Schluss mit Ladenschluss

Sonntagsöffnung

©FT
Autor: Silke Bohrenfeld

Die Sonntagsöffnung soll dem stationären Handel Mehrumsätze bescheren

Es sind Ferien. Wir sind in Lissabon, Mallorca, London oder Paris. Und überall pulsiert das Leben – auch am Sonntag. Denn während in Deutschland erneut der Streit über die Sonntagsöffnungszeiten ausgebrochen ist, lässt es sich im Ausland gut shoppen – und natürlich im Netz.

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Mehr als 20 Jahre ist es alt: das gute deutsche Ladenschlussgesetz. Am 1. November 1996 durften Geschäfte in Berlin, Hamburg oder Frankfurt erstmals länger öffnen. An Werktagen bis 20 Uhr, an Samstagen immerhin bis 16 Uhr. 2003 wurden dann auch für den Samstag die Öffnungszeiten bis 20 Uhr verlängert. Heute können bis auf wenige Ausnahmen wie zum Beispiel in Bayern Geschäfte werktags rund um die Uhr öffnen. An den meisten Sonntagen allerdings müssen sie geschlossen bleiben. Durchschnittlich vier Sonntage im Jahr sind verkaufsoffen. Lediglich bei bestimmten externen Anlässen wie einem Weihnachtsmarkt oder Straßenfest dürfen Händler auch sonntags aufschließen. Aber auch das ist nicht rechtssicher und von Bundesland zu Bundesland sowie Kommune zu Kommune verschieden. Erst Ende 2016 haben mehrere Oberverwaltungsgerichte die geplanten verkaufsoffenen Sonntage mehrerer Kommunen einkassiert. In Münster etwa wurden alle 15 geplanten verkaufsoffenen Sonntage bis 2019 abgesagt. Für viele Handelsunternehmen und -verbände ist das ein Unding.

Gleichbehandlung mit dem Onlinehandel

Steffen Jost, Geschäftsführer vom Modehaus JOST mit Filialen in mehreren Städten, findet die momentane rechtlich-politische Situation mehr als unbefriedigend. „Es kann nicht sein, dass angekündigte verkaufsoffene Sonntage einfach gekippt werden. Wir Händler brauchen hier Rechts- und Planungssicherheit“, findet er. Auch Stefan Genth, HDE-Hauptgeschäftsführer, plädiert für eine unkomplizierte anlassunabhängige Regelung und mindestens zehn offene Sonntage im Jahr, die jede Kommune selbst terminieren kann. Zumal das Bundesverfassungsgericht festgestellt hatte, dass bis zu zehn verkaufsoffene Sonntage nicht verfassungswidrig sind. Als Grund führt Genth die Gleichbehandlung mit dem Online-Handel ein. Denn wenn die Geschäfte in der Stadt geschlossen bleiben, würden Kunden verstärkt online einkaufen.

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Händler fordern mehr Flexibilität

Tatsächlich gilt der Sonntagnachmittag als der umsatzstärkste Tag im Online-Handel, denn die Menschen haben Zeit zum Einkaufen – und nutzen diese. Aber auch im stationären Handel kauft der Konsument sonntags verstärkt ein – falls er denn kann. „Wenn wir unser Geschäft sonntags geöffnet haben, generieren wir an diesem Tag etwa dreimal so viel Umsatz wie an einem normalen Wochentag. Allerdings ist der Umsatz in der Woche vor und nach dem verkaufsoffenen Wochenende geringer. Außerdem relativieren sich die Einnahmen auch immer dadurch, dass wir höhere Kosten für das Verkaufspersonal oder Werbung haben und der anlassbezogene verkaufsoffene Sonntag auch immer mit Preisaktionen verbunden ist“, sagt Sabine Taghizad, Inhaberin der Boutique Catwalk in Bensberg. Für Steffen Jost sind die verkaufsoffenen Sonntage eine Frage der Präsenz. „Zwar verlagert sich der Umsatz“, stellt auch er fest. „Aber es werden neue Kunden auf das Geschäft aufmerksam oder es kommen Kunden, die schon lange nicht mehr da waren. Außerdem kann man nicht das Ausbluten der Innenstädte beklagen und gleichzeitig dem Internet kampflos das Feld überlassen.“  Angesichts der starken Position des Online-Handels ist es umso wichtiger, dass die stationären Geschäfte mehr Flexibilität bei den Öffnungszeiten haben.

Das Geschäft ist nicht alles

ver.di und die Kirchen haben hier naturgemäß eine andere Meinung. Für ver.di-Sprecherin Eva Völpel ist die Diskussion um immer längere Öffnungszeiten nicht die richtige Antwort auf das Internet. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Thomas Sternberg findet, dass eine Ausweitung von Ladenöffnungszeiten auf den Sonntag schnell in einen Ausverkauf der Kultur unseres Zusammenlebens kippt. Er warnt davor, die Debatte nur aus geschäftlicher Perspektive zu führen. Argumente, über die sich Stephan Fanderl, KARSTADT-Chef, allerdings nur wundern kann. Denn während streng katholische Länder in Europa wie Italien oder Polen mit der Öffnung der Läden am Sonntag kein Problem haben, bleiben die Türen in Frankfurt, München, Berlin oder Hamburg geschlossen. Auch darum wäre eine schnelle strukturelle Änderung wichtig.

Lese Sie dazu auch den Kommentar “Das Hase-Igel-Prinzip” unseres Autoren Andreas Grüter.