Sind die Riesen vom Aussterben bedroht?

Warenhäuser

©Galeria Karstadt Kaufhof 
Autor: Nina Peter

Noch vor wenigen Wochen verkündete KARSTADT-CEO Dr. Stephan Fanderl in einer Pressemitteilung: „Wir haben auf dem Weg zur langfristigen Gesundung von KARSTADT gerade die Wende geschafft und streben ein ausgeglichenes Ergebnis im bald endenden Geschäftsjahr an.“ Nach vielen Jahrzehnten der KARSTADT-Geschichte wolle man jetzt beginnen, offensiv nach vorne zu arbeiten. Im neuen Tegel-Center in Berlin soll 2018 nach dreißig Jahren nun die erste neue Filiale entstehen. Fast zeitgleich wurden im Juni und Juli die Schließungen von GALERIA-KAUFHOF-Filialen im Frankfurter NordWestZentrum, in Gera und in den Berliner Gropius-Passagen bekannt gegeben.

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Die einst florierenden, traditionellen Warenhäuser, die im 19. Jahrhundert ins Leben gerufen wurden, befinden sich in wechselnden Abstufungen bereits seit Ende der 1960er-Jahre, spätestens Mitte der 1970er-Jahre, immer wieder in schwierigen Lagen. Innerhalb von zehn Jahren – 1975 bis 1985 – sank ihr Marktanteil von damals knapp 11 Prozent auf 5,8 Prozent; ein deutlicher Besucherrückgang zeichnete sich ab. Gründe für die hohen Verluste des zuvor als innovativ und modern geltenden „Alles unter einem Dach“-Prinzips waren das vermehrte Aufkommen von innerstädtischen Fachgeschäften sowie die Gründung von riesigen, billigen Einkaufszentren auf der autofreundlichen grünen Wiese – in dem mit attraktiven Mieten lockenden vorstädtischen Umfeld.

Der Mauerfall brachte noch einmal einen kurzen Aufschwung, doch der „Raus aus der Stadt“-Trend hielt bis in die 1990er-Jahre an und raubte den ursprünglichen Stadtkernen – dem Standort der unbeweglichen Einzelhandelsgroßbetriebe – ihre zentrale Bedeutung und bescherte den Händlern vor allem leere Fußgängerzonen und einen Mangel an kaufkräftigen Kunden. Viele Konzept- und Strategiewechsel wie Unternehmensübernahmen, eigene SB-Warenhäuser und Filialschließungen folgten. Erfolgreiche Umstrukturierungen beispielsweise bei KAUFHOF brachten das als innovativ geltende GALERIA-Konzept hervor.

Mitte der 1990er-Jahre stellte dann das schnell und stark wachsende Online-Geschäft den gesamten stationären Handel vor gänzlich neue Herausforderungen und brachte den Abwärtstrend der Warenhäuser noch einmal zusätzlich ins Rollen.

Textilabteilung im real; SB-Warenhaus, Bild:real

Nach der Krise ist vor der Krise

Obwohl die Innenstädte in diesem Jahrzehnt wieder zunehmend an Attraktivität gewannen, gab die Entwicklung den Warenhäusern nicht ihre alte Stellung wieder, im Gegenteil: Der Druck wurde durch die neuen Shoppingcenter, Filialisten und Mono-Label-Stores sowie Factory- und Designer-Outlets deutlich erhöht. Nicht nur, dass die Warenhäuser ihrer Rolle als einzige Vollsortimenter beraubt wurden, sie wurden ebenfalls durch ihre schwammige Positionierung und ihr unspezifisches Kundenbild zunehmend in die Enge gedrängt.

Denn was in den jungen Jahren der Warenhäuser im Kontext der Zeit gerade den Unterschied und Anreiz ausmachte, nämlich die neue Anonymität des Kunden beim Einkauf und das immens große Angebot, das der breiten Masse erschwinglich und zugänglich gemacht wurde, bedeutete Jahrzehnte später schon gänzlich das Gegenteil. Von Händlern mit einem klar definierten Zielgruppenprofil fühlt der auserwählte Kundenkreis sich direkter angesprochen.

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Die Herausforderungen des E-Commerce

Den mittleren Preislagen der Warenhäuser machen daher nicht nur Vertikale Konkurrenz, die mit niedrigen bis ähnlichen Preisstrukturen nah an den Bedürfnissen des Kunden arbeiten, sondern auch Textildiscounter, die mit großen Volumen preisaggressiv handeln können, und im Premiumbereich ebenfalls die Edelanbieter. Das traditionelle Warenhaus verliert sowohl an die einen als auch an die anderen wertvolle Konsumenten und bleibt mit geringem Preisspielraum, hohen Abschriften und umfangreichen Fixkosten auf einer zunehmend eingeengten und verlustreichen Position. Zusätzlich erschweren durch das – gerade im Textilsegment – blühende Online-Geschäft auch noch starke Internet-Pure-Player sowie die dort wachsenden Angebote von stationären Händlern und Herstellern das Geschäft.

Die Stärke der Shoppingcenter, des E-Commerce, kurzum des derzeit dynamischen Wandels im Handel, hat die Betriebsform ,Warenhaus‘ grundlegend beeinflusst. Niemand vermag so recht einzuschätzen, wie der E-Commerce die Einzelhandelslandschaft langfristig verändern wird. Die bisherige Entwicklung zeigt jedoch eines recht deutlich: Der stationäre Handel steht vor enormen Herausforderungen“, heißt es in der Studie mit dem Titel „Warenhäuser in Deutschland – Status I Quo I Vadis“ des Immobilien- und Dienstleistungsunternehmens savills aus dem Jahr 2015. „Allgemein macht der erhöhte Wettbewerbsdruck im Einzelhandel Flexibilität und eine schnelle Anpassungsbereitschaft an aktuelle Trends zu Erfolgsfaktoren für Unternehmen. Behäbige ,alte Damen‘ wie die Warenhäuser scheinen hier nicht mithalten zu können.“

Wegfall oder Wandel der Warenhäuser?

Ab den 1980er-Jahren zeichneten sich also bereits deutlich Unsicherheiten für die Zukunft des traditionellen Warenhauses ab; es verschwanden kontinuierlich Standorte der großen Konzerne. Handelsgiganten bleiben ein angeschlagener KARSTADT mit 81 Filialen (2016) und ein derzeit taumelnder KAUFHOF mit aktuell noch 97 Filialen.

Trotz dieser bereits langen krisenreichen Jahre haben sich die von der Presse bereits mehrfach todgeweihten Konzerne dennoch gehalten, was dafür spricht, dass es keine einfache Lösung im Sinne von „Warenhaus – ja oder nein?“ gibt, sondern eine Vielzahl von Aspekten, die sowohl zum einen als auch zum anderen Schluss führen können. Die Individualität der einzelnen Standorte und Häuser spielt dabei eine ausschlaggebende Rolle; denn die Bewertung des Konzeptes und der Erfolg fallen je nach Einwohner- und Stadtstruktur sowie der dort vorzufindenden Einkaufslandschaft unterschiedlich aus.

Ein Wegfall der Warenhäuser kann durchaus schmerzhafte Lücken mit negativen Konsequenzen für die gesamte Stadt und den dort ansässigen stationären Handel aufreißen, die sowohl aufgrund der großen Flächen als auch des Kostenaufwandes nicht mehr einfach, häufig sogar gar nicht zu stopfen sind. Trotz des fast in Stein gemeißelten Wegfalls einzelner Standorte sieht es also eher danach aus, als könnten wir in ein paar Jahren statt über „den Wegfall der Warenhäuser vom deutschen Markt“ über „den einschneidenden Wandel der deutschen Warenhäuser“ berichten.