„Ethik und Sport ist ein diffiziles Thema“

Interview

Autor: Markus Oess

Wenn Borussia Dortmunds Topstürmer Pierre-Emerick Aubameyang seinem eigenen Klub einen einschenkt und beim Torjubel eine Maske von seinem eigenen Werbepartner Nike aufzieht, mag das clever wirken, korrekt ist es nicht, denn Gelb-Schwarz steht beim Konkurrenten Puma unter Vertrag. Gegen Sport ist jede Art von Sponsoring chancenlos, sagt Prof. Dr. Gerd Nufer. Er lehrt Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Sportmanagement an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen. Darüber hinaus leitet er das Deutsche Institut für Sportmarketing. Doch aller Kommerzialisierung zum Trotz ist das Geld in dem Bereich auch für kleinere Unternehmen gut angelegt, wenn sie ein paar Dinge beachten, sagt der Experte für Sportsponsoring,

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FT: Herr Professor Nufer, wie hoch schätzen Sie in etwa das Volumen des Sportsponsorings in Deutschland und wie hat es sich in der jüngeren Vergangenheit entwickelt?
Prof. Dr. Gerd Nufer: „Das Sportsponsoringvolumen in Deutschland betrug im Jahr 2016 rund 3,5 Milliarden Euro. Das macht knapp zwei Drittel der gesamten Investitionen in Sponsoring aus. Das heißt, andere Sponsoringarten wie Kultursponsoring, Soziosponsoring, Ökosponsoring, Mediensponsoring etc. haben gegen den Sport keine Chance. Auch die aktuelle Entwicklung spricht für den Sport: In den letzten fünf Jahren konnte das Sportsponsoring von 2,6 auf 3,5 Milliarden Euro sogar noch deutlich zulegen.“

Welches sind die populärsten fünf Sportarten in Deutschland, in denen Sponsorengelder fließen?
„Platz eins nimmt natürlich der Fußball ein. Eigentlich steht er sogar auf den Plätzen eins, zwei und drei, denn der Abstand zu anderen Sportarten ist gerade in Deutschland riesig, was Sponsorengelder anbelangt. Wenn man Popularität darin misst, welche Sportarten sich die Zuschauer im Fernsehen am liebsten anschauen, folgen die Formel 1 und Boxen auf den nächsten Plätzen. Saisonal haben Wintersportarten wie Skispringen, Biathlon und Skifahren natürlich eine wichtige Bedeutung. Dabei steht und fällt die Popularität einer Sportart maßgeblich mit den Erfolgen deutscher Protagonisten, wie die aktuellen Beispiele Tennis (Angelique Kerber als Nummer eins der Weltrangliste) und Handball (EM-Titel der deutschen Nationalmannschaft) zeigen.“

Müssen die Sponsoren heute tiefer in die Tasche greifen als früher?
„Das kommt darauf an, für welche Partner sich die Sponsoren entscheiden. Die Premium-Sponsorships im Spitzensport, insbesondere im Fußball, werden in der Tat immer teurer. Aber es müssen ja nicht zwingend der FC Bayern München oder Borussia Dortmund sein, auf die man setzt. Zum Beispiel kann man sich als Förderer im Nachwuchsbereich oder als Unterstützer des Breitensports für deutlich weniger Geld auch einen guten Namen machen, zumindest regional betrachtet.“

Wie sehen die gängigsten Kooperationsmodelle aus?
Sponsoring basiert auf dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung: Der Sponsor stellt seine Fördermittel in der Erwartung zur Verfügung, vom Gesponserten eine bestimmte Gegenleistung zu erhalten. Die Leistung vom Sponsor an den Gesponserten ist typischerweise eine finanzielle Zuwendung, es können jedoch auch Sachleistungen fließen. Bei der Gegenleistung, die der Gesponserte erbringt, gibt es sehr viele Möglichkeiten: zum Beispiel die Gestaltung von Ausrüstungs-/Ausstattungsgegenständen mit dem Namen des Sponsors, die Präsenz im Umfeld von Veranstaltungen, die Nutzung offizieller Titel, die Benennung einer Veranstaltung nach dem Sponsor bis hin zum Einsatz von geförderten Personen/Teams bei Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen.“

Welchen Einfluss haben die digitalen und vor allem die sozialen Medien auf die Verhandlungspartner – Sportler und Sponsor – genommen, was Verhandlungsstärke und auch Spielarten der Zusammenarbeit angeht?
„Aus der Perspektive des Gesponserten: Digitale Kanäle ermöglichen es einzelnen Sportlern, ihr Profil zu schärfen und sich besser zu positionieren. Wenn ein Fußballstar ein Zeitungsinterview gibt, ist es üblich, dass der PR-Verantwortliche seines Vereins anschließend noch mal drüberschaut, um zu gewährleisten, dass auch der Verein im entsprechenden Licht erscheint. Bezüglich Social Media haben die Vereine in aller Regel wenig bis keine Steuerungsmöglichkeiten, die Sportler können hier viel freier agieren – und tun das auch, das heißt, sie gewinnen an Verhandlungsmacht. Das eröffnet für Werbetreibende neue Möglichkeiten, einen Imagetransfer über einen Sportler zu generieren.
Aus der Sicht potenzieller Sponsoren: Die rasant fortschreitende Digitalisierung in allen Lebensbereichen wirkt sich natürlich auch inhaltlich auf das Sportsponsoring aus. Ein Erfolg versprechender Ansatz ist das ‚Connected Stadium‘, wie es derzeit in der Fußball-Bundesliga erprobt wird und Sponsoren neue Kommunikationsmöglichkeiten bietet. Stadionbesucher können über leistungsstarke Mobilfunktechnologien parallel zum Sportevent Echtzeitinformationen, Spielvideos, Zeitlupen etc. aufrufen oder das Event über die sozialen Netzwerke teilen. Und über die Analyse des Zuschauerverhaltens, was ja beispielsweise sehr gut möglich ist; wenn ich über Vereins-Apps exklusive Zugänge zur Verfügung stelle, können Sponsoren individualisierte Inhalte liefern.

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Positiv-Beispiel FC Hansa Rostock

Nicht jedes Unternehmen hat das Marketingbudget, um gleich Publikumsmagneten zu sponsern. Welche Möglichkeiten hat ein Unternehmen wie zum Beispiel Engelhorn oder ein mittelständischer Fashionanbieter wie Mode Monte Carlo, sich hier sinn- und wirkungsvoll zu engagieren? Kennen Sie gelungene Beispiele?
„Es müssen nicht immer der Spitzensport und teure Sponsoringpakete sein. Mir fällt dazu ein Beispiel ein, wie ein Verein unter denkbar schlechten sportlichen Voraussetzungen, und zudem mit großen finanziellen Problemen belastet, neue Angebote für Sponsoren entwickelt und neue Zielgruppen für Sportsponsoring erschlossen hat: Der Fußball-Drittligist FC Hansa Rostock verkaufte für 321 Euro Sponsorenpakete an kleine und mittelständische Unternehmen. Unter dem Motto ,3>2>1 für den Erfolg des Vereins‘ haben so mehr als 850 Partner dem FC Hansa den Rücken gestärkt. Der Verein konnte so innerhalb weniger Monate über 200.000 Euro einnehmen.“

Welche Kriterien sollte ein Sponsor bei der Wahl seines Partners berücksichtigen?
„Die Auswahl des Partners sollte keinesfalls aus dem Bauchgefühl heraus erfolgen, vielmehr sind Kriterien festzulegen, auf deren Basis die Eignung verschiedener Sportarten und infrage kommender Partner für die kommunikative Aufgabenstellung des Unternehmens überprüft werden kann. Nach dem Affinitätenkonzept sind insbesondere folgende Verbindungslinien denkbar:
– Produktaffinität: Die Sportart steht in einer Beziehung zum Produkt beziehungsweise der Leistung des Sponsors.
– Zielgruppenaffinität: Die Sportart findet das Interesse einer bestimmten Zielgruppe, die auch für den Sponsor attraktiv ist.
– Imageaffinität: Das Image der Sportart ist dem Image des Unternehmens, der Dach- oder Einzelmarke(n) ähnlich oder eine Ähnlichkeit kann assoziiert werden.
– Weitere mögliche Verbindungslinien könnten ein gemeinsamer Standortbezug von Sponsor und Gesponsertem oder ähnlich wahrgenommene ,Äußerlichkeiten‘ bilden.“

Was halten Sie von Plattformen wie sponsoo,  wird dadurch der Markt wirklich transparenter und durchlässiger?
„Derlei Plattformen sind ein Marktplatz für Sportsponsoring und haben das Ziel, Sportler und Sponsoren zusammenzubringen. Potenziellen Sponsoren wird ein Portfolio von Sportlern und Vereinen aus unterschiedlichsten Sportarten angeboten, sie sollen darin passende Partner finden. Sofern dabei die bereits erwähnten Kriterien zum Einsatz kommen und dadurch das ‚chairman’s wife syndrom‘, also ein irrationaler Einsatz von Sponsoring aufgrund von Gefälligkeitsdenken (Beispiel: Die Frau des Chefs mag Pferde, das Unternehmen engagiert sich deshalb im Reitsport – obwohl diese Sportart überhaupt nicht zum Unternehmen passt) ersetzen, können sie durchaus nützlich sein.“

Wie ist eigentlich Sponsoring im ethischen Sinne zu bewerten, wenn augenscheinlich zumindest im Profisport der Kommerz das Geschehen bestimmt?
„Ethik und Sport ist ein ganz diffiziles Thema. Nehmen wir doch als topaktuelles Beispiel den ‚Fall Aubameyang‘: Der BVB-Stürmer lässt sich einen Nike-Swoosh in seine Frisur einfärben und spielt so in der Bundesliga. Aus Modegesichtspunkten heraus mag das ,cool‘ sein und der Zielgruppe gefallen. Das Pikante daran ist jedoch, dass Borussia Dortmund von Puma ausgestattet und gesponsert wird. Aubameyang dagegen ist ein Testimonial von Nike. Aber die Geschichte geht noch weiter: Nur wenige Wochen später schnappt sich Aubameyang nach seinem Tor gegen Schalke 04 eine Nike-Maske, zieht sie auf und jubelt damit intensiv und publikumswirksam. Kurz zuvor war diese Maske als Gegenstand in einem YouTube-Werbevideo von Nike mit Aubameyang zu sehen. Hier pusht also ein Star, der das Vorbild vieler Jugendlicher ist, seinen persönlichen Sponsor. Ist das ethisch gesehen korrekt? Es ist auf alle Fälle offensichtlich, dass BVB-Sponsor Puma darüber nicht amüsiert ist. Darüber hinaus kann ich es nachvollziehen, wenn die Fußballfans immer lauter beklagen, dass die Kommerzialisierung im Fußball langsam überhandnimmt.“

Gerd Nufer – Deutsches Institut für Sportmarketing

Prof. Dr. Gerd Nufer lehrt Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Sportmanagement an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen. Darüber hinaus leitet er das Deutsche Institut für Sportmarketing. Das DISM bietet auf wissenschaftlicher, unabhängiger und professioneller Basis Beratungs- und Weiterbildungsangebote für Sportvereine, Sportverbände, Sportsponsoren sowie sonstige Stakeholder des Sportbusiness zu allen Themenbereichen des Sportmarketing: www.sportmarketing-institut.de