Autor: Markus Oess
Der Mann mag Messer. Der kernige Mann mag Rasiermesser. Und wer etwas auf sich hält, lässt sich pflegen. Nicht ohne Grund bohrt der Modehandel seinen Auftritt in Richtung Lifestyle aus. Barbershops haben Konjunktur. FT war zu Besuch bei einer der angesagten Adressen Kölns, dem Barbershop Cologne.
Mit runden Augen lugt die junge Frau in den Laden, dreht vorsichtig den Kopf hin und her und bringt ein leises „Ich suche meinen Mann“ heraus. – „Der ist schon weg“, brummt es aus dem Shop. So leise wie sie gekommen war, zieht sie die Türe zu und weg ist sie. Hat der Donnerhall der kernigen Männerwelt bei der jungen Frau Herzrasen und Kurzatmigkeit ausgelöst? Waren es die Lettern an der Türe, die das schwache Geschlecht vom Ladeninneren fernhielten (MEN ONLY)? Mitnichten, die Frau ist einfach nur hochschwanger. Stammkundschaft. Man kennt sich.
Und trotzdem sind es nicht die gefühlten 25 Kilogramm Mehrgewicht, die die Frau auf dem Bürgersteig kleben lassen. Wir sind in einem von Kölns angesagtesten Läden, dem Barbershop Cologne im Belgischen Viertel. Und in der zwar kernigen, aber durchaus kultivierten Männerwelt müssen Frauen eben draußen bleiben. Gegründet hat Marco Marciano den Laden. Ein Lebenstraum? „Absolut“, nickt Marco bestimmt. Natürlich Bartträger und mit sorgfältig gekämmter Frisur, den Rest erledigt das Haarwachs. Der Körper des 47-Jährigen ist nach japanischer Art tätowiert und steckt in ausgesuchter Kleidung, die sich recht einfach in Richtung Selvedge Run verorten lässt. Sehr schnell ist klar, der Mann hat Spaß am Leben, an gutem Aussehen und an der italienischen Lebensart. Dabei lässt sich seine subkulturelle Orientierung der Jugendjahre nicht verleugnen: Psychobilly, vereinfacht eine Mischung aus Rockabilly und Punk. Hierzulande ist die klassische Barberkultur nach dem Zweiten Weltkrieg ausgestorben. „In Italien ist das anders. Dort ist der Barbier eine feste Anlaufstation für die Männer im Quartier oder im Dorf, je nachdem. Man trinkt, man unterhält sich. Wer den Laden betritt, kommt mit einer Geschichte rein und mit wenigstens fünf wieder raus“, begeistert sich Marco und verweist nicht ohne Stolz auf seine süditalienischen Wurzeln.
Marco ist keine Katze, aber er hat schon mehrere Leben hinter sich. So absolvierte er eine Kfz-Lehre, um dem elterlichen Wunsch einer Ausbildung zum Bankkaufmann etwas „Anständiges“ entgegensetzen zu können. Leben Nummer eins. Die Begeisterung für den Job selbst hielt sich dann doch in Grenzen und Marco entschloss sich, bei der Bundesmarine anzuheuern. Vier Jahre fuhr er zur See. Leben Nummer zwei. Zurück in der Heimat, stieg Marco dann doch in das elterliche Unternehmen ein: Eine Immobilienverwaltung (Marciano GmbH), die heute um die 3.000 Wohnungen betreut. Die kaufmännische Lehre war gesetzt. Leben Nummer drei. Dann, im Alter von 45 Jahren und Vater von drei Kindern, wollte er sich doch seinen eigentlichen Traum erfüllen.
„Haare habe ich schon immer geschnitten, in jungen Jahren, bei der Marine und auch später noch. Unseren Style konnte damals kein Friseur schneiden, geschweige denn, dass er es überhaupt versucht hätte.“ Das war im Jahr 2014. Marco organisierte zwei Leute vom Fach und legte los. „Die Grundidee war ganz einfach, wir wollten eine frauenfreie Zone einrichten, eine Art Klub, in dem der Mann einfach Mann sein darf, ohne sich großen Konventionen unterwerfen zu müssen.“ Damals schon war er sehr eng mit der Kölner Szene vernetzt. Marketing? „Social Media und Mundpropaganda“, grinst Marco. Kein Wunder, denn die Mannschaft wurde von ihren Kulturgenossen förmlich überrollt. „Noch bevor wir überhaupt geöffnet hatten, sprang unsere Facebook-Seite auf mehr als 2.000 Follower. Wir hatten innerhalb eines Monats 900 Neukunden. Wenn Sie das auf den Tag herunterbrechen, können Sie sich vorstellen, was hier los war“, erinnert sich Marco.
„Wir sind so was wie eine Wohlfühloase für Männer. Männer sind ja recht schnell zufriedenzustellen. Leder, Holz und ein Bier auf die Hand. Schon stimmt das Ambiente, oder nicht?“, fragt Marco. Wer will, bekommt auch Whiskey oder einen guten italienischen Rotwein. Ein Schweizer Kunde verlangt einen bestimmten Grappa. „Kriegt er auch und sein Trinkgeld reicht schon für die nächste Flasche“, meint Marco, der den normalen Handwerker wie auch den Edel-Kicker des 1. FC Köln in seinem Barbershop begrüßt.
Heute besteht das Team mit Marco aus neun Mann. Eine bunte Truppe, Deutsche, Italiener, aber auch ein Portugiese und ein Malaie sind darunter. „Drei Friseurmeister sind an Bord, sie und auch die anderen mussten erst einmal den Beweis antreten, dass sie tatsächlich das Können mitbringen, hier zu arbeiten“, betont Marco. „Und klar, es muss auch passen.“
Anfangs testete Marco auch den Verkauf von Fashion. Schnell stellte sich aber heraus: entweder richtig oder gar nicht. „Ist wie mit dem Waschen. Ohne Nassmachen geht es nicht und einen richtigen Laden mit großartiger Lagerhaltung und Präsentationsflächen geben Konzept und Ladenlokal nicht her“, sagt Marco. Heute können die Kunden neben diversen Pflegemitteln wie Brooklyn Soap, Stens oder Proraso (der Klassiker für Barbiere) auch Merchandising-Produkte kaufen wie Shirts oder Kappen. „Wenn er mein T-Shirt trägt, während er auflegt“, zeigt Marco auf einen markigen DJ, der sich gerade den Bart stutzen lässt, „bringt uns das mehr als irgendwelche Anzeigen in Stadtmagazinen“, weiß er. Der Laden hat schnell Kultstatus erlangt, der weit über die Stadtgrenzen hinausreicht, und ist auch öfter Kulisse für irgendwelche Drehs und Werbeaktionen seiner Lieferanten.
„In dem Laden arbeitete vor Urzeiten auch mal ein Friseur, aber als ich ihn übernommen habe, mussten wir ihn komplett neu aufbauen“, berichtet Marco. Wie er aussehen sollte, wusste er genau. Für die Umsetzung der Details und der Farbgestaltung (leichte Rot-Grün-Schwäche) fragte er einen befreundeten Ladenbauer. Rustikal ist das Ladeninnere, das an eine einfache Werkstatt erinnert. Die Elektrik ist über Putz verlegt, der freigelegte Stahlträger ist mit Rostfarbe gestrichen. Die Ausstattung ist zusammengekauft, auch hier half ein Freund, der sein Geld mit Antiquitätenhandel verdient. Herzstück ist ein alter Apothekerschrank, der angepasst und mit Waschbecken ausgestattet wurde und an dem drei Barbiere arbeiten können. Zwei weitere Arbeitsplätze verteilen sich auf den Laden. Die Barbierstühle, die im Gegensatz zu normalen Friseurstühlen allesamt mit einer Liegefunktion ausgerüstet sind, um auch den Hals des Kunden anständig rasieren zu können, hat Marco aus Italien und Portugal importiert. Stückpreis: rund 5.000 Euro. Zum gängigen Handwerkszeug seiner Barbiere zählt Marco Messer, Schere und die Maschine, ein Elektrorasierer. Etwa 150.000 Euro hat Marco in den 80 Quadratmeter großen Laden gesteckt. Geld, das er nach eigener Aussage schon länger wieder drinhat.