Individualität für die Masse

Produktentwicklung

Mehr Individualität bitte (Bild: pixabay)

Autor: Tays Jennifer Köper-Kelemen

Ob der eigene Name auf der Coca-Cola-Flasche prangt oder eigens designte Turnschuhe ins Haus geliefert werden – nicht wenige Konsumenten setzen sich mit individualisierten Produkten gerne von der Masse ab. Was oberflächlich wohl wie ein Nischentrend oder schlichtweg eine Spielerei wirkt, werten Experten mitunter als echte Chance für Unternehmen im Wettbewerb.

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Der kontinuierlich wachsende Trend hin zu mehr Individualität ist nicht nur in Hipster-Kreisen zu Hause, sondern unlängst auch bei Normalverbrauchern angekommen. Unternehmen haben sich auf diese Entwicklung bereits eingestellt, Stichwort Mass Customizing. Die Liste der Beispiele ist lang. Während der Konzern Coca-Cola zwecks persönlicher Ansprache Flaschenetiketten mit geläufigen Vornamen bedruckt, lässt der Sporthersteller NIKE Konsumenten über das firmeneigene Portal NIKEiD Sportschuhe selbst designen. Über den Online-Shop mymuesli.de können Frühstückscerealien selbst zusammengestellt werden. Und auch LEVI’S mischt mit. Medienwirksam durften jüngst Stars und Influencer ihr eigenes Trucker Jacket gestalten. Inwieweit die Strömung um sich greift, beweist ein Blick ins Luxussegment. In Kooperation mit dem Online-Shop mytheresa.com werden aktuell selbst GUCCI-Sneaker mit persönlichen Initialen bestickt, zuvor erregte BURBERRY mit dem gleichen Service für Accessoires wie Schals bereits Aufsehen.

Customizing als Umsatztreiber?

Alles nur Spielerei? Mitnichten, glaubt man einigen Experten und Brancheninsidern. Nikolaus Franke, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien, erklärt im Online-Magazin Impulse, dass es zwar Konzepte mit nur mäßigem Erfolg gebe; so habe das Portal MyParfum bereits Insolvenz anmelden müssen. Generell jedoch würde der Verkauf von individualisierten Produkten viel Potenzial bergen. In der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung heißt es weiter, dass der Trend hin zu individualisierten Produkten einen Gegenentwurf zur viel kritisierten Wegwerfmentalität unserer Gesellschaft darstelle. Zur Klärung des Ursprungs der Bewegung zitiert man den US-Wirtschaftsexperten Joseph Pine mit folgender Aussage: „Je mehr Produkte im Handel sind, desto undurchsichtiger wird nicht nur ihre Herstellung, der Kunde wird auch orientierungsloser und sein Wunsch nach mehr Selbstbestimmung stärker.“

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Qual der Wahl

Selbstredend treibt die Personalisierung von Produkten Herstellungskosten in die Höhe, insbesondere wenn es nicht nur um zu bedruckende Etiketten geht, sondern um die Realisierung eigens designter Turnschuhe. Doch es gibt laut Untersuchungen bei Konsumenten die Bereitschaft, deutlich mehr für individualisierte Produkte zu zahlen – auch wenn es einige Hürden zu überwinden gilt. So muss der Konsument zunächst einmal wissen, was er denn eigentlich will. Das Zukunftsinstitut titelt in einem Glossar zum Thema Individualisierung: „Die Freiheit der Wahl bedingt den Zwang zur Entscheidung.“ Will konkret heißen: Die neue Individualität etabliert eine Kultur der Selektion, die manche überfordert. In der Tat handelt es sich wohl beim Gros der Konsumenten nicht um Künstler und Kreative, die aus dem Stegreif ein wie für sie gemachtes Design aus dem Ärmel schütteln können. Das Rezept für erfolgreiches Customizing liegt laut Franke daher im Mehrwert des Lernprozesses, den der Konsument bei der Personalisierung eines Produktes erlebt. Unternehmen kommen also nicht umhin, dem Verbraucher bei der Findung seines Produktes aktiv Hilfestellung zu leisten. Es macht zum Beispiel Sinn, bei Design-Programmen im Baukastensystem nur einige wenige erprobte Varianten zur Auswahl zu stellen, um Verzettelungen des Users zu umgehen. So sollten Online-Anbieter ihre Toolkits auch nicht nur als Mittel zum Zweck verstehen, sondern vielmehr als wahre Lerninstrumente, die Produkte erörtern und Hintergrundinformationen liefern. Es sollten Fehler von Konsumenten bereits vorausgeahnt und im Vorfeld durch Aufklärung vermieden werden. Zudem ist soziales Feedback von Bedeutung. Der selbst designte Turnschuh macht schließlich mehr Spaß, wenn auch andere Konsumenten ihn toll finden.

Zukunftsmusik

Fakt ist: Customizing ist ein probates Mittel zur Kundenbindung. Sowohl Hersteller als auch Händler haben über Produkte, die personalisiert werden können, die Möglichkeit, einen direkten Draht zum Konsumenten aufzubauen. Wie genau die Zukunft des Trends Individualisierung und Customizing sich gestalten wird, bleibt abzuwarten. Experten sind der Meinung, dass sich dieser noch verstärken wird. Dank modernster 3-D-Technologien, die in ihrer Entwicklung derzeit mitunter noch in der Anfangsphase stecken, sollen sich völlig neue Möglichkeiten eröffnen. Von einer regelrechten Revolution ist die Rede. Ray Kurzweil, Futurist, Autor und Technik-Chef bei Google, kündigte bereits an, dass schon sehr bald selbst Bekleidung problemlos per 3-D-Drucker produzierbar sei – ob in Print Shops oder sogar in den eigenen vier Wänden. Individualisierung und Herstellung gingen dann mehr und mehr in die Hände von Konsumenten über. Die Modebranche müsse daher künftig klar mit neuen Konzepten aufwarten, um mit ihren Kunden interagieren und Umsätze steigern zu können.