Autor: Markus Oess
Es läuft für die Schwaben. Der Nagolder Menswear-Spezialist DIGEL hat im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahrs mit knapp 59 Millionen Euro ein Plus von 6 Prozent zum Vergleichszeitraum hereingeholt. Erstaunlich stark ist die Entwicklung im Heimatmarkt mit mehr als 10 Prozent Erlöszuwachs. Die Vororder Herbst/Winter 2017 wurde mit knapp 20 Prozent Plus abgeschlossen. Deutschland fällt mit plus 23 Prozent auch hier überdurchschnittlich gut aus. Einen erheblichen Beitrag habe die Einführung der neuen Schuhkollektion geleistet. Im Gespräch mit FT sagt Vorstand Jochen Digel, dass sie selbst von dem großen Erfolg überrascht waren. DIGEL setzt auf Markenbildung und Total Look.
Jetzt will DIGEL auch in den klassischen Schuhhandel: „Inzwischen ordern rund 300 Kunden unsere Schuhe. Der Erfolg hat uns dazu gebracht, auch diesen Schritt zu gehen. Wir haben das Schuhprogramm nochmals deutlich ausgebaut. Wir haben jetzt 30 Modelle im Programm, das ist eine Verdreifachung. Vom Sneaker bis zum klassischen Schuh ist alles dabei – DIGEL und DIGEL MOVE. Jetzt bieten wir auch rahmengenähte Schuhe zu Verkaufspreisen von 169 Euro und einer Kalkulation von 2,5 an.“ Im Gespräch mit FT gibt sich DIGEL-Vorstand Jochen Digel angriffslustig. Gut die Hälfte der Modelle läuft über NOS. Der DIGEL-Chef ist sicher, sich im Wettbewerb behaupten zu können. Bislang gab es die Schuhe nur in Deutschland, Frankreich und Belgien. „Wir werden das Programm auf alle Exportmärkte ausrollen. Aus diesem Grund werden wir im September auch auf einem 65 Quadratmeter großen Stand auf der Micam in Mailand ausstellen“, kündigt Digel an.
Italien ist sowieso einer der größten Märkte für DIGEL geworden. Auch einer der Gründe, auf der Pitti Uomo Flagge zu zeigen. Nun will Digel mehr: „Wir waren im April mit unserer Digel Academy unten und haben Zielkunden erklärt, was wir bieten können. Inzwischen schätzt man auch im Ausland die Leistungsfähigkeit deutscher Labels, denn auch modisch haben wir klar aufgeholt und sind auf der Höhe der Zeit. Wir kooperieren mit Mario Porrovecchio, einem der führenden Blogger im Land, um uns dort weiter bekannt zu machen. Es geht spürbar voran. Die Pitti bleibt international eine wichtige Messe, nicht nur für Italien.“
„Es läuft gut an“
Den Schwung aus dem ersten Halbjahr will der Unternehmens-Chef in die kommende Order mitnehmen. Die Resonanz auf der Berliner PANORAMA sei sehr positiv gewesen. „Auch wenn die Frequenz augenscheinlich etwas schwächer war, sind alle wichtigen Kunden gekommen. Es läuft gut an. Bei MOVE werden wir bei den Sakkos etwas kommerzieller. Generell geht es inzwischen mehr in Richtung Casual und das ist für uns noch recht neu. Wir haben den Look von DIGEL deutlich entspannt und weiter modernisiert. Aus diesem Grund finden Sie im neuen Lookbook auch nur einen Anzug.“ DIGEL verändere seinen Look, der Rest, also Dinge wie Service, Lieferfähigkeit, NOS, blieben in gewohnter Qualität. „Wir forcieren den Total Look. Das wollen wir auf die Fläche bringen. Sicher ist der Anzug das Brot-und-Butter-Geschäft. Aber wir denken deutlich mehr in Richtung Kombifähigkeit der Einzelteile, die sich zu einem lässigen Look zusammenfügen. Das ist es, wie wir mit dem Begriff Casualisierung umgehen.“
Das neue Werk in Izmir läuft inzwischen auf Betriebstemperatur. Inzwischen produziert das Label dort mit gut 300 Mitarbeitern auch Sakkos. Gut 20 Prozent des gesamten Volumens kommen aus der Türkei. „Daran können Sie die Bedeutung des Werkes bemessen“, sagt Digel. Pro Woche produziert das Werk um die 3.000 Anzüge. In der Spitze könnten es auch 3.500 werden. Allerdings haben die Schwaben sowieso die Installation eines zweiten Bands direkt vorbereitet. DIGEL wächst und die Logistik stößt an ihre Grenzen. Nun investiert das Unternehmen 6 bis 7 Millionen Euro in die Erweiterung der Logistik und baut die Kapazität um 40 Prozent aus. „Wir planen auch, RFID einzuführen und die Logistik effizienter zu gestalten. Wir werden in Kürze mit dem Bau beginnen. April, Mai 2018 wollen wir fertig sein, um die Auslieferung der Herbst/Winter-Kollektion darüber laufen zu lassen“, sagt Digel.
Ein Kapitel wird geschlossen
Das Unternehmen ist in den zurückliegenden Jahren sehr stark gewachsen, eine Zeit, die auch Michael Bischof mitgeprägt hat. Bekommt er zum Abschied jetzt lebenslang DIGEL-Anzüge frei Haus? Darauf antwortet Digel:
„Wir hatten daran gedacht. Ich fürchte, Herr Westermann, Inhaber von ROY ROBSON, wohin Herr Bischof wechselt, hätte etwas dagegen. Nein, ernsthaft. Herr Bischof hat sehr viel für DIGEL geleistet und zum Abschied haben wir uns etwas Besonderes ausgedacht. Wir bleiben ja auch freundschaftlich verbunden.“
Was hinterlässt er, wenn er im Oktober offiziell geht?
„In seiner Zeit hat sich der Umsatz von DIGEL verdoppelt. Er hinterlässt ein kerngesundes Unternehmen mit einer klar profilierten Marktposition. Er hinterlässt ein starkes Produkt- und Vertriebsteam und er hat den Markengedanken für DIGEL überhaupt erst mal definiert. Heute sagt auch mein Vater, wir sind Marke.“
Sie übernehmen die Aufgaben interimsweise mit und suchen einen Nachfolger. Kommt ein Wechsel auf der gleichen Position oder werden die Ressorts neu verteilt?
„Nein, es ist ein Wechsel auf gleicher Position. Wir suchen einen Mann oder eine Frau für Produkt und Vertrieb. Vielleicht werden wir den Bereich Marketing etwas neu verteilen. Aber wir haben mit Philipp Tausch einen Marketingleiter, der seinen Job sehr gut versteht.“
Viele Wettbewerber haben sich vom Markt verabschiedet
DIGEL, aber auch die Wettbewerber ROY ROBSON, CRÉATION GROSS und BENVENUTO haben erneut Umsatz draufgepackt und das auch im Inland. „Die genannten Marken haben alle ihre Hausaufgaben gemacht und sich ihre Position erarbeitet. Wir stehen für Passform, Preis/Leistung, Baukasten und eine gut funktionierende Logistik. Modisch haben wir eine stilsichere Handschrift und sind damit zu einem verlässlichen Partner im Handel geworden. Was die Umsatzzuwächse angeht, dürfen Sie nicht vergessen, dass einige Wettbewerber auch in der jüngeren Vergangenheit verschwunden sind oder deutlich verloren haben: J. Philipp, die Peine GmbH, BÄUMLER und andere wären da zu nennen. Das ist übrigens im europäischen Ausland ganz ähnlich. Speziell in Frankreich hat sich der Markt bereinigt, das hilft uns natürlich“, erklärt der Unternehmens-Chef. Doch trotz der Dynamik wird DIGEL sein angestammtes Segment nicht verlassen. Statt in Premium vorzurücken, kann sich Digel eher vorstellen, „neue Sortimente dazuzunehmen, wie wir das bei den Schuhen ja bereits getan haben.“
DIGEL soll zur Endverbrauchermarke werden. Wie viel der Wegstrecke das Label schon hinter sich hat, will Jochen Digel nicht konkretisieren:
„Das ist ein steter Prozess, denn auch wenn wir zur Marke bei den Verbrauchern geworden sind, müssen wir ständig nachlegen, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Wir müssen dialogfähig bleiben. Inzwischen sind wir auch bei den sozialen Medien aktiv, weil wir merken, dass die jungen Käufer darüber besser zu erreichen sind als über die klassischen Kampagnen. So arbeiten wir zusehends mit Bloggern zusammen und suchen bewusst solche aus, die nicht eine Heerschar von Followern hinter sich herziehen und damit zwar Professionalität hinzugewinnen, dafür aber ein Stück Glaubwürdigkeit verlieren. Wir wählen bewusst Blogger aus, die sich für DIGEL wirklich begeistern.“
Wie machen sich die Bemühungen am PoS bemerkbar?
„Wir präsentieren uns auf der Fläche schon seit geraumer Zeit als Marke und unterstützen den Handel vor Ort. Wenn wir sagen, wir forcieren unsere Aktivitäten im digitalen Bereich, heißt das nicht, dass wir dieses PoS-Marketing dafür herunterfahren.“
Hilft der Online-Store?
„Der Online-Shop ist das Schaufenster zu Welt. Wir sind dabei, den Shop ins Haus zu holen. Der Shop entwickelt sich positiv. Anzüge sind erklärungsbedürftige Produkte. Hier hilft uns die Passformsicherheit. Den stationären Handel ersetzt Online aber nicht.“
Helfen auch eigene Läden?
„In Deutschland haben wir in Wetzlar, Neunkirchen, Neuss und in Stuttgart einen Monobrand-Store. Dort können wir uns so präsentieren, wie wir es uns vorstellen, und so am Markenauftritt auf der Fläche arbeiten. Gerade auch für das internationale Geschäft ist das hilfreich, denn wir können uns den Handelspartnern unter ,Echtbedingungen‘ präsentieren.“