold Klaproth den Baumwollgroßhandel von ihrem Chef und führen diesen unter eigenem Namen fort. Dann konzentriert sich das Unternehmen auf die Produktion von Hosen und stellt 1971 die erste Dehnbundhose unter der Marke „mobil elasto“ vor. 2004 wird aus „mobil elasto“ „mobil elasto new style“, kurz m.e.n.s.
Eine ehrliche, gute Hose mit traditionellen Markenwerten
Heute führt Peter Klaproth die Geschäfte in Bückeburg. Er sagt: „Apple hat Jünger, wir nicht. Fans unbedingt, aber keine Jünger. Wir sind keine Marke, für die Leute zwei Tage vor dem Laden zelten, um als Erster dran zu sein. Wir sind auch keine Lifestyle-Marke, die Leute zu besseren Menschen oder ihr Leben spannender macht. Außer vielleicht, dass unsere Hosen in der Tat verdammt bequem sind.“ m.e.n.s. ist Produktspezialist. Das Unternehmen produziere eine ehrliche, gute Hose mit traditionellen Markenwerten, die da heißen: Passform, Qualität, Verarbeitung. „Unser Kunde kauft bewusst unsere Hose, weil er gut gekleidet sein will und Wert legt auf ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Sehr gute Leistung, dazu passender Preis. Wir stellen in unserer Kommunikation das Produkt in den Mittelpunkt, nicht das Versprechen eines abstrakten oder konstruierten Lebensgefühls.“
Klaproth hat keine Angst, dass ihm die Kunden aussterben. Im Gegenteil, die demografische Entwicklung kommt ihm entgegen.
„Wir sprechen mit unseren Hosen eine Kundengruppe an, die sehr kaufkräftig ist und die obendrein zahlenmäßig in der Gesamtbevölkerung sehr stark vertreten ist. Und zum anderen veränderte sich in den letzten Jahren das Kaufverhalten der älteren Semester in Richtung jünger und modebewusster. ,Alte Hosen‘ haben wir schon lange nicht mehr im Programm.“
m.e.n.s. entwickelt die Kollektionen zeitgemäß weiter – inzwischen ist die nach eigener Aussage wichtigste Produktlinie der Modern-Bereich. „Produktpflege gehört zum Grundrauschen der Entwicklungen. Jünger und moderner sind die neuen Modelle aus unserer Beat-Linie, die seit rund zwei Jahren in Inch-Größen positioniert ist – das sind komplett andere Schnitte. Dort finden Sie Modelle wie Houston, LH Jab oder Jay Do, die so mancher traditionsreiche Händler bei uns gar nicht vermutet“, sagt der m.e.n.s.-Chef. Modisch bricht das Unternehmen keine Revolution vom Zaun oder unterwirft sich einem falsch verstandenen Modediktat. „Leggins für Männer und Skinny sind für uns tabu. Aber wir entwickeln uns evolutionär und tragen den modischen Veränderungen, die die Mehrheit der Konsumenten tatsächlich trägt, Rechnung. Und das in Verbindung mit dem eben genannten Markenkern. ‚Disposables‘ produzieren andere“, betont Klaproth.
Digitale Medien nicht unbedingt als Mittel der Wahl
Und auch hier taucht wieder die Schublade auf, in der wir unser Leben gerne aufteilen und ordnen. „Wir stehen im Marketing immer wieder vor der Aufgabe, faktenlose Vorurteile aufzubrechen und gegen Schubladendenken anzugehen. Als ich vor zwölf Jahren operativ ins Unternehmen kam, war der Markenwechsel von mobil elasto zu m.e.n.s. schon zwei, drei Jahre vollzogen. Aber es gab immer noch eine Vielzahl von Händlern, für die wir noch die ,mobil elasto‘- oder sogar die ,Heinecke‘-Hose waren. Langjährige Prägungen ändern sich halt nur langsam“, sagt Klaproth. Das ist kein m.e.n.s.-Problem, sondern ein menschliches. Menschen denken gern in festen, vertrauten Mustern und stellen Fakten hintenan. „So zählt es zu den wichtigsten Aufgaben in Marketing und Kommunikation, vorhandene Schubladen zu öffnen und mit aktuellen Informationen zu füllen – jede Saison aufs Neue.“ Klaproth sieht im Gegensatz zu hajo-Chef Müller in den digitalen Medien (Stichwort Influencer Marketing und Social Media) nicht unbedingt das Mittel der Wahl. „Wir bedienen eine arrivierte Klientel, die, wie wir meinen, mit eigenem Urteil und der Meinung vertrauter Begleiterinnen und Begleiter Kaufentscheidungen treffen. In Kombination mit guter Beratung durch den Fachhandel schafft das mehr Marken- und Produktbindung als durch unbekannte Dritte, die offensichtlich im anonym-digitalen Raum Werbung für irgendeine Marke machen. Und hier schließt sich der Kreis. Wir machen ein ehrliches Produkt, sprechen auch genauso darüber und liefern ab.“ Letztlich entscheidet das Markenbild über den Erfolg. Es kommt darauf an, die richtige Sprache zu finden, um es den Kunden begreiflich zu machen und es mit ehrlichen Inhalten zu füllen. Es könnte ja einer auf die Idee kommen, doch mal nachzusehen.