„Keine Jeans bei der Freitagspredigt in der Moschee“

Ein Imam über Mode

„Seit vielen Jahren meinen Stil gefunden." Islamwissenschaftler Dr. Özgür Özdil

Autor: Nina Peter

Dr. Özgür Özdil ist Islamwissenschaftler und Religionspädagoge sowie Direktor des Islamischen Wissenschafts- und Bildungsinstituts e.V. Er ist sowohl als Imam tätig als auch als Berater, Lehrer sowie Fortbildender aktiv und veröffentlicht Publikationen zu Themen der interkulturellen Bildung und dem interreligiösen Dialog. Im Gespräch mit FT hat Dr. Özdil von seiner Einstellung zu Mode und Eitelkeit sowie seinem Umgang mit Kleidung erzählt.

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FT: Herr Dr. Özdil, differenzieren Sie persönlich in Ihrem Alltagsleben zwischen Mode und Bekleidung?
Özgür Özdil: „Ja, wenn ich in der Moschee die Freitagspredigt halte, dann ziehe ich keine Jeanshose an und habe ein religiöses Gewand. Wenn ich jedoch Jugendseminare durchführe, ziehe ich mich bewusst ,jugendlich‘ an und meide den Anzug mit Krawatte. Halte ich aber einen Vortrag an einer Universität oder in einer Akademie, dann bevorzuge ich einen Anzug.“

Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre private Kleidung aus?
„In erster Linie spielt für mich die Funktion eine Rolle. Brauche ich, weil der Winter naht, einen dicken Mantel oder Winterstiefel, dann habe ich bestimmte Vorstellungen von einem passenden Mantel oder Stiefel. Dann spielt die Ästhetik für mich eine besondere Rolle, denn selbst wenn etwas gemütlich sein sollte, kann es sein, dass ich mich darin nicht wohlfühle. Ich suche zum Beispiel auch nach ganz bestimmten Farben (beim Mantel zum Beispiel Dunkelblau, Schwarz oder Grau). Wenn ich dann etwas Passendes gefunden habe, probiere ich es an. Fühle ich mich darin wohl, gucke ich nach dem Preis. Oft male ich mir ein grobes Bild von dem aus, das ich mir besorgen möchte, da ich kein Shopping-Fan bin.“

In welchen Geschäften kaufen Sie Bekleidung?
„Ich bevorzuge keine bestimmten Geschäfte, meide jedoch gewisse Läden, über die ich Informationen habe über menschenunwürdige Zustände bei der Produktion der Waren. In der Regel kaufe ich erst etwas ein, wenn ich etwas Bestimmtes benötige. Dann gehe ich zielgerichtet in die entsprechenden Kaufhäuser, die die benötigte Ware anbieten. Oft finde ich sehr schnell – meistens schon im ersten Geschäft –, was ich brauche.“

Welche Regeln gibt Ihre Religion in Bezug auf Bekleidung vor?
„Im Islam gibt es einen Konsens der Gelehrten darüber, dass eine Kleidung den Aspekt der Sittsamkeit erfüllen muss. Dafür geben sie drei Kriterien an: Sie darf weder durchsichtig noch zu weit ausgeschnitten noch zu eng sein, sodass keine Körperkonturen sichtbar sind. Bestimmte Farben, Stoffe oder Stile sind wiederum nicht vorgegeben. Des Weiteren vertritt die Mehrheit der Gelehrten die Ansicht, dass reine Seide und reines Gold den Frauen erlaubt, den Männern jedoch verboten sind. Für Frauen gilt, dass sie bis auf Gesicht, Hände und Füße alles verhüllen sollen. Die zu bedeckenden Bereiche beim Mann wären vom Bauchnabel bis zu den Knien. Daher tragen viele muslimische Männer lange, weite Badeshorts und keine engen und kurzen Badehosen.“

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Stehen Religion und Stilbewusstsein in der Bekleidung in einem Kontrast zueinander?
„Grundsätzlich nicht, aber dies kann an der einen oder anderen Stelle der Fall sein, zum Beispiel bei Hosen mit Rissen, wo die Haut sichtbar ist, oder bei Kleidung, die sehr eng ist oder Bilder und Symbole anderer Religionen enthält (beispielsweise ein T-Shirt mit einem Kreuz).“

Lassen sich aus Ihrer Religion auch Anhaltspunkte/Indikatoren für den Konsum von und den Umgang mit Kleidung ableiten?
„Kopftücher sind sehr begehrt oder Badeanzüge für Frauen (siehe HASHEMA). Für Pilger ist es üblich, in Saudi-Arabien eine Jallabiya anzuziehen. Das heißt, Millionen von Menschen ändern für eine bestimmte Zeit an einem bestimmten Ort ihren Kleidungsstil.“

Spielt Eitelkeit in Bezug auf Ihr äußeres Erscheinungsbild eine Rolle?
„Gelegentlich schon, vor allem bei wichtigen, offiziellen Anlässen, wenn zum Beispiel ein Interviewfoto gemacht werden soll und man in die Öffentlichkeit tritt.“

Trennen Sie Beruf und Alltag in Bezug auf Ihre Kleidungswahl oder ist Ihre Religiosität eine Haltung, die sich auch generell auf Ihre Einstellung zu Mode und Bekleidung auswirkt?
„Wenn ich ein zu kurzes T-Shirt anziehe und mich beim Gebet nach vorne beuge und auf den Boden niederwerfe, dann öffnet sich dabei ein Teil meines Rückens und man könnte meine Unterwäsche oder sogar Teile meines Gesäßes sehen. Daher muss ich bei der Wahl meiner Kleidung auch auf solche Feinheiten achten. Solange ich mich jedoch in den Grenzen meiner Religion bewege (siehe oben den Aspekt der ,Sittsamkeit‘), habe ich in Stil, Stoff und Farbe völlige Freiheit und Flexibilität.“

Wenn Sie kein religiöses Amt bekleiden würden, würden Sie sich dann anders kleiden als bisher?
„Nein, weil ich seit vielen Jahren meinen Stil gefunden habe und mich darin sehr wohlfühle. Meine Schuhe ändern sich von Jahreszeit zu Jahreszeit, aber mein Standard sind eine Jeans, Hemd und Jackett. Gelegentlich auch ein Pullover mit V-Ausschnitt, wobei ich am meisten bei meinen Hemden und Jacketts variiere.“