Shirts von Kindern aus Entwicklungsländern entworfen
Das Credo „Tell a Vision“ ist beim nachhaltigen Label Tellavision nicht nur leere Phrase. Die Shirt-Motive der Marke sind von Kindern aus Entwicklungsländern entworfen, die über ihre Kreationen persönliche Geschichten und Wünsche ausdrücken. Der Gründer Sascha Ivan erzählt im Interview, warum es so wichtig ist, den jungen Designern eine Stimme zu verleihen.
Sascha Ivan gab 2009 den Startschuss für sein Label Tellavision. Dabei ging es ihm von Beginn an nicht einfach nur darum, Kleidung aus nachhaltigen Materialien zu entwerfen. Der 35-jährige Duisburger geht noch einen Schritt weiter: Mit seinem Label will er sich aktiv für benachteiligte Kinder in Entwicklungsländern einsetzen. In enger Kooperation mit Hilfsorganisationen und -institutionen erarbeitet er mit Kindern themenorientiert Print-Motive für seine Shirts und Hoodies, diese sind stets von persönlichen Geschichten und Wünschen geprägt. Ein Teil der Erlöse seiner vornehmlich über Web-Shops verkauften Kollektionen kommt den jungen Designern zugute und fließt in Projekt- oder Bildungsarbeit.
FT: Sascha, wie bist du auf die Idee gekommen, Kindermalereien als Print-Motive für Shirts zu realisieren, um so Hilfsgelder für Benachteiligte zu generieren?
Sascha Ivan: „Eigentlich ist alles aus einem Kinderjux heraus entstanden. Die Nichten einer Freundin haben mir ein eigens bemaltes T-Shirt geschenkt. Ich habe es gern angezogen, trug es auf Konzerten und Festivals. Es war unglaublich, wie häufig ich auf dieses T-Shirt angesprochen wurde. Ständig wollte jemand wissen, wo ich es gekauft oder wer es bemalt hatte. Mir ist dann irgendwann einmal bewusst geworden, was für ein Multiplikator dieses Shirt eigentlich ist. Bald schon war die Idee geboren, sich über ein T-Shirt für Mensch und Umwelt einzusetzen. Ich entschied, benachteiligten und diskriminierten Kindern ein Sprachrohr an die Hand zu geben. So begann ich, nach Afrika und Indien zu reisen, hob ich das Label Tellavision aus der Taufe.“
Welche Message steckt hinter dem Markennamen?
„Bei Tellavision geht es um Symbiosen. Jedes Shirt ist als Infokanal für einen Designer zu verstehen. Die Kinder haben über diesen die Möglichkeit, ihre Probleme auszudrücken und öffentlich zu machen. Tellavision bedeutet, von einer Vision zu erzählen. Es steht ein Zusammenspiel verschiedener Parteien im Fokus. Der Käufer eines Shirts wird automatisch auch zur Stimme eines Kindes, erzählt seine Vision weiter. Auf unserer Website ist mit Namen und Bild genau einsehbar, welches Kind welches Motiv entworfen hat und warum. Es ist wichtig, dass Menschen hierzulande Aufklärung erfahren und in ihrem Konsumverhalten sensibilisiert werden – oftmals hat dieses schwerwiegende Folgen für andere Menschen in ärmeren Ländern.“
Wie sieht deine Arbeit an Kollektionen konkret aus?
„Ich überlege mir ein Überthema und beginne, Kontakt mit einer Hilfsorganisation in der Dritten Welt aufzunehmen. Für die erste Kollektion reiste ich 2010 in ein Albino Center in Tansania, Afrika, das gegen die Ermordung von weißen Kindern kämpft. Im Jahr 2011 besuchte ich Kinder in Indien, um Umweltrecht und Raubbau an der Natur in den Fokus zu rücken. 2016 ging es für mich erneut nach Indien. Das Thema Kinderarbeit in der Mode stand zur Debatte, ich arbeitete mit ausgebeuteten Mädchen zusammen. Nach den Reisen werden die in Workshops erarbeiteten Motive per Siebdruck auf Shirts aufgebracht und reproduziert. Es beginnt danach nicht nur der Verkauf, sondern auch die Öffentlichkeitsarbeit. Ich engagiere mich mit Dia-Vorträgen und Co sehr auf Messen sowie Kulturfestivals und bin auch in Schulen und Universitäten unterwegs. Zudem ist Tellavision in der Clean Clothes Campaign organisiert. Ich möchte meine gesammelten Erfahrungen und Geschichten unbedingt weitertragen und teilen. Mir passieren während meiner Reisen sehr bewegende Begegnungen, die Kinder bringen mir so viel Dankbarkeit und Wertschätzung entgegen.“
Wie bewertest du das Interesse an deiner Arbeit seitens der Gesellschaft? Welchen Stellenwert hat nachhaltige Mode heutzutage?
„Ich denke, nachhaltige Mode belegt nach wie vor eine Nische. Gemessen am gesamten Modemarkt, machen grüne Labels doch nur einen kleinen Anteil aus. Nichtsdestotrotz ist die grüne Idee auf dem Vormarsch. Es gibt immer mehr expandierende Marken und professionalisierte Vertriebsstrukturen. Auf Messen ist die Entwicklung ganz deutlich zu sehen. Leider haben viele Konsumenten nicht das Portemonnaie, um diese Entwicklung mitzulaufen. Vor allem im Ruhrpott spürt man diese Tatsache ganz deutlich. Im Süden Deutschlands und in Österreich gestaltet sich die Situation wiederum gänzlich anders. So oder so, es interessieren sich immer mehr Menschen für das Thema Nachhaltigkeit. Ich bin sehr um Aufklärung bemüht, möchte jedoch nicht oberlehrerhaft wirken. Es geht vielmehr darum, Denkanstöße zu geben und interne Prozesse ins Rollen zu bringen, die in Unternehmen zu veränderten Strukturen führen.“
Wie würdest du die Zielgruppe von Tellavision beschreiben?
„Die Zielgruppe ist so bunt durchmischt, dass sie sich gar nicht genau definieren lässt. Sowohl junge Teenager als auch Rentner kaufen Tellavision-Shirts – ganz gleich welcher Herkunft. Vielleicht kann man sagen, dass sich unsere Käufer durch ein besonders großes Herz auszeichnen, ich würde mit 95 Prozent von ihnen sicherlich ein Bier trinken gehen. Zudem ist augenfällig, dass sich insbesondere Frauen für unser Label interessieren. Frauen sollten sich ehrlich verstärkt in wichtigen Positionen durchsetzen, um ihre Werte und Gesinnungen weiterzutragen. Das Höher-schneller-weiter-Prinzip von Männern braucht heutzutage wirklich kein Mensch mehr.“
Wo willst du mit Tellavision in Zukunft noch hin?
„Seit Beginn meiner Arbeit mit Tellavision lag mein Augenmerk niemals auf dem Verkauf. Der Fokus konzentrierte sich vielmehr auf die Arbeit mit Hilfsorganisationen und Netzwerken, um in gemeinsamer Kooperation Spenden zu generieren und Projekte zu realisieren. Mittlerweile kenne ich die komplette deutsche Szene rund um nachhaltige Mode. Tellavision ist auf einem Level angekommen, das ich mir niemals hätte träumen lassen. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, Kinder aus Entwicklungsländern nach Deutschland holen zu können, um hier noch konkretere Projekte zu verwirklichen. Auch möchte ich die Arbeit mit Firmen intensivieren. Jedes Unternehmen, das sich als Netzwerkpartner engagiert und umdenkt, ist wahrhaft Gold wert.“
Vielen Dank für das Gespräch!