Ausgabe Oktober 2017
Stimmt – bedingt. Das Internet hat die Welt fundamental verändert und sie, wie es scheint, extrem beschleunigt. Was heute zum Beispiel im fernen Amerika geschieht, bleibt nicht ohne Folgen. Das war auch schon vor Jahrzehnten so, der Unterschied ist nur, dass es heute ohne Zeitverzögerung stattfindet. Über das Wohl und Wehe des Internets wurden viele schlaue und weniger schlaue Dinge geschrieben. Darum soll es in der neuen FT auch nicht gehen. Aber was veranstalten WWW und Social Media mit dem Markenbegriff, wie werthaltig ist er und wie lange dauert es, bis sich eine Marke aufgebraucht hat, wenn man nicht ständig, gern auch mit Influencer Marketing, nachheizt? Fragen, denen sich die aktuelle Topstory annähert. Eine Marke ist nichts anderes als eine Idee, doch die wird eben sehr schnell weitergetragen und verändert, teils auch unkontrolliert.
Realität und Wunsch sind aber nicht nur hinsichtlich der digitalen Botschaften zwei verschiedene Paar Schuhe. Die Studie von w&co, Full-Service-Mediendienstleister mit Sitz in München, offenbart, dass die Online-Auftritte sich dem Aggregatzustand der realen Läden angenähert haben. Von großartiger Differenzierung und interaktivem Surferlebnis ist die Branche, mit Ausnahmen, weit entfernt und das hat recht profane Gründe. Es liegt am Geld. Belebende Bausteine wie Virtual Fitting, Augmented Reality, Artificial Intelligence oder Gamification klingen gut, sind aber teuer und müssen überdies in gewachsene IT-Strukturen eingebettet werden, die nun auch nicht immer aus einem Guss sind. Umgekehrt haben sich auch bei den Anbietern inhaltlich und kostenseitig Ansprüche aufgebaut, die sich nun wahrlich nicht immer rechnen dürften. Nicht ohne Grund legt ahlers-Vorstand Götz Borchert im gemeinsamen FT-Interview mit PIONEER-Chef Peter Kelzenberg eine gewisse Vorsicht bei der Suche nach einer geeigneten 360-Grad-Agentur an den Tag, um die Marke PIONEER noch stärker emotional aufzuladen. Dabei verdient die Marke Geld und zählt zu den Kernaktivitäten der Ahlers-Gruppe. In Herford hat das Management noch einiges mit dem Label vor, das zwischen der Denim- und der Menswear-Welt wandelt, arbeitet aber kontinuierlich Schritt für Schritt ab.
Kontinuität ist auch die Maxime von WILVORST. Seit mehr als 30 Jahren ist Dr. Karl-Wilhelm Vordemfelde nun schon am Steuer des Northeimer Unternehmens, das in Deutschland produziert. Eine Tatsache, die WILVORST neben wenigen anderen Unternehmen wie zum Beispiel m.e.n.s. mit der belgischen SCABAL teilt. Das Unternehmen mit deutschen Wurzeln hat in Saarbücken eine eigene Fertigung. Die Konfektion ist seit Jahren ein festes Standbein der Brüsseler, wie Firmenchef Gregor Thissen gegenüber FT betont. Ebenfalls ein Menswear-Spezialist mit großer Tradition, der auch die Fühler in die Kunst ausstreckte und mit dem genialen Surrealisten Salvador Dalí zusammenarbeitete. Aber sind die ewig knallverliebte Mode und die scheue Snobzicke Kunst wirklich das wahre Traumpaar? Die Diskussion ist nicht neu, die konkreten Anlässe dazu sind nicht unbedingt besser geworden als früher.
Ihr Markus Oess