Autor: Markus Oess
Dort, wo Debora und Philippe Maassen leben und ihren Laden betreiben, sind schon in früheren Zeiten bevorzugt Männer hingegangen, allerdings suchten die nach diversen Dienstleistungen, nicht nach Kleidung. Das Viertel war bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts hinein ziemlich verrufen. In den 60er-Jahren dann entschloss sich die Stadt, die dereinst verruchten Gassen komplett zu renovieren. Heute ziehen statt übler Gestalten gut verdienende Kaufwillige und natürlich eine Menge Touristen durch das Viertel. Der Laden MAYFAIR liegt in Maastrichts Stokstraat.
Debora und Philippe Maassen sind ein Ehepaar, beide 35 Jahre alt und sie begeistern sich für Menswear im gehobenen Genre. Kennengelernt haben die zwei sich bei Van Overeem Van Wissen, einem Maastrichter Herrenausstatter, der inzwischen unter anderem Namen einen Laden führt. „Nach der Schule wusste ich nicht, was ich beruflich anfangen sollte, und so jobbte ich in einem Geschäft für Menswear“, erzählt Philippe. Das ist 15 Jahre her, der Laden war recht edel und so betrat Philippe eine qualitätsorientierte Modewelt, die er sehr schnell lieben und schätzen lernte. Er sei ein Modefreak, sagt Philippe von sich. Einer, der in der Männermode seine Berufung gefunden habe. Es folgten weitere Jobs als Modeberater. Philippe bezeichnet sich als Selfmade-Mann, er ist ein Autodidakt. Debora ist ausgebildete Herrenschneiderin und hat an der Fashion and Art Academy in Antwerpen studiert.
2011 entschloss sich das Paar, einen eigenen Laden zu eröffnen. Drüben auf der anderen Seite der Maas in Wyck. Damals hieß es, das Viertel solle zum Magneten für Maastrichts Luxuskäufer werden. „Das allerdings stellte sich als Trugschluss heraus“, findet Philippe. Dafür hat sich die Stokstraat zu dem verwandelt, was eigentlich Wyck zugedacht war. „Wir sind Eigentümer der Immobilie und so lag es nahe, den Sprung über die Maas zu wagen und in das eigene Ladengeschäft zu ziehen“, sagt Debora. Das war im Februar dieses Jahres.
Differenzierung durch Marken
Konzeptionell hat sich nichts geändert, aber die beiden müssen mit einer Verkaufsfläche von 40 statt 130 Quadratmetern auskommen. Die Ladeneinrichtung wurde auf das neue Maß getrimmt. „Das Konzept funktioniert auch hier ganz gut“, meint Debora. Die Warenpräsentation ist zurückhaltend. Im Keller sind die Umkleidekabinen, das Lager und ein Atelier untergebracht. „Wir wollen uns vom Wettbewerb vor Ort durch die Marken differenzieren, die nur wir führen. Unser Markenangebot ist in Maastricht einzigartig. Es besteht keine einzige Überschneidung mit anderen Läden“, sagt Philippe. Das kleine, aber ausgewählte Sortiment ist dreigeteilt: Zum einen verkaufen die zwei Highend Fashion mit Marken wie Dries Van Noten, HARRIS WHARF LONDON, JOHN SMEDLEY, MARGARET HOWELL, MARNI, OAMC oder Paul Smith. Labels wie Alice Made This, HAFOD GRANGE oder MILAN PALMA stehen für Lifestyle und kommerziellere Styles. Entsprechend fallen die Preislagen aus: T-Shirts kosten zwischen 55 und 330 Euro, Shirts sind für 150 bis 415 Euro zu haben, Mäntel liegen bei 400 bis 2.000 Euro. Die Hosen kosten 150 bis 550 Euro und schließlich Schuhe 240 bis 715 Euro. „Wir verkaufen überdies auch Skincare und Tees von DR JACKSON’S und Parfüm von D.S. & DURGA, einer wirklich interessanten Marke aus Brooklyn, New York“, ergänzt Debora. 25 Euro wird für eine Packung Tee fällig, dem die Produzenten – je nachdem – entspannende, anregende oder entschlackende Wirkung zusprechen. Eine Packung reicht dann für bis zu 40 Tassen.
Maßkleidung im Programm
Als weiteres Standbein verkauft MAYFAIR Maßkleidung. Abgewickelt wird das Geschäft über eine Amsterdamer Agentur, die sich um Produktion und Beschaffung kümmert. Gelabelt werden die Teile mit MAYFAIR. Der Laden arbeitet mit Produzenten in China für den Preiseinstieg (ab 500 Euro) und Manufakturen in Italien für die hochwertigen Anzüge (ab 1.200 Euro) zusammen. Die grobe Linie bei Design und Look entwickeln Debora und Philippe gemeinsam. Die Beratung am Kunden übernimmt dann Philippe. Debora kümmert sich um das Finishing, wenn die Anzüge nach der zweiten Anprobe zur Auslieferung kommen. „Wir haben unseren eigenen Stil entwickelt: klassisch zwar, aber clean und mit schmalen Silhouetten. Wir definieren uns über eine eigene, besondere Designleistung“, sagt Philippe. „Die meisten Anzüge verkaufen wir aus China. Das sind Teile mit einem richtig guten Preis-Leistungs-Verhältnis“, ergänzt Debora.
Inspiration holen sich die zwei durch Magazine, durch das Internet und auf der Straße. „Vor allem aber durch Reisen“, betont Philippe. „Wir schauen uns jede Schau in Paris an, bevor wir kaufen.“ Dabei lassen die beiden keine Saison aus. Im Gegenteil. Weil sich eine passende Vertretung nicht so einfach finden lässt, wird der Laden zweimal im Jahr für vier Tage hintereinander geschlossen. „Sicher haben uns beim ersten Mal auch Kunden darauf angesprochen. Ich habe dann geantwortet, ob sie es vorziehen würden, wenn wir das ganze Jahr geöffnet hätten mit einem langweiligen Angebot, das überall zu haben ist, oder wir die paar Tage schließen und dafür ein Sortiment bieten können, das einzigartig und spannend ist.“ Das haben die Kunden geschluckt. Allerdings sind in Holland Betriebsferien bei kleinen Geschäften nicht unüblich. Alles in allem wird das Geschäft vier Wochen im Jahr zugesperrt. Dann sind auch nicht ganz zwei Wochen Ferien drin. Im Sommer zwischen Ausverkauf und Kollektionswechsel. Angesprochen auf den Mid-Season Sale, kommt nach der praktizierten Messebegeisterung die zweite Überraschung: Der Ausverkauf bleibt konsequent auf das Saisonende beschränkt. Dann wird wieder zu regulären Preisen verkauft. Warendruck vermeiden die zwei so weit es geht und außerdem sei das Warenangebot nicht auf nur eine Saison ausgelegt. „Das handhaben hier eigentlich viele kleine Läden so. Die Händler achten darauf, bei den Marken Überschneidungen zu vermeiden. Die großen Ketten und Vertikalen sind da natürlich außen vor“, erklärt Philippe. Dem Laden ist auch ein Online-Shop angeschlossen. Nicht wegen der Umsätze, sondern vor allem als zweites Schaufenster. Vergleichsweise vieles, was geordert wird, geht weit weg, nach Japan, den USA oder Südkorea.