Marken-Chef Tristan Bolwin hatte einiges zu tun gehabt, um die Mönchengladbacher Marke CINQUE auf Wachstumskurs zurückzubringen. Bei den Frauen hat er die Business-Wear und auch das NOS-Programm gezielt ausgebaut. Bei den Männern ist CINQUE deutlich flexibler geworden. Vor allem die Einführung des Seasonals habe sehr geholfen, sagt Bolwin im FT-Interview. Wo Bolwin Wachstumschancen sieht und wie sich das Kräfteverhältnis zwischen Womens- und Menswear entwickeln wird.
FT: Herr Bolwin: In der kommenden Saison wollen Sie unter Umständen mit einem komplett anderen Standkonzept auf die Panorama gehen. Nur die Highlights zeigen und im wahrsten Wortsinn mehr Raum für Gespräche geben. Was sind die Gründe für diese Überlegungen?
Tristan Bolwin: „Wir sind intern in der Diskussion, wie wir unser Standkonzept verändern sollten. Emotionalisierung und den Kern-Look für CINQUE gilt es deutlicher herauszuarbeiten, um damit unsere Kunden noch mehr zu überraschen. Daher werden wir zukünftig eventuell nur noch Komplett-Looks zeigen und keine Anreihung von Produkten.“
Wie war die Messe?
„Grundsätzlich ist zu sagen, dass Berlin für uns ein ganz wichtiger Standort ist, um mindestens zweimal im Jahr mit allen unseren Kunden in sehr kurzer Zeit in Kommunikation treten zu können. Qualitativ haben wir alle wichtigen Kunden vor Ort erreicht und auch viel Zuspruch für die Messe Berlin und unsere Kollektion bekommen. Die Branche neigt dazu, nach einer gewissen Zeit Dinge schlechtzureden. Ich warne davor, Berlin kleinzureden.“
Hat sich das Bild auf der Order bislang bestätigt?
„CINQUE entwickelt sich weiterhin gut. Natürlich ist es offensichtlich, dass der Handel weiterhin sicherheitsorientiert ordert. Ein Stück drehen wir uns im Kreis. Mode und der Mut, auch neue Dinge im Handel zu etablieren, sind oftmals von der einen auf die andere Saison nicht sofort umzusetzen.“
CINQUE hat einen Markenkern, der vom italienischen Lebensgefühl geprägt ist. Wie interpretieren Sie die aktuellen Trends wie Athleisure?
„Athleisure ist und bleibt ein Thema, das dem heutigen Zeitgeist entspricht und auch weiterhin in unserer Kollektion wiederzufinden ist. Dieses Thema sehen wir eher als ein städtisches, cleanes und funktionales Thema, welches Mode und städtischen Lifestyle verbindet. Dies spiegelt sich in der Kapsel CINQUE [hy.b.rid] wider.“
Es wird in der Form zumindest bei der Hose ein wenig volumiger. Wohin geht die Reise bei CINQUE für die Menswear?
„Das ist richtig. Die Formen beim Sakko und beim Hemd bleiben. Aber die Hose verändert sich. Das sehen wir auch und haben die Bundfalte jetzt auch ins NOS aufgenommen. Dies wird sich auch im modischen Alltag zeigen.“
Was sind die Highlights der aktuellen Kollektion?
„Die Bestseller, die wir aktuell im Hochsommer reinverkaufen, sind aus Baumwolle. Offenbar hat sich ein Gegentrend zur Funktion entwickelt und der lautet: Keep it simple. Wir merken, dass draußen die besonderen Dinge angefasst werden. Eine markante Jacke oder der Zweireiher mit Bundfalten. Highlights der Kollektion sind Checks und neu interpretierte Streifen. Alles, was die Fläche interessanter macht, wird vom Kunden registriert und auch gekauft. Gute Abverkäufe haben wir nach wie vor im Mantel, was sich im Gegensatz zur Jacke weiterhin positiv entwickelt. Westen sind unverzichtbar und auffällig gut laufen bedruckte Hemden in einer floralen Anmutung.“
Was unternimmt CINQUE in Sachen Nachhaltigkeit und werden Sie in diesem Bereich Ihr Engagement ausbauen?
„Sicher wollen die Kunden gute Qualität, die unter anständigen Produktionsbedingungen hergestellt wird. Das ist klar. Wir achten natürlich in der gesamten Wertschöpfungskette auf Umweltschutz und einen fairen Umgang mit unseren Partnern, aber wir betrachten Nachhaltigkeit aus eben genannten Gründen nicht als strategisches Profilierungsfeld für CINQUE. Wir haben schon immer den Fokus auf europäische Produktionsstätten gelegt. Zurzeit produziert CINQUE circa 60 Prozent in Europa und wir versuchen, beispielsweise unsere Transportwege zu optimieren und zu verkürzen, um so den ökologischen Fußabdruck zu verringern.“
Rund 1.200 PoS werden hierzulande beliefert, Contemporary Premium-Segment. Inzwischen wachsen aber auch hier nicht mehr die Bäume in den Himmel. Wie kommen Sie mit dem ständigen Preisdruck zurecht, der inzwischen auch durch Internet, Outlet-Center und Off-Price-Anbieter auch höhere Preisregionen erfasst hat?
„Grundsätzlich sind wir bei CINQUE in der glücklichen Lage, dass die unverbindlichen Preisempfehlungen im Handel eingehalten werden. Partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Handel in ständiger Kommunikation erspart uns oft zu frühe Reduzierungen und Rotpreis-Aktionen.“
Jetzt wackelt offenbar KAUFHOF. EULER HERMES sah sich jedenfalls gezwungen, die Notbremse zu ziehen. Wie viele Wackler kann die Branche noch verkraften?
„Ich will und kann mir kein Urteil über andere Unternehmen erlauben. Aber offenbar ist die Branche sehr leidensfähig.“
Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, um tatsächlich einen ruhigeren Konjunkturverlauf hinzubekommen?
„Es müssten, positiv gesprochen, mehr Berechenbarkeit und Verlässlichkeit in den Beziehungen zwischen Handel und Industrie reinkommen. Aber da sind Sie schnell beim Kartellrecht. Das Grundproblem sind der Warenüberhang und der Verdrängungswettbewerb, dem wir alle ausgesetzt sind.“
2015 lief es für CINQUE nicht ganz rund. Am Ende standen Umsatzrückgänge von 3,2 Prozent in den Büchern. Dank nine to five (Business) und der weiteren Neuausrichtung beziehungsweise Harmonisierung der Mens- und Womenswear wollte das Management wieder Fahrt aufnehmen. Haben sich die Erwartungen erfüllt?
„Das vorvergangene Jahr war in der Tat nicht gut gelaufen. Aber die Maßnahmen, die uns wieder auf den Wachstumspfad bringen sollten, greifen. Das sehen wir auch in den Kennzahlen. Aufgelaufen liegen wir bei plus 2 bis 2,5 Prozent. Das klingt zwar nicht nach viel, aber vor dem aktuellen Branchenhintergrund sind wir damit absolut zufrieden. Wir sind wieder in den schwarzen Zahlen.
Wir haben bei den Frauen den Businessanteil und auch das NOS-Programm gezielt ausgebaut. Bei den Männern sind wir deutlich flexibler geworden. Vor allem die Einführung des Seasonals hat uns sehr geholfen. Es geht mehr über Mode. Die Harmonisierung der Mens- und Womens-Kollektion funktioniert nicht von jetzt auf gleich und braucht Zeit. Aber wir sind auf dem richtigen Weg und haben auch ein gutes Stück davon hinter uns gebracht. Wir sind heute wieder ein zeitgemäßes Contemporary Label mit einer einheitlichen modischen Aussage geworden.“
Was haben Sie gegenüber dem vergangenen Jahr bei den Kollektionen verändert
„Die Menswear-Kollektionen sind etwas kompakter geworden. Außerdem haben wir speziell den Smart-Casual-Bereich vielfältiger ausgestaltet. Der Baukasten konzentriert sich stärker auf Emotionalität, ist einfach modischer und wir haben im Casual-Bereich die Produktgruppen Hemd, T-Shirt und Strick angebaut.“
Wie läuft es aktuell mit der Businesswear?
„Der Saisonbeginn war eher schleppend, aber ab März zogen die Umsätze wieder merklich an. Wir prüfen, ob wir die Auslieferung der Zwischenkollektion von November bis Januar und der Hauptkollektion von Februar bis April angehen. Allerdings ist das noch nicht entschieden.“
Wo sehen Sie noch Wachstumschancen?
„Bei einem Umsatzanteil von rund 70 Prozent bei Business sehe ich hier eher ein Pari. Anders sieht es bei Casual aus. Hier rechnen wir schon mit Wachstum, zumal sich in unserem Markenumfeld der Markt gerade bewegt.“
Haben sich die Kräfteverhältnisse zwischen Mens- und Womenswear verändert?„Nein, es bleibt nach Umsatz bei rund 60 Prozent Menswear und 40 Prozent Womenswear. Aber gut möglich, dass die DOB in Zukunft mit der Harmonisierung der Kollektionen etwas gewinnt.“
20 Prozent des Umsatzes kommen aus dem Ausland. 300 PoS werden beliefert. Viele Marken suchen ihr Heil in der Internationalisierung. CINQUE auch?
„In den Märkten Schweiz und Österreich hatten wir nach wie vor eine sehr positive Entwicklung. Die Märkte in Osteuropa nähern sich wieder an vorausgegangene Verkaufserfolge an.“