Autor: Markus Oess
Zwischen der ersten Messe zum Saisonauftakt und der letzten Order, die geschrieben wird, liegen lange, sehr lange Wochen. Wenn die Pitti Uomo in Florenz eröffnet, sind die Marken mit den Kollektionen noch nicht ganz durch. Statt möglichst nahe an den Bedarf heranzurücken, müssen Händler und Hersteller eine lange Messezeit überbrücken. Und bis die Orderbücher geschlossen sind, schlägt die anfängliche Euphorie oder wenigstens gute Laune, die auf den frühen Messen geherrscht hat, mit jedem Tag mehr in Übellaunigkeit um. Der Schlussverkauf ausgerechnet im statistisch kältesten Monat des Jahres, der die Orderzeit regelmäßig begleitet, und die in den letzten Jahren wenig erbauliche Branchenkonjunktur der klassischen, stationären Händler, die mit widrigen Begleitumständen zu kämpfen haben und mehr Kooperationsbereitschaft von der Industrie einfordern, drücken eben aufs Gemüt. Und trotzdem geht es weiter, trotzdem gibt es am Ende der Order wieder Gewinner und Verlierer. Dabei geht es doch um den Ausblick auf das kommende Jahr, was die Verbraucher in den Läden finden werden. Dinge, die bereits den zurückliegenden Saisonstarts so oder so ähnlich besprochen wurden. Ein Blick zurück in die Zukunft also gewissermaßen. Das ist absurd, oder?
Aus der Vergangenheit lernen wollte TIMEZONE. Im vergangenen Jahr trat die Führung auf die Bremse, um zu verhindern, dass die Schieflage zu einem Kentern führt. Jetzt hat Gründer Wolfgang Endler sein Label an einen Investor verkauft, der mit dem bestehenden Team und einer neuen, ‘alten’ Führungskraft, Wolfgang Mosebach, den eingeschlagenen Kurs fortsetzen will. Die Marke sollte nicht neu erfunden, aber neu ausgerichtet werden. Dass der Kursschwenk gelingt, will Mosebach unter Beweis stellen. Mit einem Orderplus von 5 Prozent und weiteren Investitionen lässt sich ein Verlust leichter verkraften, zumal mit einer EK-Quote von 80 Prozent. Beweisen müssen sich auch die Regent-Eigentümer, Andreas Meier und Philippe Brenninkmeijer. Nachdem die erste Saison durch ist, wird die zweite Orderrunde zur Nagelprobe. Kann Regent nachhaltig liefern, sind die Kollektionen und die Maßanzüge wirklich zeitgemäß? Ein ganzes Stück weiter ist da der Stricker MAERZ Muenchen, der ebenfalls nach der Insolvenz den Restart unter neuem Besitzer unternahm. Geschäftsführerin Katja Beibl sieht im FT-Interview durchaus Wachstums-Chancen, wenn sich die Händler noch mehr als bisher schon auf die Marke einlassen würden – aus Überzeugung.
Aus Überzeugung seiner Träger schickt sich der Anzug an – konsequent reshaped und remodeled – der Jeans ihren Rang als revolutionäres Fashion-Item abzulaufen. Es ist eben eine Frage der Haltung. Und die haben auch die Sapeurs. Männer die trotz aller Widrigkeiten Herr ihres Schicksals sind, Armut und Unterdrückung Stil und Eleganz entgegensetzen. Mode als Form von Protest gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit, die inzwischen wieder speziell in den USA, an trauriger Aktualität gewonnen hat und für den der Footballspielers Colin Kaepernick zum Symbol wurde. Einem Land, in dem im August 1963 Martin Luther King vor 250.000 Teilnehmern einer Bürgerrechtsdemo in Washington seine „I have a Dream“-Rede hielt. Einem Land, in dem der Bürgerrechtlicher am 4. April 1968 von dem mehrfach vorbestraften Rassisten James Earl Ray erschossen wurde. Kein Film, sondern traurige Realität.
Ihr
Markus Oess