Autor: Markus Oess
Sein Holländisch hat Peter Bierhake, Fashion-Chef beim Mehrbranchenverband EK/servicegroup, Bielefeld, in den zurückliegenden Monaten nicht verbessert. Man spricht englisch. Die Zusammenarbeit mit den niederländischen Kollegen wird zusehends runder, nachdem die EK im April 2015 die Verbundgruppe Euretco übernommen hat. Bald soll ein neues Benchmarktool auf den Markt kommen, das Handel und Industrie zeitnah harte Abverkaufsdaten liefert – europaweit. Peter Bierhake über Mode, Markt und Maß.
FT: Herr Bierhake, Outdoor ist auf der einen Seite eines der Problemthemen in der zurückliegenden Saison gewesen, auf der anderen Seite wurde ihm auf den Berliner Messen besondere Aufmerksamkeit als Umsatzbringer zuteil. Wie passt das zusammen?
Peter Bierhake: „Der September 2016 war wetterbedingt natürlich katastrophal. Aber dann hat die Nachfrage auf der Fläche spürbar angezogen. Insbesondere sind die Wollthemen gut gelaufen. Folglich hat der Handel abseits der modischen Entwicklung wieder mehr Lust auf Outdoor mit guten, frischen Kollektionen. Denn das Segment liefert gute Bons.“
Die Messe hatte jetzt keine Ausbrüche nach unten oder nach oben. Taxifahrer berichten allerdings, dass das neue Großbordell ihnen in den Stoßzeiten mehr Kundschaft bringt. Wie haben Sie die Resonanz auf die Berliner Messen erlebt?
„Die Berliner Messen sind eine wichtige Plattform, um sich zu informieren und Input für die kommende Saison einzusammeln. Die Händler, die sich bewusst um Innovationen bemühen, haben Berlin auch besucht. Das gilt aber leider nicht für alle. Die Panorama war am ersten Tag sehr gut besucht und hat am zweiten Tag etwas nachgelassen, wohl, weil die Einkäufer anschließend die Premium besucht haben. Die Panorama wird für unser Preisgenre entscheidend bleiben und ich habe den Eindruck, die Branche rückt enger zusammen. Die Bereiche Accessoires und Schuhe gewinnen an Bedeutung. Die Messe entwickelt sich weiter und setzt sich über Nova Concept intensiver mit Lifestyle-Themen auseinander. Das ist gut und sollte sogar ausgebaut werden. Wir können auf der Fläche mehr Spannung und Erlebnis gebrauchen. Bei den deutschen Marken selbst habe ich allerdings kaum Innovationen gesehen, die liefern derzeit die Skandinavier und die Holländer.“
Wo sehen Sie im Vergleich dazu Florenz?
„Die Pitti Uomo liefert zu einem frühen Zeitpunkt wichtige Einblicke in die kommende Saison im Premiumsegment. Ich habe den Eindruck, dass immer weniger kleinere Händler aus Deutschland die Gelegenheit dazu nutzen. Schlicht aus Kostengründen. Die Pitti ist jedenfalls in Europa das Schaufenster für große Brands, die international ausgerichtet sind.“
Nochmals kurz ins zurückliegende Jahr – wie haben Ihre Mitgliedshäuser abgeschlossen?
„Unsere Anschlusshäuser folgen der Gesamtentwicklung des Marktes. Alles in allem rechnen wir mit einem leichten Umsatzrückgang, aber innerhalb unserer Händlerschaft bestehen große Unterschiede. Der Erfolg eines Stores hängt neben vielen weiteren Faktoren vom Unternehmer selbst, von seinem Engagement und seiner Kreativität ab. Das gilt natürlich auch für die Profitabilität. Händler, die hier mehr tun, schlagen sich auch besser. Generell wird die Situation für mittelständische Händler umso dramatischer, je stärker wir in den Sog der Rabattschlachten hineingezogen werden. Formate wie TK Maxx tun ihr Übriges und passen leider sehr gut in den Zeitgeist. Wir verkaufen nur noch eineinhalb Monate in der Saison zu regulären Preisen. Woher soll da die Wertschätzung der Verbraucher für Bekleidung kommen?“
Wie lief es vor diesem Hintergrund in der HAKA?
„Die HAKA hat etwas schlechter abgeschlossen als die DOB. Das liegt aber auch an der Monotonie draußen auf der Fläche. Die Händler setzen teilweise auch zu sehr auf Basics und Sicherheit. Das ist verständlich, aber Wachstumsimpulse sind davon nicht zu erwarten. Wenn ich nur graue Jacken anbiete, ist das zu wenig. Wer den Mut zur Farbigkeit hat, erzielt bessere Ergebnisse. Gute Ansätze dazu habe ich jetzt in Berlin etwa bei OLYMP oder LERROS gesehen. Aber es muss auch in der nötigen Konsequenz geschehen.“
Was lief gut, was enttäuschte?
„Wie gesagt, mit Standards und Basics können Sie herzlich wenig gegen den zunehmenden Preisdruck ausrichten. Zumal es sich in aller Regel um bloße Ersatzbeschaffung handelt. Mäntel und Wollthemen sind gut gelaufen, allerdings auf niedrigem Niveau. In der Konfektion gab es Gewinner und Verlierer.“
Ein Grund für den Erfolg der Gewinner sind der Service und das NOS. Der Markt verlangt es und es funktioniert, andererseits lamentieren Hersteller, Händler setzten zu viel auf Sicherheit und erzeugten damit monotone Dauertöne statt eines orchestralen Meisterwerkes im Männerohr. Wie sehen Sie es?
„Mit dem Baukasten und der Aufnahme von auch modischen Elementen ins NOS haben die Hersteller dem Handel auch eine Menge Arbeit abgenommen. Das sorgt aber auf der Fläche für ein graues Grundrauschen, wenn Sie so wollen. Immerhin sieht es so aus, dass das Sakko wieder im Kommen ist und mit casualigem Design sowohl im Business- wie im Freizeitbereich einen neuen Klang erzeugt. Beim Sakko ist mehr Mode möglich. Generell werden die Styles wieder angezogener. Die Jungen werden wieder etwas konservativer im Kleidungsstil. Außerdem werden Events wie Hochzeiten und andere ‚förmliche’ Feste beliebter. Das sind keine so schlechten Aussichten.“
Was sind die Looks oder Keypieces in der kommenden Order?
„Ganz klar das Sakko. Auch Westen liegen im Trend. Bei den Hemden müssen wir sehen, ob das Karo dazu beitragen kann, das hohe Niveau hier zu halten. Auch bei Strick sehen wir neue Wachstumschancen. Bei der Hose bleibt Denim der Motor. Outdoor wird durch die Wolle neue Impulse erhalten. Zudem greifen viele das Thema Funktion als zusätzliches Verkaufsargument verstärkt auf. Etwa über die neue Bequemlichkeit bei engen Passformen durch den Einsatz von Qualitäten mit Stretcheigenschaften.“
Wie hat die Sütegro diese Trends umgesetzt?
„Natürlich folgen wir mit unseren Eigenmarken dem Mainstream. Aber da sind wir sehr erfolgreich. Zwar kann ich bis zur Hauptversammlung im April keine konkreten Zahlen nennen, aber wir wachsen mit unseren Marken deutlich zweistellig. Damit bin ich überaus zufrieden.“
Wie gut ist inzwischen Ihr Holländisch?
„Ist nicht besser geworden. Die Unternehmenssprache ist Englisch. Wir sind eine europäische, keine deutsch-holländische Company.“
Sie wollten aus dem Kauf der Euretco Synergien heben und zum Beispiel im Bereich der Eigenmarken enger kooperieren. Wie sieht es inzwischen aus?
„Gut. Bei unseren HAKA-Marken St. Barth und der holländischen Born with appetite sind wie bei den übrigen Bekleidungsmarken deutsch-holländische Teams am Start. Die Zusammenarbeit ist überaus fruchtbar. Auch im rückwärtigen Bereich sind wir ein großes Stück weitergekommen. So steuern wir zum Beispiel seit Januar die komplette Zentralregulierung jetzt hier in Bielefeld aus einer Hand. Wir haben in den zurückliegenden Monaten ein großes Wegstück hinter uns gebracht und uns auch qualitativ spürbar gesteigert und dies nicht allein im Bereich der Eigenmarken.“
Welche Erwartungen haben sich nicht oder noch nicht erfüllt?
„Bei einem Zusammenschluss in dieser Größenordnung bleibt auch immer etwas auf der Strecke. Nicht alles lässt sich bei zwei Firmen mit unterschiedlichen Strukturen und verschiedenen Unternehmenskulturen aufeinanderlegen. Aber im Großen und Ganzen läuft es rund.“
Wie viele Menschen haben ihre Arbeit verloren?
„Stellenabbau war nie im Fokus, sondern die Steigerung der gemeinsamen Leistungen für die Handelspartner der EK, der Euretco und des Moderings durch Synergien und neue Strukturen. Wir haben auch Stellen abgebaut, aber andererseits neue Stellen geschaffen, sodass die Größenordnung einer normalen Fluktuation eines Unternehmens nicht überschritten wurde.“
Im Vorstand der EK hat sich euch einiges getan. Steve Evers, bisher Euretco-Vertriebsvorstand, verantwortet jetzt die Bereiche Buch, DIY, Fashion, Sport und Wohnen. Was ändert sich für die Sütegro?
„Nun, ich habe einen neuen direkten Vorgesetzten im Vorstand, dem ich als Geschäftsführer der deutschen Sektion einer Fashion Unit innerhalb der EK berichte. Wir werden sicher auch organisatorisch noch enger zusammenrücken und davon auch deutlich profitieren. So haben wir in Holland ein Benchmarktool für Handel und Industrie weiterentwickelt, das sich derzeit in der Erprobungsphase befindet und uns in die Lage versetzt, Händlern und Lieferanten landesweit und später auch auf europäischer Ebene genaue Abverkaufszahlen zu liefern und damit Sortimente und Produktion nachfrageorientiert zu steuern – sehr zeitnah und mit belastbaren Daten. Ich bin überzeugt, dass der Rollout uns auch hierzulande ein großes Stück nach vorn bringt.“
EK-Vorstand Susanne Sorg hatte auf dem Unternehmerkongress der EK referiert. Sie ist im Vorstand auch für Omnichannelling verantwortlich. Wie läuft es denn mit der Bausteinlösung myWeb für Online-Shops für die Textilhäuser?
„Wer einen Online-Shop anbieten will, kann das mit uns tun. Allerdings sehen wir das Internet im Segment Fashion für unsere Anschlusshäuser vor allem noch als Kommunikationsweg zur Profilierung vor Ort. Wir müssen das Internet als Art lokale Zeitung begreifen und als Plattform nutzen, um vor Ort die eigenen Stärken herauszustellen. Wird der Preis zum alleinigen Entscheidungskriterium, haben wir im Grunde schon verloren, denn es gibt im Internet immer jemanden, der noch billiger ist als man selbst.“
Wie viele Häuser sind jetzt dabei?
„EK-weit sind es rund 100 Händler, die myWeb nutzen.“
Mark Bezner, Geschäftsführer von OLYMP, hat mit Signature eine neue Premiumlinie eingeführt und will damit rund 200 Häuser in Deutschland beliefern. Trotzdem befürchtet er eine weitere Konsolidierung auf Industrie- und Handelsseite. Besonders im Handel sind namhafte Größen ins Wackeln gekommen. Wie rüsten Sie Ihre Mitgliedshäuser für stürmische Zeiten in den kommenden Monaten?
„Wir werden sicher noch einige Insolvenzen in unserer Branche erleben. Das stimmt. Wir geben Hilfestellung bei der Sortimentsentwicklung. Wir wollen Alternativen zu den gängigen Marken aufzeigen, die im Fokus der Rabattschlachten stehen. Generell rücken wir Business Intelligence in den Mittelpunkt unserer Angebote. Dinge wie das eben zitierte Benchmarktool werden in einem zunehmend kompetitiven Markt für den Mittelstand entscheidend. Händler, die völlig isoliert handeln, werden mehr und mehr zu kämpfen haben. Der Erhalt des stationären Handels ist eine branchenübergreifende Aufgabe. Wir müssen begreifen, dass die große Herausforderung für den Fortbestand nicht der Händler nebenan ist, sondern das Internet und der digitale Wandel.“
Mit welchen Planzahlen gehen Sie in die kommende Orderrunde?
„Wir erwarten ein Pari.“
Und das Gesamtjahr 2017?
„Für die EK rechnen wir mit einem leichten Plus, für den Handel ebenfalls mit einem Pari.“