„Wir können uns aus eigener Kraft erholen“

PEINE GmbH

„RUYI sieht uns als strategisches Investment." Oliver Wagner, Geschäftsführer Peine GmbH (Bild: Peine GmbH)

Autor: Markus Oess

Der Mann ist nicht zu beneiden, musste er doch verdammt viel Scherben zusammenkehren, die die PEINE GmbH in der jüngeren Vergangenheit gerade im deutschen Modehandel zerdeppert hatte. Ob die Wiedergenesung des nordischen Patienten gelingt? Oliver Wagner, Geschäftsführer der PEINE GmbH, Wilhelmshaven, ist im FT-Interview davon fest überzeugt.

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FT: Herr Wagner, von J. Philipp zu DAKS und jetzt PEINE – wie erleben Sie das Unternehmen?
Oliver Wagner: „Als eine sehr interessante und spannende Herausforderung, mit tollen Menschen zusammen, die mit dem Unternehmen sehr eng verbunden sind, PEINE wieder auf die Erfolgsspur zurückzubringen. Man hatte sich in der Vergangenheit zu sehr auf seine damals unbestrittenen Stärken verlassen. Seit Jahren entwickelt sich die Businesswear weg vom klassischen Anzug hin zum Baukasten und mehr casualisierten Looks. Als Erfinder des Baukastens lief das NOS-Geschäft ganz erfolgreich, aber man verpasste es, mit Seasonals und jüngeren Themen ausreichend Alternativen zu schaffen. Der Verkauf an Finanzinvestoren war für PEINE nicht förderlich, denn so ist das Unternehmen im Laufe der Zeit finanziell immer mehr geschwächt worden. Mit dem letzten Investor hat sich die Situation dann nochmals verschlechtert.“

Und RUYI?
„Ich kenne RUYI noch aus meinen Zeiten bei J. Philipp als sehr innovativen und verlässlichen Partner, der in den zurückliegenden zehn Jahren eine einzigartige Entwicklung durchlaufen hat. So ist RUYI heute die Nummer eins in China unter den vollstufigen Fashion-Unternehmen. Für RUYI war PEINE erst der Beginn in den Einstieg des internationalen Fashion-Brand-Marktes. Darauf folgte im letzten Jahr die Übernahme von SMCP in Frankreich und Anfang dieses Jahres von Aquascutum in London. RUYI betrachtet PEINE als strategisches Investment für die Zukunft und lässt dem deutschen Management operativ freie Hand. Diese Tatsache verschafft uns die Möglichkeiten, welche sich bereits kurzfristig hervorragend im Wholesale umsetzen ließen, sodass wir prozentual attraktive Marktanteile zurückgewinnen konnten. Langfristig freuen wir uns auf die Synergien, die wir mit unserem Investor RUYI generieren werden.“

Wie sehen die Eigentümerverhältnisse aus, wenn RUYI 84 Prozent hält, hat Herr Leuze die übrigen 16 Prozent?
„Nein. Herr Leuze ist komplett raus. Die übrigen Anteile halten private Investoren, die bereits beim Verkauf an RUYI an Bord waren.“

Wie ist die PEINE GmbH nun aufgestellt hinsichtlich MASTERHAND und BARUTTI?
„Die Anteiligkeiten liegen nach Umsatz bei circa einem Viertel MASTERHAND und drei Viertel BARUTTI. Für beide Linien gilt es jetzt, mit Innovation und leicht veränderter Handschrift, aber immer mit dem Fokus auf unseren Stärken wieder zu punkten.“

Wie viele Händler beliefern Sie in Deutschland noch?
„Aktuell beliefern wir rund 220 Händler. Das ist natürlich nicht viel. Aber ich muss dazusagen, dass wir 2014 auf das schlimmste Geschäftsjahr in der Firmengeschichte zurückschauen. Das Geschäft brach damals um 60 Prozent ein und das Unternehmen konnte erst in der zweiten Jahreshälfte wieder nennenswert Ware ausliefern. In dieser schwierigen Phase machten wir sogar mehr Verlust als Umsatz. Wir hatten den größten Umsatzeinbruch im deutschen Markt zu verzeichnen. Seit Ende 2015, als ich ins Unternehmen eintrat, sind wir dabei, die Scherben zusammenzukehren und das Geschäft neu aufzubauen.“

Wie viel Geschäft machen Sie im Ausland?
„Wir erlösen derzeit rund 60 Prozent im Ausland.“

Was ist mit dem asiatischen beziehungsweise chinesischen Markt?
„Da hatte ich mir in der Tat mehr erhofft. Wir sind auf dem asiatischen Markt noch nicht vertreten. Das Interesse unsererseits ist groß, aber in unserer Konstellation ist das momentan nur über einen Lizenznehmer zu realisieren. Die Asiaten kaufen anders und ich bin der Meinung, dass das Geschäft komplett vom Europa-Geschäft getrennt sein sollte. Jetzt geht es erst einmal darum, den Wholesale in Europa wieder nach oben zu bringen.“

Wo wird nun die Ware produziert?
„Wir produzieren aktuell zu 100 Prozent in China. Wir hatten bis Mitte 2016 auch noch in Osteuropa anfertigen lassen, aber die Qualität stimmte leider nicht. Jetzt wird alles in hochmodernen RUYI-eigenen Betrieben gefertigt. Aber wir setzen immer noch bis zu 50 Prozent europäische Waren, also Oberstoffe, ein.“

Was wird zugekauft?
„Accessoires, Hemden, T-Shirts und Strick. Auch Waschteile. Insgesamt dürften es um die 20 Prozent vom Umsatz sein.“

Wie sieht der angekündigte Umbau im Design nun aus?
„Mit dem Eintritt von Frederik Beltner in der neu geschaffenen Position als Head of Technical Design und Product Development haben wir unser Design-Team jetzt komplett. Unter meiner Führung vereinen wir hier sehr eng verzahnt die Impulse aus dem Markt mit unserem Vertrieb und den Innovationen aus dem Design. Wir arbeiten heute im kreativen Bereich mehr als Team zusammen und nicht mehr nur mit einem ,Head of Design‘. Das alles wird dann in Wilhelmshaven von unserem PM zusammengeführt und final bearbeitet.“

Was ist aus der Anleihe geworden?
„Die läuft weiter und wird von RUYI bedient und bei Fälligkeit auch zurückbezahlt. Die Anleihe ist eine unsägliche Angelegenheit, aber wir müssen damit leben.“

 2015 hatte das Unternehmen den Verlust von 9,3 Millionen auf knapp 8 Millionen Euro reduziert. Umsatz gleich Verlust. Im Jahr davor war der Umsatz mit 7,9 Millionen Euro sogar geringer als der Verlust. Da kann man kaum von gesunden Kennzahlen sprechen, oder?
„Natürlich nicht. Wie gesagt, 2014 war das schlechteste Jahr in der Firmengeschichte. Es sind einfach zu viele Dinge schiefgegangen. Weiter möchte ich mich dazu nicht äußern.“

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Wie sieht es 2016 aus, da haben Sie den Umsatz auf knapp 12 Millionen Euro gesteigert?
„Wenn wir in der jetzigen Phase den Umsatz jährlich um 10 bis 20 Prozent steigern können, arbeiten wir in einem sehr vernünftigen Tempo. Wir schaffen Liquidität und können uns aus eigener Kraft erholen. Wir haben Kunden wie HIRMER in München oder Braun in Moers zurückgewonnen. Wir hätten sogar noch mehr Umsatz machen können, wurden dann aber in den letzten vier Monaten des Jahres durch das schlechte Herbstgeschäft ausgebremst. Vorher lagen wir aufgelaufen bei rund 35 Prozent Umsatzplus. Und wir haben abermals den Verlust deutlich reduzieren können.“

Sie wollten auch die Beschaffungs- beziehungsweise Produktionskosten drücken. Was haben Sie da erreicht?
„Die Verlagerung nach China hat Kostenvorteile gebracht, etwa 10 Prozent. Allerdings sind unsere Mengen noch zu klein, insbesondere bei MASTERHAND. Aus diesem Grund werden wir einen Teil der Produktion wieder nach Europa zurückholen, um flexibler agieren zu können. Hierzu befinden wir uns schon in konkreten Gesprächen mit potenziellen Produzenten. Wir liefern heute besser aus als in den vergangenen zwei Jahren, müssen aber generell noch an unserem ersten Lieferfenster arbeiten. Das werden wir in den Griff bekommen.“

Und das bei gleicher oder besserer Qualität?
„Definitiv, denn sowohl für RUYI als auch für PEINE steht Qualität an oberster Stelle und hier helfen uns die nahezu unerschöpflichen Möglichkeiten seitens unseres Investors, um dieses hohe Ziel erfolgreich umzusetzen.“

Haben Sie die Preislagen verändert, also auch nach unten angepasst?
„Ja, das war nötig. Der Wettbewerb hat unsere Schwäche konsequent für sich genutzt. Wenn wir den Fuß wieder in die Tür bekommen wollen, müssen wir mehr bieten, aber die Anzüge für 300 bis 400 Euro sind im Markt exzellent besetzt. Wir bieten im Schwerpunkt bei einem Aufschlag von 2,7 Preislagen von 179 Euro bis 249 Euro beim Sakko und 249 Euro bis 299 Euro beim Anzug beziehungsweise Baukasten. Das soll nun nicht heißen, dass wir die oberen Preislagen von 349 bis 399 Euro aufgeben werden. Wir haben nur unten angebaut. Wir gehen auch im Design einen eigenen Weg, werden moderner und legen großen Wert auf eine innovative Produktausstattung.“

 Wie haben Sie das Umsatzplus erreicht?
„Wir konnten die Stückzahlen dank Neu- beziehungsweise wiedergewonnenen Kunden steigern. Speziell Frühjahr/Sommer 2018 ist sehr gut gelaufen. Es hat uns sicher sehr gut getan, uns auf der Premium in Berlin zu präsentieren. Wir halten sicher an der Messe fest.“

 Wie lange schaut RUYI dem Ganzen zu und schießt Geld nach?
„So lange, bis wir wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen. RUYI sieht uns als strategisches Investment und will mit PEINE in Europa einen wichtigen Pfeiler setzen, der das Menswear-Portfolio der Gruppe im mittleren bis gehobenen Genre besetzen soll. Durch die anderen Marken aus der Gruppe wie sandro, maje, CLAUDIE PIERLOT oder auch Aquascutum ergänzt sich das dann ideal.“

Sie sagen, eine der wesentlichen Aufgaben wird es sein, Vertrauen zurückzugewinnen. Wie wollen Sie das erreichen?
„Durch Liefertreue, gute Passformen und Verlässlichkeit. Wir haben noch Fans im Markt, die uns die Stange halten. Darauf bauen wir auf. Nur wenn wir den Nachweis erbringen, dass wir wie früher nachhaltig ein verlässlicher Partner für den Handel sind und man mit uns Geld verdienen kann, bringt uns das weiter. In der jüngeren Vergangenheit wurde viel Porzellan zerschlagen. Natürlich müssen die Kollektionen, egal ob Vororder oder NOS, passen. Aber das ist selbstverständlich.“

Wenn viel über Umsatz und Verlust gesprochen wird, bleibt kaum Zeit für die Ware. Wie gehen Sie damit um?
„Ware ist das A und O, um das sich bei uns alles dreht, und wir müssen eben ein wenig mehr Hartnäckigkeit an den Tag legen als unsere Wettbewerber. Irgendwann sind Sie dann so weit, auch wieder mehr über Mode zu reden, denn darum geht es doch in diesem Geschäft, oder?“

Wo sehen Sie für BARUTTI und MASTERHAND die Zukunft?
„Wir arbeiten mit zwei Rümpfen: Tailored und Slim. Wir bedienen Männer zwischen 25 und 65 Jahren mit einem hohen modischen und qualitativen Anspruch. Klassische Businesswear, modern interpretiert mit schlanken Silhouetten. Aber wir werden natürlich kein zweiter DRYKORN oder CINQUE. Und wir werden Made-to-Measure anbieten. Mit gehobener Ausstattung und einem Top-Preis-Leistungs-Verhältnis. Wir steigen mit einem Super 100 in der Basisausstattung mit 479 Euro ein. Wir haben bereits Partner gefunden und werden im Herbst/Winter starten.“

Können Sie noch etwas zu 2017 und 2018 sagen?
„Wir werden in diesem Jahr den Umsatz weiter steigern und auch den Verlust senken. 2016 hatten wir auch den Sondereffekt, dass wir unsere Altbestände geräumt haben, um Platz zu schaffen für die neuen NOS-Themen. Heute ist das Lager sauber und wir schauen sehr optimistisch in die Zukunft. Läuft alles optimal, könnten wir sogar schon 2018 knapp die schwarze Null erreichen. Falls nicht, wird es spätestens 2019 der Fall sein.“

Hintergrund

Bild: Screenshot Peine GmbH

Die Geschichte der PEINE GmbH lässt sich bis ins Jahr 1888 zurückverfolgen. Damals wurde das größte Kaufhaus in Wilhelmshaven eröffnet und dann von den Kaufleuten „Bartsch & von der Brelie“ übernommen. Ein Omen? In der jüngeren Vergangenheit durchlebte der Menswear-Spezialist harte Zeiten – mit wechselnden Besitzern:

Im Oktober 2009 ging die PEINE-Gruppe in die Insolvenz. Im März 2010 übernahm der US-Investor Gordon Brothers, Boston, das Unternehmen. Es folgte die Umstrukturierung und neue Manager kamen – und gingen wieder. Im Februar 2013 verkaufte Gordon Brothers 100 Prozent seiner Anteile. Neuer Besitzer war der private Investor Jan D. Leuze (50). Leuze platzierte eine Anleihe mit mäßigem Erfolg. Statt der erhofften 15-Millionen-Euro-Anleihe wurden nur rund 4,4 Millionen Euro eingenommen. Anfang 2014 stieg die chinesische Shandong Ruyi Technology Group in Wilhelmshaven ein und übernahm 51 Prozent der Anteile an PEINE. Im September 2014 meldete PEINE den Rückzug von Leuze aus der Geschäftsführung.

Im Januar 2016 wurde Oliver Wagner (47) neuer Geschäftsführer der PEINE GmbH. Wagner kam von den Dressler Bekleidungswerken Brinkmann, Großostheim, wo er Director Sales für die Lizenzmarke DAKS war. Inzwischen hält RUYI 81 Prozent der Anteile an den Wilhelmshavenern.