A bissle fair gibt es nicht!

Store-Check Schlechtmensch

Der Umsatz im Textil-Einzelhandel legt zu. ©Markus Oess

Der Store für öko-faire Mode in Stuttgart

Autor: Markus Oess

Das klingt einfach: „Wir verfolgen eine Entweder-oder-Strategie. Entweder GOTS-Nachweis oder keine Listung.“ Dumm wird es nur, wenn es kein „Entweder“ gibt. Ohne Ware wird es auch für öko-faire Anbieter schwer, ihren Handel zu betreiben. Das weiß Philipp Scheffbuch. Der Mittvierziger hat seinen Laptop gegen die Ladenkasse getauscht und verkauft seit Oktober 2015 in Stuttgart öko-faire Mode für Frauen und Männer.

WERBUNG

Als Wirtschaftsjournalist hatte sich Philipp Scheffbuch auch in seinem alten Job intensiv mit Nachhaltigkeit beschäftigt. „Was ich komplett ablehne, ist, wenn Hersteller und Händler ihre Verantwortung an der Garderobe abgeben, weil sie sich vertraglich zusichern lassen, es sei alles in bester Ordnung. Wenn dann etwas passiert, heben die Manager trocken die Hand und sagen: ,Schaut, wir haben alles getan, aber unsere Schuld ist es nicht, wenn Verträge von den anderen gebrochen werden.‘ Öko-Fair geht, aber es ist eben nicht mit bloßen Versprechungen getan. Da gehört schon viel mehr dazu.“ Er wolle zeigen, dass es auch anders geht. Klar, Mode mache ihm Spaß, ohne das funktioniere das sowieso nicht. Sieben Monate nachdem der Entschluss stand, eröffnete schlechtmensch.

GOTS oder gar nicht

Scheffbuch wählt seine Lieferanten genau aus: Wir verkaufen ausschließlich GOTS-zertifizierte Kleidung. So konsequent geht wahrscheinlich kein Laden hier in der Republik an die Sache heran. Wir wollen keinen missionieren, aber wir verstehen Kunden, die beim Thema Bio und Fair große Zweifel haben. Wir wollen von allen Herstellern Nachweise sehen, dass sie besser, fairer und umweltgerechter sind. Gerade bei Jeans war das schwer, insbesondere bei Männerjeans. Denn lange gab es keinen Hersteller, der GOTS-zertifizierte Männerjeans angeboten hat.“

Also verzichtete der Württemberger über mehrere Monate darauf, Denims zu verkaufen. Für einen Laden wie schlechtmensch bedeutet das echten Verzicht. Inzwischen steuern die Männer rund ein Drittel des Umsatzes bei. „Weil es aktuell auch keine wirklich öko-fairen Schuhe gibt, verkaufe ich auch nach gut eineinhalb Jahren immer noch keine Schuhe, obwohl mich Kunden oft fragen.“ Der GOTS (Global Organic Textile)-Standard habe den für Scheffbuch einzigen plausiblen und ausreichend strengen Kriterienkatalog über die gesamte Wertschöpfungskette aufgestellt, bevor das Siegel vergeben wird.

  • Zimmer mit Aussicht: schlechtmensch liegt direkt an der U-Bahnstation Neckartor.
  • Diana Veedt lotst auch ihre Freunde in den Laden.
  • "Zeigen, dass es anders geht."
  • Markantes schlechtmensch-Logo
  • GOTS-zertifizierter Denim
  • Eine befreundete Künstlerin gestaltete die Rückwand.
  • Modemuffel?!
  • Der Laden beheimatete über Jahrzehnte einen Elektro-Laden.
  • Fair kaufen und fair waschen.
  • Tragbare Mode
  • Herzenssache Fairtrade
  • Inzwischen verkauft Scheffbuch auch GOTS-zertifizierte Männerjeans.
  • Ganz ohne Schreiben geht es doch nicht. Ex-Journalist Philipp Scheffbuch hat seinen eigenen Blog.
  • Alles andere als kopflose Mode.
  • Den Laden gestaltete Philipp Scheffbuch selbst.

Digitale Präsenz

„Preislich liegt der Laden in etwa auf dem Niveau von Marken wie Marc O’Polo“, so Scheffbuch. Die Jeans liegen zwischen 89 und 110 Euro, T-Shirts kosten zwischen 19,90 und 39,90 Euro und Pullis 49,90 bis 59,90 Euro. Den Laden (70 Quadratmeter Verkaufsfläche) hat Scheffbuch nach eigenen Vorstellungen eingerichtet. Er hatte es zunächst mit einer Innenarchitektin versucht, war aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Einfach und anders sollte es auf jeden Fall werden.

WERBUNG

Die Warenständer baute ein befreundeter Metallbauer aus Rohren zusammen. Das wenige, was an Möbeln in dem Laden steht, kaufte Scheffbuch gebraucht, auch die alte Registrierkasse auf dem Verkaufstresen. Der Laden, der von drei Seiten gut zu sehen ist, liegt an einer dicht befahrenen Straße und ist auch von der Innenstadt noch sehr gut zu erreichen. Er ist gerade mal 400 Meter Fußstrecke durch den Schlosspark vom Hauptbahnhof entfernt. Parkplätze sind kein Problem und die Leute stolpern förmlich aus der U-Bahn-Station (Neckartor) in den Store.

20 bis 30 Prozent vom Umsatz steuert inzwischen der Online-Shop bei, den Scheffbuch zeitgleich eröffnet hatte. „Du musst digital präsent sein“, weiß er. Allerdings begreift der Händler den Shop eher als digitales Schaufenster und vermeidet es aus den bekannten Gründen (Retouren etc.), alles auf die digitale Karte zu setzen. Nur etwa 30 Prozent des Angebotes sind auch im Online-Shop zu haben. „Für mich bleibt der Verkauf von Bekleidung immer noch eine haptische Angelegenheit. Du musst die Klamotten auf der Hand spüren“, sagt Scheffbuch, der mit Begeisterung einen Blog schreibt.

Markantes Wortspiel

Auf die Idee, den Laden schlechtmensch zu nennen, kam Scheffbuch, schon Monate bevor „Gutmensch“ 2015 zum Unwort des Jahres gekürt wurde. „Ist denn Schlechtmensch im Umkehrschluss jetzt das Wort des Jahres? Wir sind dafür“, schreibt er später auf seinem Blog zur Wahl der Jury. Scheffbuch will auch provozieren. „Außerdem bleibt der Name im Gedächtnis, denn die Leute beginnen, darüber nachzudenken“, grinst er. Bei der Wahl seiner Marken und Sortimente wollte der Laden-Chef auf keinen Fall in die IKEA-Falle geraten: „Die meisten Deutschen kennen die Wohnzimmer ihrer neuen Bekanntschaften bereits, bevor sie überhaupt die Türschwelle überschritten haben. Eine schwedische Möbelkette macht es möglich. Das sieht doch in der Mode oft nicht besser aus. Ich weiß nicht, wie man sich auf einer Party fühlt, wenn man auf das eigene Kleid oder Hemd von der Marke XY angesprochen wird, weil man das auch schon anhatte, sich aber für die andere Farbe entschieden hat und zwei weitere Gäste von ähnlichen Erfahrungen berichten.“

Scheffbuch hat seinen festen Stil und wählt für seine Kunden aus. Mit Erfolg. „Ich will öko-fair einkaufen. schlechtmensch ist ein cooler Laden. Ich mag die Auswahl, ich finde hier immer was“, sagt zum Beispiel Diana Veedt, die auch diesmal mit einer schlechtmensch-Papiertüte in der Hand den Laden verlässt. Reiner Beck wollte Diana eigentlich nur begleiten, hat aber auch gleich eine Hose gekauft. „Ich werde bestimmt öfter kommen. Netter Typ, netter Laden“, meint Reiner noch. Alexander Schmidt hat schlechtmensch auf dem Weg zur Arbeit entdeckt. „Irgendwann stand ich im Laden. So viel Angebot an öko-fairer Mode haben wir in Stuttgart nicht.“

schlechtmensch

Neckarstraße 86 (direkt am U-Bahn-Halt Neckartor)
70190 Stuttgart
Telefon: 0711 5409633-0
eMail: schnauzevoll@schlechtmensch.de
Website: www.schlechtmensch.de
Verkaufsfläche: 70 Quadratmeter
Marken: anukoo, ARMEDANGELS, FEUERVOGL, RECOLUTION, People Tree, MELAWEAR