Autor: Markus Oess
Mary und Jojo sind „Best Friends“, wie sie sagen. Vor wenigen Jahren haben sie in der Düsseldorfer Altstadt einen Streetwear-Laden gegründet, der schnell zum festen Anlaufpunkt für Eingeweihte wurde. Inzwischen ist SOUQ in der Fashion-Szene am Rhein gesetzt. SOUQ ist arabisch und heißt Marktplatz, ein Ort der Begegnung. Ihre GmbH haben sie Farbenblind getauft und das signalisiert: Wen jucken schon Hautfarbe, Religion oder Geschlecht?
Ein ungleiches Paar sind die zwei nur im Vorbeigehen. Maryam Hajji ist 32 Jahre alt. Die gebürtige Marokkanerin kam mit drei Jahren nach Deutschland, ist hier zur Schule gegangen. Mode ist ihr Leben. Besonders Sneakers haben es ihr angetan. Und um sich die Schuhe auch in jungen Jahren in angemessener Zahl leisten zu können, jobbte sie schon als 15-Jährige als Verkäuferin – auch bei dem Sneaker-Spezialisten SNIPES. Nach dem Abitur entschied sie sich für eine Lehre als Groß- und Außenhandelskauffrau bei der BD Agentur, nebenbei jobbte sie weiter beim Multibrandstore VIBES. Es folgten verschiedene Stationen mit verschiedenen Labels, die sie betreute, wie MAZINE, VANS, GLOBE, DICKIES usw. Zuletzt arbeitete sie als Key Account Managerin bei DC SHOES. Mary ist gläubige Muslima.
Jojo Koomson, 37 Jahre alt, ist in Ghana geboren. Seine Familie musste in den politischen Unruhen mit Umstürzen und Putschversuchen fliehen und lebt seit Sommer 1983 in Deutschland. Inzwischen sind bis auf einen Bruder alle nach Ghana zurückgekehrt. Jojo ist eingefleischter Rheinländer. Wenn er spricht, hört man das. Auch bei ihm drehte sich alles um Mode, auch er jobbte schon in jungen Jahren als Modeverkäufer. Klar, Streetwear. Er absolvierte eine Lehre als Einzelhandelskaufmann. Jojo lernte Mary bei seiner Zeit bei SNIPES kennen. Seither sind die zwei „Best Friends“, wie beide übereinstimmend zu Protokoll geben. Zum Schluss betreute Jojo im Vertrieb verschiedene Marken der Agentur-Tochter des Streetwear-Spezialisten SNIPES. Jojo ist gläubiger Christ.
Beide haben eine GmbH gegründet. Farbenblind heißt sie. Ein Symbol dafür, dass die Hautfarbe der Menschen genauso unwichtig ist wie deren Religion oder Geschlecht und Weltansichten. Die GmbH wiederum ist Betreiberin eines Stores mit dem Namen SOUQ, arabisch für Markt. „Wir wollten auch einen Bezug zu unserer Herkunft herstellen und SOUQ ist ein Platz, auf dem man sich trifft, austauscht und natürlich auch einkauft. So sind wir auch. Wir treffen nicht auf Kunden, zu uns kommen Freunde, wir sind ein Platz der Begegnungen“, erläutert Jojo.
VIBES wandte sich von der Vermarktung fremder Labels ab und auch der Laden in der Düsseldorfer Altstadt machte im Sommer 2012 dicht. „Das hinterließ eine Lücke, die wir schließen wollten. Wir sahen die Chance für unseren eigenen Store und legten los“, erzählt Mary. Sie mieteten in der Düsseldorfer Mühlenstraße 4 einen Teil einer alten Schlecker-Filiale und packten es im November 2012 an. Für den Anfang als Pop-up-Store betrieben, folgte die offizielle Eröffnung im darauffolgenden März 2013. Jetzt wurde die komplette Filiale angemietet und der Laden nach eigenen Vorstellungen neu eingerichtet. „Konzept, Ladenbau und Präsentationswege stammen von Mary“, sagt Jojo. Sie habe ein Händchen dafür. Beim Umbau haben alle mit angefasst, Familie und Freunde. „Sauviel Arbeit“, sagt Jojo. „Aber es hat sich gelohnt und es war ein irre gutes Gefühl, im eigenen Laden zu stehen.“ Anfangs betrug der Fashion-Anteil nur 30 Prozent, überwiegend verkauften die beiden Sneakers. Inzwischen liegt das Verhältnis bei 50 zu 50. „Sneakers bekommen Sie inzwischen überall und weil wir uns vom Wettbewerb abheben wollten, haben wir die Street Fashion gezielt ausgebaut“, erklärt Mary.
Sicher, SOUQ führt bekannte Marken wie Nike, adidas oder Puma. Aber „wir bewegen uns bei den Lieferanten in einer anderen Vertriebskategorie und vermarkten zum Teil andere Modelle als der Mainstream“, meint Jojo. „Außerdem haben wir gerade in der Fashion Labels, die hier im Umkreis kein anderer verkauft“, ergänzt Mary. Beispiele: das Streetwear-Label Stüssy, Undefeated, Raised by Wolves, Xlarge u. v. m. „Der nächste Store, wo Sie Stüssy bekommen, liegt in Dortmund“, sagt Mary. „Support your Local“, grinst Jojo und erklärt, dass beide als eingefleischte Düsseldorfer natürlich etwas für die hiesige Szene tun wollen. So listet der Store auch Jungdesigner, um ihnen eine Chance zu geben, unter Echtbedingungen in die Vermarktung zu gehen in direkter Konkurrenz zu etablierten Labels, und zwar auf der Fläche. Aktuell zählen dazu unter anderem Tylrd, ein Street-Fashion-Label von Noah und Sam, zwei junge Designer aus Sri Lanka, oder F**k Brands von Hasan und Dynn. Gestartet mit Kappen, verkauft SOUQ inzwischen eine kleine Kollektion mit Sweats und T-Shirts von den Jungdesignern. SOUQ ist im Mittelpreis-Segment angesiedelt. Es kommen die Kids, junges Publikum, aber auch „Kinder der 1980er und 1990er“ und die sind heute Mitte bis Ende 30.
„Online-Handel ist noch nicht unser Ding, aber wir sind auf dem besten Weg dahin“, betont Jojo. „Wir haben bewusst bis jetzt auf den Online-Handel verzichtet. Eine vitale Innenstadt mit coolen Läden, in denen es noch etwas zu entdecken gibt, ist die bessere, lebenswertere Alternative als das Internet.“ Düsseldorf sei eine kleine Großstadt, die alles biete, was Berlin oder Hamburg auch so haben. „Und da gehört ein Streetwear-Spezialist wie wir unbedingt dazu“, meint Mary. Messen wie die SEEK in Berlin sind gesetzt. „An erster Stelle lassen wir uns zusehends von unseren Kunden und von der Straße inspirieren.“
„Streetwear und Streetart sind untrennbar verbunden, deswegen stellen wir im Store auch Bilder hiesiger Künstler aus“, berichtet Mary noch. Kostenfrei versteht sich, denn auf dem SOUQ helfe man sich gegenseitig. „Die Bilder werten ja unseren Laden optisch auf.“ In Kürze will sich Jojo auch politisch im Laden engagieren und Podiumsdiskussionen veranstalten. „Wir wollen nun niemanden bekehren, aber wir wollen die Leute zum Nachdenken bringen.“ Politisch interessiert sind die zwei schon und dann schiebt Jojo beim Rausgehen noch nach: „Ist es nicht wunderbar? Wo leben und arbeiten Christentum und Islam so harmonisch zusammen wie hier im Düsseldorfer SOUQ?“